D/Irland 2000 · 105 min. · FSK: ab 12 Regie: Eoin Moore Drehbuch: Greg Brennan Kamera: Michael Hammon Darsteller: Maighréad Conneely, Katie Nic Dhonnacha, Maurtin Jajmsie, Darragh Kelly u.a. |
Für den europäischen Film ist Irland der utopische Ort des vergangenen Jahrzehnts. In mehr als einem Dutzend Filme wurde die grüne Insel dem kontinentalen Publikum als letztes Refugium des einfachen, sprich unmodernen und daher um so glücklicheren Lebens vorgeführt. Hier sei die Welt noch in Ordnung, suggerierte man, und zeigte fröhlich lachende Arme, rotbackige Naturburschen, die ihre – arbeitsmangelbedingt – überreiche Freizeit mit Vorliebe whiskysaufend, fluchend und singend im Pub verbringen, und »starke« kinderreiche Frauen, die die rothaarige Brut gutkatholisch und doch rebellisch erziehen – wie die Iren halt so sind.
Auf Rothaarige trifft man diesmal nicht. Ansonsten reproduziert auch der Ire Eoin Moore in seinem von der deutschen Firma Boje/Buck finanzierten Conamara all die Stereotypen einer bereits nachlassenden Irland-Mode. Verliebt in die rauhe Landschaft der westirischen Küste lässt der in Berlin lebende Regisseur die Kamera ein ums andere Mal über Hügel und Meeresbuchten kreisen, im Off läuft Musik, die irgendwie lebenslustig und folkloristisch ist, alle Menschen lachen und sind überfreundlich, wenn die schöne Briefträgerin die Post austrägt.
Diese Briefträgerin Maria (Ellen Ten Damme) hat sich im titelgebenden Städtchen eine Existenz aufgebaut, lebt dort mit Mann und Tochter mehr schlecht als recht. Alles würde so gutgelaunt eintönig weitergehen bis dass der Tod sie scheidet, tauchte da nicht eines Tages der Deutsche Axel auf (Andreas Schmidt), der Frau und Kinder verlassen hat, um über zwölf Jahre zu spät doch noch mit Maria anzubandeln. Nebenbei versucht er sich gemeinsam mit Marias Mann, dem Fischer Antaine (Darragh Kelly) eine Existenz mit Tourismustouren auf einem Amphibienfahrzeug aufzubauen. Die sich derweil entwickelnde Affäre zwischen Axel und Maria ist zwar so vorhersehbar wie der tägliche Sonnenaufgang, erzählt wird sie dennoch im Schneckentempo. Da hilft auch die Wackelkamera wenig, mit der Moore seinen Bildern ein wenig pseudo-Dogma-Stil und viel Hektik einzuflößen sucht. Das alles wirkt zwar spontan und nett improvisiert, lückenhaft lebensecht, doch zugleich bekommt man in der Langeweile das Gefühl nicht los, Moore wolle hier »Echtheit« und »Natürlichkeit« mit formalen Mitteln beschwören, weil sie sich anders nicht einstellen. Von den drei Hauptpersonen, ihren Leiden und Motivationen erfährt man nichts; zwei, drei Randgeschichten sind mehr als entbehrlich.
Als das kokette Sträuben Marias endlich ein Ende hat, und die beiden im Bett landen, wird es etwas besser. Denn indem die Affäre schnell offensichtlich wird, zeigt die geschlossene Gesellschaft von Conamara auch ihre negativen Seiten: auf einmal lächelt niemand mehr, wenn Maria des Morgens die Post bringt. Doch nur kurz und mehr behauptet bleibt solch sozialer Druck. Bald darauf ist Marias Tochter José verschwunden, und im Bangen um das Kind löst sich alles dramaturgische Konfliktpotential im Nu wieder in seichtem Einerlei auf – war alles eh nicht so wichtig, lernt der Zuschauer, Hauptsache die Familie steht zum Schluß wieder äußerlich intakt.
Mit seinem vielversprechenden Debütfilm plus-minus null gelang es Eoin Moore vor zwei Jahren, Kritik und Publikum positiv zu überraschen. Die preisgekrönte menage à trois unter den Proletariern und Ausgestoßenen des neuen Berlin bestach mit ungeschönten Bildern und Lebensläufen und gönnte dem Publikum kein happy end. Man freute sich darüber, dass hier einer auch der hässlichen Seite der sozialen Wirklichkeit zum Einzug ins deutsche Kino der schicken Lofts und coolen Banküberfälle verhalf. Schade, dass der so begabte Regisseur hier nicht weitergemacht hat. Statt dessen einer mehr, der sich an ferner Küste ins Idyll flüchtet.