D/Türkei 2005 · 91 min. · FSK: ab 0 Regie: Fatih Akin Drehbuch: Fatih Akin Kamera: Hervé Dieu Schnitt: Andrew Bird |
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Ost trifft West in Istanbul |
Jeder, der schon einmal Istanbul besucht hat, weiß, wie stark diese vibrierende Metropole von Musik durchdrungen und geprägt ist. Aus jedem Laden, an jeder Ecke klingen türkische Songs vom Band, mal Folklore, mal Pop, oft auch Klassisch-Europäisches, sodass alles am Ende zu einem durchaus unverwechselbaren »Sound« verschmilzt.
Abends überwiegen härtere Rythmen. In den Clubs, die sich in den zentralen Stadtteilen Beyoglu und Galata, fünf oder sechs Stockwerke übereinander in die Höhe erheben, bevor sie ein eine, zum »Chill Out« ideale Dachterrasse münden, kann man modernsten Punkrock und HipHop hören, Klänge, die dann selbst in Berlin und London erst ein halbes Jahr später die Szene begeistern. Hier findet auch das jährliche »Iksv« statt, ein monatelanger, den Biennalen vergleichbarer Festivalparcours in der heimlichen Hauptstadt der Türkei, zu denen das Internationale Filmfestival genauso gehört, wie gleich mehrere Musikfestivals. So ist es nicht übertrieben, wenn Fatih Akin in seinem neuen Film nun Istanbul als ein New York Südosteuropas präsentiert, dessen Partyszene die Kultur des ganzen Kontinents entscheidend mitprägt.
Mit seinem Berlinale-Sieg und dem Gewinn des europäischen Filmpreises für Gegen die Wand hat der Deutsche seinen Internationalen Durchbruch geschafft. Gerade war er in Cannes Jurymitglied beim Filmfestival, dort hatte – außer Konkurrenz – auch Akins neuer Film Crossing the Bridge – The Sound of Istanbul Premiere. Es war eine kluge Entscheidung, nach dem riesigen Spielfilmerfolg erstmal eine Dokumentation zu drehen, und so dem Erfolgsdruck auszuweichen. Mit Crossing the Bridge wendet sich Akin, wie schon in seiner ersten, fürs Fernsehen entstandenen Dokumentation Wir haben vergessen zurückzukehren (2000), auch seinen Wurzeln in der türkischen Kultur zu.
Crossing the Bridge dokumentiert die Musikszene Istanbuls, indem er dem Musiker Alexander Hacke von der Berliner Pop-Avantgardeband »Einstürzende Neubauten« – er war für die Musik von Gegen die Wand mitverantwortlich – einfach über die Schulter blickt, während er den Sound der Stadt einfängt. Es beginnt mit der »neo-psychedelic«-Gruppe »Baba Zula«, es folgen u.a. kurdische Folkloristen und Istanbuler Rapper. Zwischendurch interviewt Hacke etablierte Musiker wie Straßenmusikanten.
Mosaikartig entsteht auf diese Weise eine sehr sehenswerte, persönliche Liebeserklärung Akins an jene Metropole, in der sich, wie in der Musik, Ost und West, römisches und osmanisches Erbe zu einem pulsierenden multikulturellen Ganzen verbinden. Wie beiläufig entsteht dadurch auch ein Portrait der kulturellen und politischen Situation, das mehr über die Türkei erzählt, als manche altbackene Identitätsdebatte, die im Zusammenhang mit der türkischen Annäherung an die EU geführt wird. Crossing the Bridge – Brücken zu schlagen ist auch eine kulturelle Botschaft. In Istanbul ist es eine alltägliche Lebensform.