Dead Man

USA 1995 · 120 min. · FSK: ab 16
Regie: Jim Jarmusch
Drehbuch:
Kamera: Robby Mueller
Darsteller: Johnny Depp, Gary Farmer, Robert Mitchum, Lance Henriksen u.a.

Die Geschichte des »toten Mannes« beginnt mit William Blakes Zugfahrt in den Ort Machine, wo er die Stelle eines Buch­hal­ters antreten will. In dem Abteil, das er mit wilden Gesellen des Weste(r)ns teilt, wirkt der junge, feminine Mann im groß­kar­rierten Anzug genauso verloren wie die Land­schaften, die man am Fenster vorüber­ziehen sieht. Ein Blick Blakes durch die Jalousie zeigt dem Zuschauer die bizarre Wüste des Südwes­tens der USA, ein Zitat einer Wester­ni­kone, die im weiteren Film nicht mehr auftau­chen wird. Mit dem Zug verlassen wir die klas­si­schen Wirkungs­stätten von John Ford und John Wayne und begeben uns auf ein neues Terrain: Jim Jarmuschs Western.

Während der Zugfahrt unter­bricht nur der Maschi­nist das bedrü­ckende Schweigen im Abteil. Er warnt Blake vor der Endsta­tion Machine und seinen Bewohnern auf kryp­ti­sche Weise. Die Berech­ti­gung dieser Warnung wird mit den ersten Bildern des Ortes deutlich. Wie eine Figur Kafkas erfährt Blake, daß die ihm garan­tierte Stelle nicht mehr vakant ist, und Fabrik­be­sitzer John Dick­in­sons doppel­läu­fige Flinte verdeut­licht Blake, daß er im Unter­nehmen uner­wünscht ist.

Mittellos am Ende der (fremden) Welt wird der tragische Clown Blake in ein Eifer­suchts­drama verwi­ckelt, in dessen Folge er Dick­in­sons Sohn aus Notwehr erschießt.

Blake flieht, schwer verwundet durch eine Kugel nahe am Herzen, aus der Stadt und trifft auf den Indianer Nobody, der ihn für den Dichter William Blake hält. In der Zwischen­zeit setzt John Dickinson drei berüch­tigte Killer auf Blake an und erklärt ihn so endgültig zum »toten Mann«.

Auf der Flucht bewundert Nobody seinen neuen Freund Blake immer mehr für dessen wider­willig erworbene Schießkünste: viele weiße Männer und Verfolger werden von Blake ins Jenseits befördert, bevor dieser nach india­ni­schem Zere­mo­niell an den Ort der Geister zurück­kehrt.

Jim Jarmusch erzählt von einer Reise eines Mannes, der nicht sterben will. So fremd Blake in dieser Welt ist, so fremd scheint ihm auch das Sterben. In dem Film Blue in the Face, der z.Zt. auch in unseren Kinos läuft, erwähnt Jarmusch den Symbol­cha­rakter des Rauchens für die eigene Vergäng­lich­keit. Blake wird im Laufe von Dead Man immer wieder um Tabak gebeten, er hat aber keinen, und die Fragerei geht ihm sichtlich auf die Nerven. Alle, die diese Frage stellen, sterben noc h vor Blake, er selbst bekommt erst auf seinem Totenkanu den Tabak beigelegt.

Ob einige Lieder von Neil Young Jarmusch zu diesem Film mitin­spi­riert haben sei dahin­ge­stellt, sicher ist, daß Youngs Gitarren, akkus­tisch brachial verzerrt, die Atmo­s­phäre des Films eindring­lich vers­tärken. Die Schwere der Thematik ist bei Jarmusch neu, aber auch wenn das Sterben in diesem Film wehtut, ist es nicht ohne Komik. Wo früher Roberto Benigni am nächt­li­chen Lager­feuer Kaninchen briet und über seine Mutter philo­so­phierte, verspeist nun der schlimmste aller Killer se inen allzu schwatz­haften Waffen­bruder. Jarmusch bleibt also trotz des unge­wohnten Genres seinem wunderbar lako­ni­schem Stil und der Idee der inter­kul­tu­rellen Konfron­ta­tion treu. Wie in allen seinen Filmen treffen auch in Dead Man Leute mit unter­schied­li­chen kultu­rellen Lebens­er­fah­rungen aufein­ander, woraus sich immer wieder eine äußerst mensch­liche Komik entwi­ckelt.