Deutschland 2019 · 92 min. · FSK: ab 16 Regie: Rosa von Praunheim Drehbuch: Rosa von Praunheim Kamera: Lorenz Haarmann Darsteller: Bozidar Kocevski, Heiner Bomhard, Katy Karrenbauer, Christiane Ziehl, Bardo Böhlefeld u.a. |
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Das Unfassbare bleibt unbegreifbar (Foto: missingfilms/Camino) |
Darkroom – Tödliche Tropfen basiert auf dem realen Fall des Serienmörders Dirk P., der in der Berliner Schwulenszene drei Männer umbrachte. Bei zwei weiteren hatte er es versucht. Für das Drehbuch arbeitete der Filmemacher Rosa von Praunheim mit der Gerichtsreporterin Uta Eisenhardt zusammen, die den Prozess 2012 begleitete. Im Film wurden alle Namen geändert. Darkroom ist »frei bearbeitet nach einer wahren Begebenheit«.
Der Täter, der im Film Lars Schmieg (Bozidar Kocevski) heißt, zieht mit seinem Freund Roland (Heiner Bomhard) nach Berlin. Dort tritt er eine Stelle als Grundschul-Referendar an. Die beiden ziehen in die erste gemeinsame Wohnung. Ihre offene Beziehung ist liebevoll. Eine zufällige Sex-Begegnung macht Lars mit der berauschenden Wirkung von K.-o.-Tropfen bekannt. Dazu kommt der Hinweis, dass der dafür verwendete Felgenreiniger im Internet leicht zu beschaffen ist und in Verbindung mit Alkohol tödlich sein kann. Die tödliche Wirkung testet Lars an einem ehemaligen Freund Rolands, mit dem er sich zerstritten hat. Anschließend begibt er sich auf die wahllose Suche nach neuen Opfern.
Rosa von Praunheim erzählt diese Geschichte aus der Täterperspektive. Dabei streitet Lars alle Schuld ab. Er sagt Dinge wie: »Ich habe immer ein normales Leben geführt, zielstrebig und ehrlich.« All dies nimmt ihm die Staatsanwältin (Katy Karrenbauer) im Gerichtssaal jedoch nicht ab. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Lars ein Narzisst mit größenwahnsinnigen Tendenzen ist, der lügt und betrügt und der nur an sich selbst interessiert ist.
Bei der Erzählung der Geschichte geht von Praunheim nicht chronologisch vor. Szenen aus dem Gerichtssaal und aus Lars' Zelle wechseln sich ab mit Rückblenden zu einer vergnügten Party in einem Saarbrücker Schwulenklub und zu den Renovierungsarbeiten in der ersten gemeinsamen Berliner Wohnung. Die Inszenierung ist über weite Strecken von einem fast kargen Realismus geprägt. Dieser wird jedoch immer wieder von stärker stilisierten Szenen und von Traumsequenzen unterbrochen: Eine Discokugel in der Zelle, eine Umarmung im Gerichtssaal, ein plötzlich verzerrtes Bild und ein Mund in Großaufnahme, der das soeben Gesagte auf bedrohliche Weise wiederholt oder sogar ins Irreale hinein übersteigert von sich gibt.
Diese Einschübe sind anfangs nur spärlich. Doch im letzten Filmdrittel nehmen sie beständig zu. Es ist der Zeitpunkt, zu dem sich Darkroom daran macht, mögliche Ursachen für Lars' Taten zu ergründen. Die strenge und verkorkste Großmutter von Lars kommt dabei alles andere als gut weg. Trotzdem verweigert sich Rosa von Praunheim einer klaren Ursachennennung. Das Unfassbare bleibt bis zum Schluss nicht greifbar.
Lars streitet ab, seine Opfer bewusst vergiftet zu haben. Er sagt: »Ich wollte einfach nur eine schöne Zeit haben.« Dazu passt jedoch nicht, dass er seinen Opfern die Tropfen heimlich gegeben hat. Auch die verabreichte mehrfache Überdosis spricht gegen eine Einnahme zum reinen Vergnügen. Lars wird dabei als eine äußerst ambivalente Person gezeichnet. Auf der einen Seite öffnet er nach dem Tod seiner Opfer das Fenster, damit die Seele des Toten ins Freie fliegen kann. Das hat er bei seinem vorherigen Job als Altenpfleger so gelernt. Andererseits bestiehlt er die Toten, obwohl er das gar nicht nötig hat. Anscheinend will er seine Spuren verwischen.
All dies führt dazu, dass Lars als ein Täter gezeichnet wird, für den der Zuschauer keine Sympathie empfindet. Und trotzdem bleiben immer wieder irritierende Momente, in denen Lars als ein äußerst zärtlicher Mensch erscheint: Liebevoll begleitet er als Altenpfleger eine Frau beim Sterben. Liebevoll verspielt ist auch seine Beziehung zu Roland. Doch dann tritt Lars immer wieder als eiskalt berechnender Todesengel auf, der bei seinen Opfern keine Gnade kennt. Wenn diese sich im Todeskampf winden, rückt Lars sie dann jedoch in eine bequeme Position im Liegen. »Es ist gleich vorbei.«
Darkroom – Tödliche Tropfen ist ein Film, der keine klaren Erklärungen liefert und der es dem Zuschauer überlässt, sich ein eigenes Urteil zu dem Gesehenen zu bilden. Doch egal, wie man einzelne Situationen bewerten wird, am Ende bleibt der Täter ein Monster, das zu Recht zu einer lebenslänglichen Strafe verurteilt wird.