Deutschland 2024 · 73 min. Regie: Malte Wirtz Drehbuch: Malte Wirtz Kamera: Thomas Schinz Darsteller: Merle Peters, Tim-Fabian Hoffmann, Sebastian Kolb, László Nagy u.a. |
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Standardsituation des Horrorfilms: Die Duschszene | ||
(Foto: Dropout Cinema) |
Egal ob No-Budget oder Low-Budget. Einem Film, der ganz ohne oder nur mit sehr wenig Geld gedreht wurde, also ohne stylishe Locations, teure Special Effects und geballte Starpower, dem fliegen die Sympathien zu. Auch in Malte Wirtz' Der dritte Gast ist der Anfang vielversprechend. In den ersten Minuten schillert der Film zwischen klassischem Horror und Parodie. Man freut sich auf eine amüsante, schräge Horrorkomödie.
Das junge Pärchen Eva (Merle Peters-Moorhouse) und Artur (Tim-Fabian Hoffmann) checken in einem runtergekommenen Hostel ein, angeblich als einzige Gäste. Der skurrile Portier (László Nagy) erwähnt einen blutigen Unfall, der vor dreißig Jahren passiert ist. Außerdem warnt er davor, ein bestimmtes Zimmer zu betreten, ohne es zu begründen. Eva hat ihren Eltern nicht erzählt, dass sie mit ihrem Freund verreist, sondern dass sie eine Cousine besucht. Auf jeden Fall hat Eva in dem Hostel Sex. Entweder mit ihrem Freund, Artur, oder mit dem mysteriösen »dritten Gast« aus dem Filmtitel. Mehr Figuren treten in diesem Kammerspiel nicht auf. Der Soundtrack wabert zwischen geheimnisvoll, bedrohlich und Alarmstufe Rot. Die Kamera schleicht durch leere Flure und Zimmer, als gäbe es noch mehr zu entdecken als die Graffitis, mit denen alle Wände überwuchert sind. Betten knarzen, Dielenfußböden knarren, Neonröhren flackern, so weit, so typisch.
Tatsächlich sind die wichtigen Zutaten für Horrorfilme und die entsprechenden Horrorfilm-Zitate im Überfluss vorhanden. Doch die allerwichtigste Zutat für jede Geschichte, egal aus welchem Genre, bleibt schockierend blass: die Protagonisten und Antagonisten, also Hauptfiguren und Gegenspieler. Weder erfahren wir Evas und Arturs Vorgeschichte, noch lassen sich ihre Persönlichkeiten aus Dialogen oder ihrem Verhalten erkennen. Statt Artur und Eva könnten die Hauptfiguren auch Ansgar und Emilia sein, John und Mary oder Konstantin und Susanne. Bei dem Portier und dem dritten Gast verhält es sich ähnlich.
Auch das Geheimnis aus der Vergangenheit bleibt eine leere Behauptung, ebenso wie die Gefahr, in der das austauschbare junge Pärchen schwebt. Der anfangs angedeutete Horror entpuppt sich als hohles Versprechen, das nicht eingelöst wird. Wo es weder Figuren gibt noch eine Entwicklung oder Bedrohung, macht sich Langeweile breit. Anders gesagt: Die Geschichte wirkt wie ein schlaffer Luftballon, der, anstatt aufgeblasen zu werden, ständig an Luft verliert.
Die Sympathie für Low-Budget Produktionen führt dazu, dass man hofft, Der dritte Gast sei ein unbeholfenes Debüt. Doch dafür hat der Regisseur, Malte Wirtz, schon zu viel geschrieben, inszeniert und produziert. Überwiegend Mockumentarys oder Mumblecores. Also gefakte Dokumentarfilme oder Filme, in denen die Tonspur so schlecht ist, dass man statt der Dialoge oft nur Murmeln (engl. mumble) hört, bzw. Nuscheln. Gelungene Mockumentarys wie auch Mumblecores gleichen ihre technischen Schwächen oft durch Witz, Fantasie, Authentizität und Originalität mehr als aus. Von solchen Tugenden ist Der dritte Gast weit entfernt. Als letzte Hoffnung, die so viele Mängel erklären könnte, fragt man sich, ob die Schauspieler vielleicht kein Drehbuch hatten. So dass sie die Dialoge und Szenen improvisieren mussten. Selbst dieser eingebildete Strohhalm gleitet einem aus den Fingern, wenn man im Abspann liest, dass es ein Drehbuch gab.