Italien 2017 · 87 min. · FSK: ab 12 Regie: Ivan Cappiello, Marino Guarnieri, Alessandro Rak, Dario Sansone Drehbuch: Ivan Cappiello, Marianna Garofalo, Marino Guarnieri, Corrado Morra, Alessandro Rak Musik: Antonio Fresa, Luigi Scialdone Schnitt: Marino Guarnieri, Alessandro Rak |
||
Stoff mit dichter Sogwirkung |
Eine Katze erscheint in der Tat kurz auf der Bildfläche, doch die titelgebende »Cinderella the Cat« zielt auf das punkige Teenagermädchen Mia ab, dem das Trickfilmteam eine animalische, obgleich verwundbare Erscheinung verpasste. Überall an den Türen eines gigantischen Luxusdampfers namens »Megaride« prangt ein gigantisches M. Neben dem Namen des futuristischen Schiffes verweist der geniale Erfinder Vittorio Basile damit auf seine geliebte kleine Tochter, die in der Eröffnungssequenz des Steampunk-Thriller-Musicals natürlich in einem Bilderbuch um die von ihrer Ersatzfamilie unterdrückte Cinderella schmökert. Sogar der permanente Ascheregen in der zweiten Hälfte kann als Seitenhieb auf den übersetzten Titel »Aschenputtel« gedeutet werden.
Mit dem Namen des visionären Konstrukteurs Basile, der ein »Zentrum der Wissenschaft und Erinnerung« rund um den riesigen Kreuzer in einer Kuppel errichten will, zielt man zudem auf Giambattista Basile ab, der erstmals 1636 eine Aschenputtel-Erzählung in Neapel publizierte. In der Küstenstadt spielt zudem ein wesentlicher Teil der Handlung um die Intrige des zynischen Sängers und Drogenschmugglers Salvatore Lo Giusto. Direkt nach Basiles Heirat mit der wankelmütigen Schönheit Angelica Carannante räumt er seinen lästigen Nebenbuhler aus dem Weg. Zurück bleibt die traumatisierte Mia, die ebenso wie Angelicas Amsel im Käfig keinen Ton mehr von sich gibt.
Nicht der »The King« genannte Gangsterboss zeigt sich als Mias Prinz, sondern ihr ehemaliger Bodyguard Primo Gemito (im Original von Alessandro Gassman gesprochen), der 15 Jahre später als Undercoveragent der Polizei seinem Gegenspieler das Handwerk legen will. Die verschlagenen Stiefschwestern des Originals verwandeln sich zur sechsköpfigen weiblichen Mördertruppe zwischen Varieté-Artisten und Prostituierten samt eines Transvestiten. Etwas zu inflationär verwendet das Regisseursquartett das Schuh-Motiv von Mias verlorenem Slipper in der Einstiegsszene über Schuhe als gepresstes Narcotica-Derivat und Werbespots bis hin zum nicht mehr passenden Hochzeitsschuh von Mias innerlich zerrissener Stiefmutter.
Nach L’arte della felicità von 2013, dessen Klavier spielender Protagonist hier während der ersten Gesangsnummer einen Cameoauftritt absolviert, gelang Regisseur Alessandro Rak gemeinsam mit seinen langjährigen Mitstreitern Ivan Cappiello, Marino Guarnieri und Dario Sansone ein visuell beeindruckender Stilmix aus futuristischen und Retro-Elementen, 3D-Computer- und traditioneller Grafik. Zwischen stetigen Parallelmontagen, gekippten Perspektiven und langen Kamerafahrten sowie surrealen Hologramm-Einspielungen des lebendigen, Menschen beobachtenden Schiffes entwickelt der Stoff eine dichte Sogwirkung.
Häufig wird Jazz und Swing bewusst konträr zum dunklen Plot eingesetzt. Salvatore Lo Giustos zynische Hymne an Neapel als Heimat von Dreck, Smog, Neid und Verbrechen wirkt wie ein böser Kommentar zum klassischen italienischen Melodram. »Stronzo« erweist sich als das am häufigste verwendete Wort in den Dialogen, wobei die meisten Charaktere nur auf ihren Vorteil bedacht sind. In italienischer Tradition bewegen sich die halbrealistisch angelegten Figuren im Stil von
Comiczeichnern wie Alessandro Barbucci (»Monster Allergy«) und Kollegen.
Bedauerlich nur, dass der für seine optischen Effekte mit einem David di Donatello-Award ausgezeichnete melancholische Märchen-Abgesang im Finale nicht ganz die Kurve bekommt. Dass manche Details ohne Erklärung bleiben, nimmt man angesichts des surrealen Ansatzes hin. Doch allzu überhastet und forciert laufen die originellen Ansätze in einem großen Knall zusammen.