USA/GB/F 2012 · 110 min. · FSK: ab 16 Regie: Baltasar Kormákur Drehbuch: Aaron Guzikowski Kamera: Barry Ackroyd Darsteller: Mark Wahlberg, Kate Beckinsale, Ben Foster, Giovanni Ribisi, Lukas Haas u.a. |
![]() |
|
Die Konterbande |
Man sollte bei dem bleiben, was man kann. Das ist die tiefere Moral von Contraband, einem Schmuggelthriller, der vor allem auf einem Containerschiff spielt, zwischendurch in Panama und insgesamt konsequent etwas zu viel passieren lässt, um nicht sehr sehr dick aufgetragen zu wirken. Vor allem ist das hier ein Portrait der New Economy, in der man Geld braucht, um Geld zu machen, und in der jeder dem anderen Druck macht, bis alle unter Hochdruck stehen. Auch einmal mehr Lateinamerika als heimliche Utopie des weißen puritanischen Amerika.
Der Schwager ist schuld. Warum dieser Volltrottel überhaupt jemals allein gelassen wird ist die größte Unglaubwürdigkeit in dieser an unglaubwürdigen Dingen reichen Story. Er bewegt sich auf Abwegen, lässt sich mit der Mafia ein, und vermasselt ein Drogengeschäft.
Um das wiedergutzumachen, muss Chris Farraday, ein Ex-Schmuggler, der gemeinsam mit seinem Kumpel Sebastian als »Lennon und McCarthy des Schmuggels« galt, seine Kriminalkarriere aber vor Jahren aufgab, und ein neues, anständiges Leben mit Frau und Kindern anfing, und heute als braver »Family-Man« in Spießer-Vierteln Alarmanlagen verkauft, doch noch einmal zurück in seine »berufliche« Vergangenheit. In der Szene, in der man ihn zuvor gesehen hat, wie er einem Rentner erklärt,
wie Alarmanlagen funktionieren, da wissen wir schon, dass auch dieses Wissen im Zweifelsfall später noch eine Rolle spielen wird in diesem Film. Farraday jedenfalls ist ein Checker, das wird früh klargemacht. Abe er ist auch das Kind eine kriminellen Milieus, eines White Trash, wo jeder Dreck am Stecken hat, der Vater im Knast sitzt, und die Schwester nicht sehr überrascht ist, wenn der Bruder kiloweise Koks verschiebt, sondern den Gatten nur fragt, ob das seine Idee war.
Amis und
ihre Väter: Der Dad hinter Gittern, der dem Buberl sagt, wie stolz er auf ihn war, dass er sauber ist, und ihm dann eine illegale Fahrt vermittelt, um ihm dann zu sagen: »Schau zu, wie Du später wieder raus kommst« – der Papa weiß ja, wovon er redet. »Ego te absolvo!« immer wieder, immer wieder.
Ein paar Millionen Dollar Falschgeld sollen von Panama in die USA geschmuggelt werden; dafür begibt sich Farraday auf ein Containerschiff. Doch dort begreift er bald, das zum einen noch mehr auf dem Spiel steht: Die Gangster bedrohen zum einen seine Familie. Zum anderen taugt das Falschgeld nichts, er braucht neue Blüten, und dafür muss er sich vor Ort an einem waghalsigen Überfall beteiligen, und noch etwas anderes stehlen. Damit spätestens beginnt ein mörderischer Kampf gegen die Uhr...
Contraband ist klassisches Genrekino, das, was man in Hollywood einen »Heist-Movie« nennt – einen »Beute«-Film, bei dem ein großer Batzen Gold, Geld, Drogen oder Juwelen von A nach B, also zum Beispiel aus einem Banksafe in die Taschen der Panzerknacker befördert werden muss. In diesem Fall ist es außer zuerst einem Drogenkoffer, dann einer Falschgeldkiste auch noch ein Gemälde von Jackson Pollock, das nicht weniger als 140 Millionen Dollar wert ist. Die Form des Ganzen ist die einer rasanten Actionachterbahnfahrt. Schnell ist klar, dass Farradays Vorgeschichte vor allem dazu dient, um zu zeigen, dass er nicht aus Habgier raubt, sondern aus Not, und ihn so den Zuschauern sympathischer zu machen. Am Ende erweist er sich aber als absoluter Gangsterprofi – ein Könner, dem niemand etwas vormacht.
Eine leichte europäische Note durchzieht den Film: Melancholie, Durchatmen, ein romantischer Respekt für Schauplätze wie das malerische New Orleans, in dem Farraday lebt. Das hat seinen Grund auch darin, dass der Regisseur Baltasar Kormákur aus Island stammt – Contraband ist das Remake des isländischen Thrillers Reykjavik-rotterdam, den Kormákur produziertes. Die Gemeinsamkeiten mit dem Original sind allerdings nur vage.
Mark Wahlberg und Kate Beckinsale spielen ihre Hauptrollen überzeugend. Wahlberg, einst Rapper (»Marky Mark«) und Teenie-Star (Boogie Nights) wirkt deutlich gereift, aber durchaus noch tauglich für die zahlreichen Actionsequenzen, die er hier zu spielen hat. Von cooler Härte erscheint er als ein Ruhepol inmitten des Tornado, der sich um ihn entfesselt. Beckinsale, anderenorts (Underworld 1-4) selbst eine Actionheldin, entdeckt man hier als Charakterdarstellerin wieder: Ihre Figur ist nur ein wenig zu passiv, zu sehr »Weibchen«, um jedem im Publikum zu gefallen. Nie geht diese Frau, die übrigens Kate heißt, mehr hoch, als wenn sie hört, dass der beste Freund des Helden einen im Tee hatte, während er die Kinder – sicher übrigens – zu ihr brachte. Giovanni Ribisi als Ober-Schurke dagegen funktioniert schlechter – ein boshaftes Rumpelstilzchen-Jüngelchen in einer Welt der Männer.
Eine Menge loser Fährten und nicht zu Ende gedachter Einfälle liegen am, Wegesrand von Contraband, von den himmelschreienden Unglaubwürdigkeiten einmal gar nicht zu reden. Ein erstaunlich verschlampter Film, der vieles verschenkt, und trotzdem halbwegs funktioniert. Insgesamt ist Contraband nämlich ein atmosphärisch dichter, effektiver und angenehm boshafter Unterhaltungsfilm. Er zeigt Menschen, deren Pläne konsequent schiefgehen, die immer dort, wo sie ein Problem lösen, drei neue schaffen. Da ausgerechnet ein Isländer das alles inszeniert, kann man gar nicht anders, als darin auch ein treffendes Bild für die Banken- und Finanzkrise zu erkennen – allemal ist Contraband, in dem alle Dreck am Stecken haben und den großen Gangstern nur kleinere gegenüberstehen, aber keine richtig »Guten« – ein Film für unsere Zeit.