USA 1999 · 118 min. · FSK: ab 6 Regie: Robert Altman Drehbuch: Anne Rapp Kamera: Toyomichi Kurita Darsteller: Glenn Close, Julianne Moore, Liv Tyler, Chris O´Donnell u.a. |
Ein Film von Robert Altman dieser Satz auf einem Plakat läßt die Hoffnung auf eine Prise Filmkunst in der all zu faden Hollywood-Suppe der wöchentlichen Kinostarts aufkeimen. Das war nicht immer so: Nach einigen großen Erfolgen in den Siebziger Jahren, wie z.B. M.A.S.H. (1970) oder Nashville (1975), hatte Altman in den Achtzigern bei den großen Hollywood-Studios keine Chance auf die Finanzierung einer größeren Produktion. Diese Zeit nutzte der Altmeister, zurückgezogen in New York und Paris, für Low-Budget-Produktionen, darunter einige Theaterverfilmungen und Fernsehfilme. 1992 gelang ihm mit seiner Hollywood-Satire The Player ein großes Comeback. Seitdem steht regelmäßig wieder alle ein bis zwei Jahre ein neuer Altman auf dem Spielplan. So verzeichnet die Internet Movie Data Base (IMDB) immerhin 73 Projekte, für die sich der mittlerweile vierundsiebzigjährige Robert Altman als Regisseur verantwortlich zeichnet. Darunter sind auch schon wieder zwei neue Filme mit den Arbeitstiteln Another City, Not My Own (1999) und Dr. T & The Women (2000), die sich momentan in Planung oder Produktion befinden. Zur Zeit ist in den Kinos Altmans Film Cookie´s Fortune (1999) zu sehen.
Holly Springs ist ein kleiner verträumter Ort in den Südstaaten der USA und selbst ein Skandal wie der vermeintliche Raubmord an der alten Cookie (Patricia Neal) kann seine Bewohner nicht aus der Ruhe bringen. Die polizeilichen Ermittlungen in diesem Fall schleppen sich dahin und kriminologisch stichhaltige Beweise verlieren angesichts der dichten Sozialstrukturen innerhalb des Ortes und der daraus resultierenden Solidarität ihre Gültigkeit. Das Leben verläuft hier eben
nach eigenen Gesetzen, selbst die scheinbar rebellische Emma (Liv Taylor) bekennt sich zu ihren Wurzeln und steht dem unschuldig verdächtigten Willis (Charles S. Dutton) in seiner Not bei. Doch im Grunde glaubt keiner im Ort wirklich an dessen Schuld und am Ende lösen sich die ganzen Verwicklungen fast von selbst auf und die selbstgefällige Camille (Glenn Close), die den Selbstmord der alten Frau aus Eigennutz als Mord vertuschen wollte, erhält ihre gerechte Strafe.
Altman
präsentiert in Cookie´s Fortune eine sehr amüsante Geschichte mit liebevoll gezeichneten Figuren und nicht ohne einen satirischen Zug. Kein Wunder also, daß sich die Kritiker einmal mehr mit ihm versöhnen, jetzt, als er allem Anschein nach zu seinen Talenten zurückgefunden hat. Auch die Zuschauer scheinen einigermaßen angetan zu sein, das Boxoffice in den USA steht derzeit bei fast 11 Millionen Dollar, das deutsche Einspielergebnis übersteigt bereits eine
Million DM. Das ist nicht selbstverständlich, denn Altmans letzter Film The Gingerbread Man (1998) war weder bei der Kritik noch beim Publikum sonderlich beliebt und auch Kansas City (1996) wurde zwar als Hommage an den Jazz respektiert, aber in seiner filmischen Vielschichtigkeit nicht wirklich
gewürdigt. Cookie´s Fortune ist tatsächlich ein typischer Altman-Film der Neunziger, er greift auf wichtige Gestaltungsprinzipien zurück, die bereits in früheren Filmen von Robert Altman entwickelt wurden. Die Besetzung der Charaktere eröffnet das Spektrum von altgedienten Stars wie Glenn Close über die jüngere Hollywood-Generation wie Liv Taylor bis hin zu Altman-spezifischen Nebendarstellern wie Lyle Lovett. Dieses Konzept läßt sich beispielsweise auch
in Kansas City, Short Cuts (1993), Pret-à-Porter (1994) oder mit einer legendären Anzahl von Star-Gastauftrittenin The
Player erkennen. Interviews mit den Darstellern belegen wiederum das Vertrauen, das diese Altman entgegenbringen, man weiß, daß Robert schon die richtige Rolle für jeden von ihnen findet. Dieses Phänomen führt dazu, vergleichbar mit Woody Allens Casting-Methoden, daß eigentlich nie Besetzungsschwierigkeiten bei einem Altman-Film bestehen, auch wenn die Gagen vergleichsweise gering sind. Es ist schon (Achtungs-)Erfolg genug, wenn man auf der Besetzungsliste steht.
Bemerkenswert ist Altmans Art und Weise der Figurenzeichnung. Frauen spielen in vielen seiner Filme tragende Rollen, man denke nur an Drei Frauen aus dem Jahr 1976. Die Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen und Beziehungen nimmt jedoch in den neueren Filmen Altmans eine andere Qualität an. Hier geht es weniger um Gegenkonzepte und Ausbruchversuche aus der gesellschaftlichen Ordnung, sondern mehr um das Nachvollziehen von Umbruchssituationen im Alltag, die eine Fortführung der gewohnten Rollen nicht mehr zulassen und ein folgenreiches Handeln, eine Emanzipation erfordern. So wird die Oberflächlichkeit der Modebranche in Pret-à-Porter nicht zuletzt durch die Schwangerschaft des Super-Models Albertine (Ute Lemper) sichtbar, die sie plötzlich zum Fremdkörper in dieser von Frauen getragenen und von Männern beherrschten Welt werden läßt. Ähnlich ergeht es Blondie OHara (Jennifer Jason-Leigh) in Kansas City, die mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, ihren Geliebten aus dem Netz der Mafia in der Gangsterweltund somit natürlich Männerweltder Dreißiger Jahre zu befreien. Ihre letzte Verzweiflungstat ist die Entführung der Ehefrau eines einflußreichen Politikers, von dem sie sich auf diese Weise Unterstützung erzwingen will. Altman ist so sehr an der Entwicklung der Beziehung zwischen den beiden Frauen interessiert, daß er die eigentliche Krimihandlung fast vernachläßigt. Am Schluß emanzipiert sich die zuvor drogenabhängige und handlungsunfähige Politikergattin, dagegen sitzt Blondie als Frau aus dem Angestelltenmilieu letztlich am kürzeren Hebel und endet, wie ihr Geliebter Johnny, mit einer Kugel der Mafia im Bauch. Diese Handlungsstränge und Subtexte werden nun aber von Altman sehr geschickt und manchmal auf den ersten Blick kaum erkennbar in die Filmhandlung eingeflochten. Was also erst einmal unscheinbar und leichtfüßig inszeniert daherkommt, hat oftmals eine erstaunliche tiefere Substanz. Das Ausloten dieser Tiefenstrukturen ist Altmans große Kunst, die seine Filme auf verschiedene Weisen rezipierbar machen: Kansas City ist beispielsweise in einer einfachen, restringierten Rezeptionsweise nicht mehr als eine relativ harmlose Gangstergeschichte mit einer Hommage an den Jazz der Dreißiger Jahre. Eine elaborierte Rezeptionsweise, die sich mit der filmischen Machart und der komplexen Erzählstruktur näher auseinandersetzt, läßt Altmans Kompositionstechniken zutage treten, die geschickt die Musik-Ebene mit der Handlungs-Ebene und den verschiedenen Subtexten zu einem Gesamtkunstwerk vereinen. Was in Nashville oder Short Cuts offensichtliches Konstruktionsprinzip ist, nämlich die kunstvolle Verknüpfung von zahlreichen verschiedenen Figuren und Geschichten, findet sich in anderen Altman-Filmen in der Tiefenstruktur wieder.
Nun aber zurück zu Cookie´s Fortune. Vor dem eben ausgebreiteten Hintergrund stechen wiederum Frauenfiguren hervor, die im Verlauf des Filmes Entwicklungen vollziehen, die sich nicht mit den etablierten gesellschaftlichen Strukturen vereinbaren lassen. Denn Holly Springs ist zweifellos wieder eine dieser Männerwelten: Alle gesellschaftlich einflußreichen Positionen sind von Männern besetzt, ihr gemeinsames Fischen untermauert diese
Machtstruktur. Ein Blick auf die Frauen: Zuerst bringt sich die alte Cookie (Patricia Neal) in ihrer Sehnsucht nach ihrem verstorbenen Mann um, was in einem kleinen konservativ-traditionalistischen Örtchen als nicht besonders political correct gelten kann. Ihre Nichte Emma (Liv Taylor), die sich zuerst dem Werte- und Normensystem von Holly Springs verweigert, findet über den Tod ihrer Großmutter und die falsche Beschuldigung von Willis (Charles S. Dutton) zurück zu den Menschen,
die ihr am wichtigsten sind und erfährt auf diesem Weg einiges über ihre eigene Vergangenheit. Camille Dixon (Glenn Close) ist hingegen die perfekte Verkörperung einer nach außen immer freundlichen, höflich-korrekten und engagierten Bürgerin des Ortes, hinter dieser Fassade verbirgt sich jedoch ein selbstsüchtiger, egozentrischer und herrschsüchtiger Kern. Am Ende muß sie für ihre Falschheit bezahlen, ihre Lügen decken sich auf und ihre Persönlichkeit fällt wie ein Kartenhaus
in sich zusammen. Cora Duvall (Julianne More) ist eine weitere Frauenfigur, die eine Emanzipation im Verlauf des Filmes vollzieht. Sie nutzt die Chance, die sich ihr am Ende ergibt, um sich endgültig von der Vorherrschaft Camilles zu befreien und ein neues, eigenes Leben zu beginnen.
Bezeichnend ist vor allem die Schlußszene des Filmes: Friedlich und zufrieden sitzen die Männer wieder beim Fischen, alle Aufregungen haben sich gelegt. Doch es hat sich auch etwas Grundlegendes
verändert: Zwischen ihnen sitzt auf einmal eine Frau, Emma, und fischt mit.