Italien 1981 · 86 min. · FSK: ab 18 Regie: Lucio Fulci Drehbuch: Lucio Fulci Kamera: Sergio Salvati Darsteller: Catriona MacColl, Dagmar Lassander, Ania Pieroni, Sylvia Collatina, Paolo Malco u.a. |
||
Der passende November-Film |
Lucio Fulcis Gothikhorror-Zombiefilm Das Haus an der Friedhofsmauer von 1981 gilt als Abschluss der »Gates-of-Hell«-Trilogie des umtriebigen italienischen Filmemachers. Dabei steht der Film bis heute ein wenig im Schatten seiner deutlich populäreren Vorgänger Ein Zombie hing am Glockenseil (1980) und Über dem Jenseits (1981). Dies könnte sich jetzt ändern, denn während die ersten beiden Teile dieser inoffiziellen Trilogie hierzulande weiterhin indiziert sind und sogar beschlagnahmt wurden, wurde die Indizierung von Das Haus an der Friedhofsmauer im September 2014 aufgehoben. So ist es möglich, dass das engagierte Label Drop-Out diesen italienischen Horrorklassiker kurz nach Halloween in die deutschen Kinos bringt, während die anderen beiden Filme bei uns nach wie vor nicht einmal ungekürzt auf DVD zu sehen sind.
Dass Das Haus an der Friedhofsmauer bei vielen Fulci-Fans als etwas weniger gelungen als seine zwei Vorgänger gilt, liegt in erster Linie wahrscheinlich daran, dass sich der für seinen Eigensinn bekannte Italiener bei diesem Film noch weit weniger um für viele andere Filmemacher verbindliche Konventionen schert. Zwar spielt die Handlung in den USA. Doch dies bedeutet keineswegs, dass sich Fulci auf irgendeine Weise den Standardschemata des Hollywoodfilms anbiedern würde. Stattdessen ist Das Haus an der Friedhofsmauer ein Film, wie ihn nur ein Italiener machen konnte: Die äußerst rudimentäre Handlung bildet lediglich ein sehr lockeres Gerüst für die Entfaltung eines ganz eigenen albtraumhaften Kosmos, der ganz auf Atmosphäre und Schauwerte – und nicht auf jedwede logische Stringenz setzt.
In Das Haus an der Friedhofsmauer entsteht der Horror zu einem großen Teil gerade durch die Konfrontation der Ratio mit einem irrationalen Grauen, das sich jeder Ergründung wiedersetzt: Die Geschichte beginnt damit, dass der Historiker Norman Boyle (Paolo Malco) zusammen mit seiner Frau Lucy (Catriona MacColl) und ihrem gemeinsamen neunjährigen Sohn Bob (Giovanni Frezza) von New York in ein altes Haus in Neuengland zieht. Dort will Boyle als Mann der Wissenschaft den vermeintlichen Selbstmord seines Vorgängers ergründen und dessen Nachforschungen zu dem verstorbenen Hausbesitzer Dr. Freudstein weiterführen. Die kleine Mae (Silvia Collatina) versucht den gleichaltigen Bob davon abzubringen, in das alte Haus am Friedhof zu ziehen. Doch außer Bob kann das Mädchen niemand sehen. Schon bald nach der Ankunft der Familie in dem Haus weisen aus dem Keller kommende unheimliche Geräusche darauf hin, dass Maes Warnungen möglicherweise nicht vollkommen unbegründet sind.
Das Haus an der Friedhofsmauer ein recht kruder Mix aus einem klassischen Gothik- und Haunted-House-Horrorfilm und aus den Zombiefilmen des italienischen Maestros Fulci himself. Jener drehte 1979 mit dem hierzulande als Woodoo – Die Schreckensinsel der Zombies betitelten Film eine italienische Fake-Fortsetzung von George A. Romeros Erfolgsfilm Dawn of the Dead von 1978. Doch schon mit dem 1980 folgendem Ein Zombie hing am Glockenseil emanzipierte sich Fulci radikal vom großen amerikanischen Vorbild: Statt auf eine schlüssige Handlung – oder gar wie Romero auf gesellschaftskritische Untertöne – setzt der erste Teil der »Gates-of-Hell«-Trilogie ganz auf stimmungsvolle Bilder und auf einzelne extrem derbe Schocksequenzen.
In Über dem Jenseits von 1981 behält Fulci diesen Kurs bei und transzendiert das gesamte Szenario im spektakulären Finale ins Mystische hinein. Im direkten Vergleich zu diesem Werk wirkt der noch im selben Jahr gedrehte Das Haus an der Friedhofsmauer zunächst ein wenig altmodisch, grob und sogar plump. Doch zugleich verdichtet Fulci im letzten Teil der »Gates-of-Hell«-Trilogie die Zutaten seines Horrorkinos zu dessen reiner Essenz: Viel mehr, als ein narrativer Film, ist Das Haus an der Friedhofsmauer eine lose miteinander verknüpfte Ansammlung an Stimmungsbildern und eine emotionale Achterbahnfahrt hinein in Fulcis Film-Hölle.
Unter einer Grabplatte sprudelt knallig rotes Blut hervor. In einem unheimlichen Halbdunkel werdende verstreute Leichenteile sichtbar. Ein großes Messer durchstößt von hinten einen Schädel und kommt zum Mund des Opfers wieder heraus. Close-ups mit vor Panik weit aufgerissene Augen. Spinnenweben. Eine attackierende Fledermaus. Verfaulte und von wimmernden Maden durchsetzte Eingeweide. Jeder optische Schock ist akustisch unterlegt von der dröhnenden Musik von Walter Rizzati. Überhaupt: die Tonspur! Hyperreal übersteigerte und zugleich ins Surreale verfremdete knackende, knarzende und knirschende Sounds. Das gewaltsame Aufbrechen des Holzriegels einer Tür wird zur akustischen Tortur. Und als mithilfe eines alten Messers ein klemmender Schlüssel bewegt werden soll, schmerzen die völlig übersteigerten metallischen Klänge in den Ohren.
Lucio Fulcis Das Haus an der Friedhofsmauer ist die perfekte Synthese aus Bild, Klang und Atmosphäre zu einem meisterlichen Horrorfilm.