Großbritannien/USA/F 2014 · 97 min. · FSK: ab 12 Regie: Hossein Amini Drehbuch: Hossein Amini Kamera: Marcel Zyskind Darsteller: Kirsten Dunst, Viggo Mortensen, Oscar Isaac, Daisy Bevan. Omiros Poulakis u.a. |
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Sonnendurchflutete Reminiszenzen |
Strahlende Helden tummeln sich nur selten im Erzähluniversum der US-Schriftstellerin Patricia Highsmith. Vielmehr sind es amoralische Figuren. Menschen mit offensichtlichen Charakterschwächen, denen sich die Krimiautorin während ihrer langen Karriere begeistert zuwandte. Protagonisten, die nur den eigenen Vorteil kennen. Reichtum und Luxus anbeten. Und dafür sogar über Leichen gehen. So wie Highsmiths wohl bekanntester Antiheld. Der Hochstapler Tom Ripley, der bereits mehrfach sein Unwesen auf der Leinwand trieb – unter anderem in René Cléments Nur die Sonne war Zeuge und Anthony Minghellas Der talentierte Mr. Ripley. Ähnlichkeiten mit dem faszinierenden wie verachtenswerten Identitätskünstler hat auch das Personal des eher weniger beachteten Romans »Die zwei Gesichter des Januars«, der 1964 veröffentlicht wurde und nun als Vorlage für das Regiedebüt des iranisch-stämmigen Drehbuchautors Hossein Amini (Die Flügel der Taube, Drive) diente. Einen im besten Sinne altmodischen Psychothriller mit deutlichen Hitchcock-Anleihen.
Athen im Jahr 1962: Als das amerikanische Ehepaar Chester (Viggo Mortensen) und Colette MacFarland (Kirsten Dunst) die Akropolis besucht, wird der windige Stadtführer Rydal (Oscar Isaac), ein sprachgewandter US-Bürger, auf die eleganten Touristen aufmerksam. Da Chester ihn an seinen kürzlich verstorbenen Vater erinnert und Colettes Schönheit anziehend wirkt, sucht der junge Mann schon bald ihre Nähe und hat Erfolg. Die MacFarlands laden ihn zu einem Abendessen ein, das ein unvorhergesehenes Nachspiel hat. Als das Ehepaar in sein Hotel zurückkehrt, bekommt es Besuch von einem schmierigen Privatdetektiv, der das Geld eintreiben soll, das Chester in den USA mit Finanzbetrügereien ergaunert hat. Bei einem Handgemenge erleidet der Ermittler tödliche Verletzungen, und die amerikanischen Touristen haben plötzlich ein gewaltiges Problem. Chester will die Leiche des Mannes entsorgen, wird allerdings von Rydal überrascht, der ausgerechnet jetzt Colettes im Taxi vergessenes Armband zurückbringt. Mit Mühe gelingt es dem Betrüger, den ortskundigen Stadtführer zu täuschen und als Fluchthelfer zu gewinnen.
Auch wenn uns hier attraktive Menschen in einem sonnendurchfluteten, stilvoll eingefangenen Mittelmeerambiente begegnen, begibt sich Amini tief hinein in die Motivwelt des Film noir. Misstrauen, Eifersucht, Paranoia und Intrigenspiele bestimmen den Fortgang der Handlung, die sich vor allem um das Ringen der männlichen Protagonisten dreht. Während Chester verzweifelt darum kämpft, seinen erschlichenen Lebensstandard und Colettes Zuneigung aufrechtzuerhalten, scheint Rydal mehr und mehr die Schwäche seines Gegenübers ausnutzen zu wollen. Einerseits schaut er zu dem erfolgreichen Betrüger auf, der seinem Vater so ähnlich sieht. Andererseits verachtet er ihn für das, was er besitzt. Ein ambivalentes Verhältnis, das bereits im vielsagenden Titel (verweist auf die Doppelgesichtigkeit des römischen Gottes Janus) anklingt und zu immer neuen Irritationen führt.
Der erfahrene Kinogänger weiß freilich ganz genau, dass die Konstellation – zwei Männer und eine Frau auf der Flucht – kein gutes Ende nehmen kann. Und doch vollbringt Amini das Kunststück, eine ständig knisternde Atmosphäre zu erzeugen, in der man als Zuschauer überraschend häufig mit den recht unsympathischen Figuren mitfiebert. Wiederholt liefert der Regisseur Informationen, die nicht allen Handlungsträgern zugänglich sind. So wissen wir, im Gegensatz zu Rydal, von Anfang an, dass Chester den Privatdetektiv versehentlich getötet hat, und erleben während der hektischen Flucht mehrere Situationen, die ein baldiges Auffliegen wahrscheinlich machen. In anderen Momenten wiederum hält sich Amini bewusst mit eindeutigen Auskünften zurück. Etwa bei der Frage, ob Rydal und Colette wirklich miteinander schlafen. Intensive Blicke, vertraute Gespräche und zögerliche Annäherungen zeugen von einem gegenseitigen Interesse, den bildlichen Beweis für einen Ehebruch bleibt der Film allerdings schuldig. Ähnlich wie Chester, ist das Publikum zurückgeworfen auf verdächtige Indizien, in diesem Fall ein zerwühltes Laken, das die Wahrheit zu erzählen scheint. Bedächtig, aber konsequent lässt Amini die Spannungen ansteigen, bis es in den Ruinen von Knossos schließlich zu einer Eskalation kommt.
All das bliebe nur halb so wirkungsvoll, wenn der Regieneuling nicht auch seine Darsteller geschickt zu führen wüsste. Kirsten Dunst überzeugt als undurchschaubare Ehefrau, die zwischen Unschuldsmiene und provokativem Flirtgebaren schwankt, kann sich gegenüber ihren männlichen Kollegen allerdings nicht in den Vordergrund spielen. Verwundern muss das nicht, fristen die Frauen in Highsmiths Werken doch oft ein Randdasein. Die Verfilmung zeigt Colette zumindest etwas wissender, als dies in der Romanvorlage der Fall ist. Die große Bühne indessen gehört Viggo Mortensen und Oscar Isaac, die sich vorsichtig belauern, gegenseitig austricksen und irgendwann zum direkten Angriff übergehen. Ein Duell, das vor der antiken Kulisse fast schon mythologische Dimensionen erreicht. Immerhin wirken die Kontrahenten wie Figuren aus einer griechischen Tragödie, die gegen das unerbittliche Schicksal und die eigenen Dämonen ankämpfen, sich dabei aber in einem Labyrinth verlaufen, aus dem es für einen der beiden keinen Ausweg mehr gibt. Daran lässt der Showdown in den verwinkelten Gassen Istanbuls auch optisch keinen Zweifel.