Großbritannien/F/USA 2015 · 113 min. · FSK: ab 16 Regie: Gilles Paquet-Brenner Drehbuch: Gilles Paquet-Brenner Kamera: Barry Ackroyd Darsteller: Charlize Theron, Nicholas Hoult, Chloë Grace Moretz, Christina Hendricks, Corey Stoll u.a. |
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Fehlende Dringlichkeit |
Dark Places – Gefährliche Erinnerung zeigt deutlich, was passieren kann, wenn ein weniger begabter Regisseur als David Fincher die zwischen Kolportage und Reflexion schwankende Prosa der US-Autorin Gillian Flynn in Bilder übersetzt. War Gone Girl – Das perfekte Opfer, die Verfilmung ihres dritten Werks, trotz reißerischer Versatzstücke und tonaler Schwankungen ein fesselnder, stilvoll in Szene gesetzter Ehethriller, erweist sich Gilles Paquet-Brenners Adaption des zweiten Flynn-Romans als hoffnungsloser Fall. Weder die vielversprechende Besetzung noch das spannungsgeladene Ausgangsmaterial können Dark Places vor einem Absturz in Belanglosigkeit und Monotonie bewahren.
Protagonistin und Erzählerin ist Libby Day (Charlize Theron), die als Kind den Mord an ihrer Mutter Patty (Christina Hendricks) und ihren Schwestern miterleben musste. Für die Tat verurteilt wurde ihr älterer Bruder Ben, den die damals Achtjährige mit ihren Aussagen schwer belastete. Durch das sogenannte Kansas-Prärie-Massaker erlangte Libby auf einen Schlag Berühmtheit und führte fortan ein einsiedlerisches Leben, das sich mit Spenden und dem Erlös einer Autobiografie finanzierte. Als die Einnahmequellen Jahrzehnte nach den schrecklichen Ereignissen zu versiegen drohen, greift die verbitterte Frau nach einem letzten Strohhalm. Einige Amateurdetektive, die von Bens Unschuld überzeugt sind, bieten Libby Geld, sofern sie sich noch einmal mit dem Verbrechen auseinandersetzt und ihren Bruder (Corey Stoll) im Gefängnis besucht, den sie seit seiner Verurteilung nicht mehr gesehen hat.
Eine Hauptfigur, die gleich zu Beginn freimütig zugibt, dass sie ihre eigene Tragödie schamlos ausnutzt, um keiner geregelten Arbeit nachgehen zu müssen, lässt auf ein ungewöhnliches Thrillerdrama hoffen. Was allerdings schon im Anfangsdrittel offen zu Tage tritt, macht die positiven Erwartungen schnell zunichte. Eine aus allen Nähten platzende Messie-Wohnung unterstreicht wenig subtil, dass Libby das Trauma des Mehrfachmordes nie verwunden hat. Ihr Unwillen, sich von anderen Menschen berühren zu lassen, bringt das emotionale Ungleichgewicht zum Ausdruck, wird aber zu keinem Zeitpunkt eingehender beleuchtet. Seltsam gelangweilt stapft die Protagonistin durch die Szenerie und kann den Zuschauer auf diese Weise nicht für sich begeistern.
Recht oberflächlich geht Paquet-Brenner an die unterschiedlichen Milieus heran, die Flynns Roman zu bieten hat. Das Treffen der True-Crime-Enthusiasten etwa gleicht einer Freak-Show, selbst wenn Libbys direkter Ansprechpartner Lyle (Nicholas Hoult) halbwegs normal erscheint. Wenig Gespür zeigt der Regisseur auch mit Blick auf die Satanisten-Hysterie der 80er und 90er Jahre, die in den Rückblenden eine Rolle spielt. Durchdringen kann der Film das eigentlich spannende Thema, das erst kürzlich in Regression verhandelt wurde, leider nicht, sondern begnügt sich einzig und allein mit Stichworten und plakativen Szenen. Einen nachhaltigen Eindruck lassen darüber hinaus die Momente vermissen, die das harte Leben der Farmerin Patty Day vermitteln sollen. Die alleinerziehende Mutter steckt in finanziellen Nöten und muss sich zudem mit einem rüpelhaften Ex-Mann (Sean Bridgers) herumschlagen. Gelegentlich berührt das familiäre Drama, die meiste Zeit herrscht allerdings Gleichgültigkeit, da der französische Regisseur und Drehbuchautor einmal mehr Nuancen unter den Tisch fallen lässt.
Gelang Gillian Flynn, die ihren eigenen Roman für Fincher adaptierte, in Gone Girl ein geschicktes Zusammenwirken unterschiedlicher Zeit- und Wahrnehmungsebenen, zeigt sich Paquet-Brenner außerstande, Libbys gegenwärtige Ermittlungen und die tragische Vorgeschichte mitreißend zu verzahnen. Die Sprünge zwischen Jetztzeit und Vergangenheit wirken mehr und mehr ermüdend. Und noch dazu fehlt es Dark Places an Dringlichkeit, weshalb das im Zentrum stehende Mysterium rasch seinen Reiz verliert. Bricht das Finale irgendwann recht plötzlich über den Zuschauer herein, wird man mit einer hanebüchenen Auflösung konfrontiert, die freilich schon in der Literaturvorlage präsent ist. Einer der ersten Gedanken, der nach den reichlich zähen 113 Minuten Gestalt annimmt, ist folgender: Was hätte Fincher bloß aus diesem Stoff gemacht? Eine berechtigte Frage, immerhin kann Paquet-Brenner mit seiner schummrig-undifferenzierten Ästhetik auch visuell nicht überzeugen.