USA 2013 · 107 min. · FSK: ab 16 Regie: Evan Goldberg, Seth Rogen Drehbuch: Seth Rogen, Evan Goldberg Kamera: Brandon Trost Darsteller: James Franco, Jonah Hill, Seth Rogen, Jay Baruchel, Danny McBride u.a. |
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Freundschaft! |
Zu den großen Mythen der amerikanischen Kultur zählt der ewige Streit zwischen der Ostküste und der Westküste, üblicherweise vertreten durch die Metropolen Los Angeles und New York. Einerseits das sonnige L.A., das für endlose Partys, Oberflächlichkeit, Effekte, Kommerz, easy living, schöne Menschen und beschränkte Intellektualität steht, andererseits das lebensfeindliche New York (das Wetter, die Kriminalität, die Kosten, etc.), in dem allein schon wegen den Lebensumständen alles existenziell ist, in dem jeder zweite ein echter Künstler (also kein Möchtegernfilmsternchen, sondern Maler, Poet, Filmemacher oder Musiker) ist und in dem Intellektualität wichtiger ist als ein perfekter Körper.
In diesen Antipoden und ihrem endlosen Gerangel stecken natürlich viele Klischees und natürlich gibt es auch in L.A. hässliche, kluge und in N.Y. schöne, reiche, dumme Menschen aber letztlich findet man darin schon einen wahren Kern und gerade Künstler richten sich nur zu gerne in diesen vorgegebenen Mustern ein, spielen damit und befördern sie.
Der berühmteste kulturelle Ostküsten-Westküsten-Konflikte (neben dem HipHop) ist wohl der im Filmgeschäft, der seinen Anfang circa 1910 nahm, als aus der damaligen Filmhauptstadt N.Y. reihenweise die Produktionsfirmen in eine öde Gegend namens Hollywood zogen. Seither pflegt man eine freundliche, meist ironisch neckische gegenseitige Abneigung, die in N.Y.-Filmen meist als Häme gegenüber der Oberflächlichkeit der Westküste zum Ausdruck kommt (der diesbezügliche Klassiker ist Woody Allens traumatischer Aufenthalt in Kalifornien im Film Annie Hall), während Hollywood eine große Leidenschaft dafür hat, in Katastrophenfilmen ausgerechnet die Häuserschluchten von N.Y. effektvoll untergehen zu lassen.
Aktuell bietet sich die schöne Gelegenheit, diesen Konflikt in seiner Reinform zu erleben, da im Kino die Filme Frances Ha und Das ist das Ende, die mustergültig für die genannten Unterschiede (und eine überraschende Gemeinsamkeit!) stehen, laufen.
Einerseits also Frances Ha, ein prototypischer New York-Film, natürlich in schwarz-weiß, natürlich mit kleinem Budget, natürlich ohne Effekte, natürlich mit weitgehend unbekannten Darstellern, natürlich voller (Lebens)Künstlern und Boheme, natürlich sprühend geistreich, natürlich melancholisch-ironisch eingestimmt. Eine wunderbar erzählte Geschichte der wechselhaften Beziehung zweier Freundinnen, einerseits der sympathisch chaotischen Frances, andererseits der bescheiden nach Erfolg und Normalität strebenden Sophie. All das erzählt vom notorisch intellektuellen Noah Baumbach, voll mit anspruchsvollen Referenzen, vorzugsweise auf die New Yorker Filmhistorie von Woody Allen bis Jim Jarmusch. Eine wunderschöne, geistreich Geschichte, mit einfachen Mitteln großartig erzählt, zurückhaltend aber doch anrührend, mal komisch, mal tragisch und immer voller Momente der puren Wahrhaftigkeit. Wichtige Klammer des Films ist New York, die zahlreichen Umzüge Frances‘ in der Stadt übernehmen die Funktion von Kapitelüberschriften.
Andererseits also Das ist das Ende, ein prototypischer L.A.-Film, natürlich in knalligen Farben, natürlich vollgestopft mit visuellen Effekten jeder Art (abgetrennte Köpfe, Explosionen, schreckliche Monster), natürlich vollkommen Star-fixiert (praktisch nur Hollywoodstars die sich selber spielen), natürlich laut, aufdringlich, derb. Eine aberwitzige Geschichte vom Weltuntergang (im biblischen Sinne), den ein Haufen mehr oder minder befreundete Schauspieler im Haus von James Franco erleben. Ein absurd wildes Treiben an der Grenze zur Geschmacklosigkeit (gerne auch mal die Grenze überschreitend), erstellt von einer Gruppe befreundeter Filmschaffender wie Seth Rogen und Evan Goldberg, die scheinbar eine drogengeschwängerte Herrenabend-Idee zu einem hyper(selbst)referenziellen Hollywood-Comedy-Filmstar-Spektakel verarbeiten. Der Hintergrund dafür ist die Stadt L.A., vor allem Hollywood, das effektvoll zur Hölle fährt. Alles sehr wild und aufgedreht, aber da die Beteiligten der Judd Apatow-Schule entstammen auch äußert lustig und trotz allem stellenweise auch sehr klug und emotionell vielschichtig. Und gerade an diesem Punkt wird es interessant.
Denn so extrem unterschiedlich diese beiden Filme auch sein mögen, haben sie doch eines gemeinsam, sie sind beide wunderbare, ehrliche, ergreifende Werke über die Freundschaft.
In Frances Ha sind es zwei Frauen, die erst unzertrennlich sind, denen dann irgendwie das Leben dazwischen kommt, die sich entfremden, um über Umwege dann doch wieder zu erkennen, was sie einander bedeuten. Als Mann kann ich schlecht beurteilen, wie realistisch diese Schilderung einer Frauen-Freundschaft ist, sie wirkt auf mich jedoch zutiefst glaubhaft, was auch daran liegen mag, dass gewisse Aspekte von Freundschaft einfach universell sind und deshalb von jedermann verstanden werden können (die Frage, inwiefern es überhaupt Unterschiede zwischen reinen Männer- bzw. Frauenfreundschaften gibt, ob solche nur eingebildet sind oder die Folge einer gender-kulturellen Erziehung, will ich hier ausdrücklich nicht weiter vertiefen).
In Das ist das Ende sind es sechs Männer (wobei die Freundschaft von Seth Rogen und Jay Baruchel im Mittelpunkt steht), die in einem komplexen, sich laufend ändernden Bekanntschafts- und Freundschaftsnetzwerk stehen, die ständig ihre Position gegenüber den anderen neu bestimmen, die jeweilige Ab- oder Zuneigung immer neu verhandeln. Auch wenn diese Entwicklungen im Film (handlungsbedingt) extrem zeitlich gerafft sind, ergeben sie doch ein ziemlich exaktes Bild davon, wie Männerfreundschaften funktionieren (das kann ich nun aus eigener Erfahrung bestätigen).
Zwei Filme, zwei Städte (fast schon zwei Welten), zwei künstlerische Konzepte und doch ein großes Thema. Der Vergleich der Filme Frances Ha und Das ist das Ende belegt auf das schönste, dass unter der Firnis (bzw. den Ölfarben) der kulturellen Unterschiede doch immer dieselbe Leinwand des echten Lebens steckt.
Dass wohl nur wenige Menschen beide Filme anschauen werden (um diese Gemeinsamkeit zu erkennen), da sie sehr unterschiedliches Zielpublikum ansprechen, resultiert aus kulturellen Missverständnissen bzw. Abgrenzungen, die leider weit über den oben genannten Ostküsten-Westküsten-Konflikt hinausgehen.