Deutschland 2022 · 116 min. · FSK: ab 12 Regie: Simon Brückner Drehbuch: Simon Brückner Kamera: Simon Brückner Schnitt: Sebastian Winkels, Gesa Marten |
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Kein normaler Dokumentarfilm über eine x-beliebige Partei | ||
(Foto: Majestic) |
»Wenn ich irgendwo in einer Talkshow bin oder irgendwo ein Interview führe, dann muss ich mich die erste halbe Stunde lang für Gauland rechtfertigen, für Kalbitz rechtfertigen, für Höcke rechtfertigen. Für alle möglichen Leute rechtfertigen, warum die irgendetwas gesagt haben, und warum ich noch in dieser Partei bin.«
So sind sie. So wollen sie zumindest gesehen werden: Brave Bürger, die mit Extremisten und ihren Parolen nichts am Hut haben, sich dafür schämen.
Aber so sind sie auch...:
»Die Merkel ist eine installierte Frau von damals, die über Kohl eingeschleust wurde...«
Zwischen 2019 und 2021 erhielt der Dokumentarfilmregisseur Simon Brückner privilegierten Zugang zu Treffen verschiedener Parteiebenen der rechtsextremen AfD (»Alternative für Deutschland«), darunter auch zu nichtöffentlichen Sitzungen.
Das Ergebnis ist sein Film Eine deutsche Partei, der jetzt in die Kinos kommt. Sein Film bietet keinerlei Neuigkeiten oder Überraschungen, sondern nur ein buntes Potpourri aus Innenansichten: Dem Regisseur gelingt es darin, bestimmte Schwächen, mitunter auch Kleinkariertheit, Spießigkeit und Karrierismus in einer Partei aufzuzeigen, die ständig zwischen den rechtsradikalen, völkischen und nationalrevolutionären Positionen einerseits und
sogenannten »bürgerlichen« Werten und selbstdefinierter »Normalität« schwankt. Simon Brückner zeigt die AfD aber genauso als Opfer ihrer eigenen Paranoia, in ihrer abgrundtiefen Dummheit und enthüllenden Versprechern, wie diesem:
»... dass wir hier mit diesem Resettlement-Programm überfremdet werden sollen – mehr als ohnehin: da gibt es ja die... die kommen eben per Flugzeug, die werden unten ausgewählt in Afrika und sollen uns dann hier bereichern...«
Er zeigt sie auch in ihrer Aggression und Radikalität und zitiert aus öffentlichen Reden, bei denen sich der Redner nicht scheut, extremistischen Klartext zu sprechen:
»Das einzig sichere Hygienekonzept für unser Land ist es, diese Politiker wegzufegen.«
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Es mag auf den ersten Blick manche Zuschauer überraschen, dass die AfD sich überhaupt auf eine Langzeitbeobachtung dieser Art einlässt und es einem Regisseur, der nicht ihrem Sympathisantenkreis entstammt, überhaupt gestattet, nicht-öffentliche Sitzungen, Treffen und Gespräche mitzuschneiden und in einen Film einzubauen.
Wer sich aber erst einmal bewusst macht, wie stark diese Partei auf Öffentlichkeit, Medienpräsenz und öffentliche Zuspitzung angewiesen ist, wie sehr sie auf Populismus, Provokation und das Schüren von Ressentiments setzt, dem wird schnell klar, dass so ein Film auch – oder vielleicht sogar gerade – wenn er von politischen Gegnern gemacht wird, dem Kalkül dieser radikalen politischen Öffentlichkeitsarbeiter entspricht, und am Ende des Tages so oder so Wasser auf die Mühlen dieser Aufmerksamkeitsjunkies ist.
Diese Überlegung führt zu der Frage, die für diesen Film, seinen Erfolg und seine Bewertung die alles entscheidende ist: Sie lautet nicht »Hat sich der Regisseur von den Rechtsradikalen instrumentalisieren lassen?«
Sondern die entscheidende Frage ist: Inwiefern kann der Regisseur überhaupt eine solche Instrumentalisierung vermeiden und durch welche Strategien, ohne dass sein Film wiederum zu plumper Gegenpropaganda wird, die in ihrer Primitivität dann ebenfalls
Wasser auf die Mühlen von Extremisten spülen würde?
Ohne Not gibt Eine deutsche Partei der AfD in jedem Fall die Möglichkeit, sich Dritten gegenüber als tolerant, offen, kritikfähig und interessiert an Auseinandersetzung zu präsentieren – eben als eine ganz normale Partei im politischen Streit. Dies ist genau das Bild, das die AfD von sich erzeugen möchte.
Weil die AfD aber eben keine normale Partei ist, kann ein Dokumentarfilm über sie auch kein normaler Dokumentarfilm über eine x-beliebige Partei sein.
Nutzt dieser Film also nicht allein schon durch sein Vorhandensein der AfD?
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Natürlich ist es die Hoffnung der Filmemacher, dass sich die Rechten gewissermaßen im geschützten Raum selbst demaskieren.
Wenn das mal keine fromme Täuschung ist. Kann das Konzept der Selbstentlarvung überhaupt aufgehen? Und welche Position ist hier für einen Filmemacher jenseits politischer Propaganda möglich?
Es ist eine moralische, aber erst recht eine politische und ästhetische Frage, auf welche Kompromisse man sich mit einem – gelinde gesagt – abgelehnten und geschmacklosen Gegenstand einlassen darf.
Darf man einen »safe space« für Extremisten errichten? Welche
Möglichkeiten politischer Aufklärung eröffnet ein solches Verfahren?
Außerdem ist es natürlich noch die Frage, ob dieser Ort von den Gefilmten als solch ein »safe space« wahrgenommen wird?
Inwieweit sind sich denn die, die hier gefilmt werden, wirklich nicht jederzeit bewusst, dass sie gefilmt werden. Halten sie ihre Reden nicht vielleicht für die Öffentlichkeit, die sie durch den Film gewinnen? Sind sie so, wie sie ohne Kameras wären?
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Simon Brückner hat eine Haltung. Ob sie ganz klar ist, dessen bin ich mir nicht so sicher. Aber er zeigt, warum auch immer, vor allem Vertreter des vergleichsweise »gemäßigten« AfD-Flügels.
Wenn die Kamera den Berliner Georg Pazderski dabei begleitet, wie er bei einem Parteitag von extremistischeren Vertretern ausgebootet wird, legt der Film geradezu Mitleid mit dem Mann nahe. Wäre es denn besser, man hätte ihn gewählt?
Worauf also zielt der Film?
An diesem Gegenstand laufen sich die schlichten Vorstellungen eines »guten« und »richtigen« Dokumentarfilms, die viele Förderer- und auch Macherhirne durchziehen und bessere Dokumentarfilme systematisch verhindern, endgültig tot: Es geht eben im Kino nicht um Empathie und Identifikation. Oder sollen wir uns auch mit Demokratiefeinden identifizieren und mit Rechtsextremisten empathisch sein?
Am Ende widerspricht vor allem vieles in diesem Extremismus-Puzzle einander, und der Filmemacher verzichtet sowohl auf Wertungen wie auf Orientierung, sodass das Gesamtbild dieser »deutschen Partei« am Ende vor allem einem diffusen Brei aus Spießbürgern gleicht, der langweilig und unerheblich ist, geschmacklos, aber nicht bedrohlich.
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In seiner Aussage wie der eigenen Position ist auch Brückners Film reichlich diffus. Ein gescheitertes Experiment.
»Ein Film, der ratlos macht«, wie die Kritikerin des »Filmdienst« konstatiert.
Dem widerspricht auch die Tatsache nicht, dass der Film selbst eine Szene zeigt, in der es zu einem bezeichnenden Dialog kommt, als AfD-Boss Timo Chrupalla einem seiner Abgeordneten in die Parade fährt, die erfolgte Drehgenehmigung zurückzieht und die entscheidende Frage selber stellt:
»Aber das würde ich bitte jetzt nicht aufnehmen wollen mehr.« – »Was?« – »Was wir jetzt diskutieren.« – »Wie nicht aufnehmen?« – »Ich will das nicht aufgenommen haben. Ist doch immer dieselbe Diskussion. Wem nützt es? Wozu?«
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Bei einer internen Sitzung im Jahr 2019 fordern einige Mitglieder, die Dreharbeiten zu stoppen: »Sie filmen schon seit zwei Stunden, wollen wir das wirklich in einer Dokumentation zeigen?«, worauf ein anderer antwortet:
»Wenn das morgen im 'Spiegel' erscheinen würde, hätten wir Probleme. Aber es kommt erst 2022 oder 2023 heraus. Bis dahin wird es egal sein, worüber wir hier reden.«
Diese Antwort ist so zynisch wie realistisch, auch in der Diagnose des – ausgesprochenen oder klammheimlichen? – Paktes, den Simon Brückner mit der AfD geschlossen hat. Er geht eben nicht am nächsten Morgen zu Investigativjournalisten, sondern liegt mit dem Teufel im Bett.
Und irgendwie wissen die AfDler selbst am besten, wie »relevant« ein Kinodokumentarfilm über sie ist. Es ist schlichtweg egal, was dieser Film zeigt.