USA 1996 · 111 min. · FSK: ab 12 Regie: Harold Becker Drehbuch: Bo Goldman, Ken Lipper Kamera: Michael Seresin Darsteller: Al Pacino, John Cusack, Bridget Fonda, Danny Aiello u.a. |
Eine Schießerei an einem regnerischen Tag in New York kostet drei Menschen das Leben: Ein Polizist, ein kleiner Mafiosi und ein sechsjähriger Junge, der zur falschen Zeit am falschen Ort war. Vor allem durch den zufällig erschossenen Jungen erregt dieser Fall mehr öffentliche Aufmerksamkeit als viele andere in der Megalopolis. Folglich muß sich auch der äußerst charismatische Bürgermeister John Pappas (Al Pacino) damit auseinandersetzen. Er hält Pressekonferenzen zum Thema der »Inneren Sicherheit« und besucht die Hinterbliebenen, während sein persöhnlicher Assistent Kevin Calhoun (John Cusack) den merkwürdigen Umständen des Schußwechsels hinterhergeht.
Mit Hilfe der Anwältin Marybeth Cogan (Bridget Fonda), die die Polizistenwitwe vertritt, stößt Calhoun auf immer mehr Ungereimtheiten, in denen der Bezirksvorsitzende von Brooklyn (Danny Aiello), ein Mafia-Don (Antonio Franciosa) und ein Richter (Martin Landau) verwickelt sind.
Die Beziehung zwischen Calhoun und der Anwältin erinnert zunächst stark an die Klassiker des großen Frank Capra, wie Mr. Smith Goes To Washington: der idealistische Provinzler kämpft gegen politische Korruption, an seiner Seite die zuerst widerspenstige, dann hilfreiche, ihn bewundernde Frau seines Herzens. Aber als man sich gerade an den klassischen Ablauf des Musters gewöhnt hat, kündigt die Anwältin Calhoun die Zusammenarbeit, da dieser nicht ganz so idealistisch und sie nicht ganz so ergeben ist, wie es sein müßte. Die Liebesgeschichte ist erstmal geplatzt, und der Film konzentriert sich wieder mehr auf die politischen Verflechtungen der Charaktere.
In einer der besten Szenen des Films wird klar, worauf es beim politischen Handeln ankommt. John Pappas hält auf der Beerdigung des kleinen Jungen eine fulminante Grabrede vor der afro-amerikanischen Kirchengemeinde, in der er seine Gefühle auf außerordentlich geschickte Weise für politische Zwecke instrumentalisiert. Es gelingt Pappas in seiner extremen Emotionalität die traditionellen Formen afro-amerikanischer Kirchenzeremonien zu übernehmen und so die zuerst mißmutigen Trauergäste auf seine Seite zu ziehen. Ob all diese Gefühle echt sind oder nicht, spielt für die überzeugende politische Selbstinszenierung natürlich keine Rolle. Durch Pacinos schauspielerische Leistung und dem ganzen Charakter Pappas bleibt es aber durchaus im Bereich des Möglichen, daß diese Emotionen nicht nur vorgetäuscht sind; wirkliche Gefühle schließen deren politische Instrumentalisierung nicht aus, und so verfällt der Film nicht in platte Politikerkritik.
Im Laufe des Films stellt sich heraus, daß der Tod des kleinen Jungen in mehrerlei Hinsicht eine nicht beabsichtigte Nebenfolge war. Sein Tod war eben auch eine Nebenfolge politischen Handelns mächtiger Akteure, deren Handlungsziele nichts mit dem Jungen oder dem Polizisten zu tun hatten, deren Handlungen aber letztendlich unbeabsichtigt zum Tod dreier Menschen und ihrer eigenen Entmächtigung führten. Daß Morde, im Gegensatz zum aktuellen amerikanischen Filmtrend, in der Regel unterschiedlichste Folgen nach sich ziehen, wird in City Hall auf diese Weise thematisiert. In den nicht intendierten Nebenfolgen erkennt man ein grundsätzliches Problem menschlichen Handelns wieder, das sich in den komplexen Gesellschaften der Gegenwart verschärft hat und das diesen Gesellschaften noch einiges Kopfzerbrechen bereiten wird.