Großbritannien 2019 · 123 min. · FSK: ab 0 Regie: Michael Engler Drehbuch: Julian Fellowes Kamera: Ben Smithard Darsteller: Hugh Bonneville, Elizabeth McGovern, Michelle Dockery, Jim Carter, Maggie Smith u.a. |
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Alles andere als eskapistisch... |
Nachdem sich die preisgekrönte britische Serie »Downton Abbey« mit der sechsten Staffel 2015 verabschiedet hatte, schien eigentlich alles in Ordnung. Man hatte über 52 Folgen ein faszinierendes, klassenübergreifendes Geschichtsmosaik des Englands Anfang des 20. Jahrhunderts äußerst erfolgreich komplettiert. Über die kleine Mikro-Ebene einer Adelsfamilie und ihrer Bediensteten war fünf Jahre lang faszinierend lebendig die große Makroebene der welthistorischen Ereignisse wie die Einführung des Frauenwahlrechts, der Erste Weltkrieg, die spanische Grippe oder der irische Unabhängigkeitskrieg erklärt und erzählt worden. Und dabei wäre es sicherlich auch geblieben, hätte ein anderes historisches Ereignis nicht ein Jahr nach Serienende dazwischengefunkt – die Abstimmung über den Brexit im Jahr 2016. In dessen Vorfeld und bis heute immer wieder auch von dem England gesprochen wurde, das »Downton Abbey« verkörpert, nämlich das eines unabhängigen Großreichs, das einem europäischen Gedanken im Kriegsfall zwar zugetan ist, aber auch dezidiert auf seine Unabhängigkeit und Andersartigkeit besteht.
Nur vor diesem Hintergrund läßt sich – neben den üblichen pekuniären Erwägungen – wohl erklären, dass es nun doch eine Fortsetzung gibt, allerdings »nur« im Kino, also für das »kurze« Format. Regisseur Michael Engler, der bereits in der letzten Staffel in einigen Folgen, u.a. in »The Finale«, sich dieser historischen »Superserie« würdig gezeigt hatte, versucht dann auch das Unmögliche – nämlich allen alten Helden den Raum zu geben, der ihnen nach dem langen Serienleben gebührt. Das wirkt allerdings immer wieder bemüht und aufgesetzt, und man spürt, wie das Drehbuch von Serien-Erfinder Julian Fellowes das Korsett des zweistündigen Kinofilms immer wieder zu sprengen droht. Denn in die zentrale Plot-Idee – das Königshaus kündigt seinen Besuch auf »Downton Abbey« ab und bringt damit natürlich sehr viel durcheinander – wird so ziemlich alles eingewoben, was 1927 alles »hätte« passieren können: schwules Outing, das Ende des Adels, die Hierarchien zwischen alten und neuen Bediensteten und den königlichen überhaupt. Und natürlich Liebe und noch einmal Liebe, die alte genauso wie die neue, die zusammen mit den anderen Erzählsträngen durch eine großartige Abschlussballszene gewürdigt wird, die nicht nur jedem Johann Strauss und Downton-Abbey-Liebhaber das Herz höher schlagen lassen dürfte, sondern auch filmisch zu dem Besten gehört, was die Serie bislang produziert hat.
Doch selbst für Nichtserienkenner entfaltet sich spätestens nach einer halben Stunde der Charme dieses etwas holprigen, kaleidoskopartigen Abgesangs auf eine verlorene Zeit, obgleich schon schnell deutlich wird, dass es eben kein Abgesang ist, dass wir hier keinem »eskapistischen Scheiß« zusehen, dass es nicht nur der abstruse Gegenpol zu der Realität ist, die eine andere Serie, Peaky Blinders, über das England im gleichen Zeitraum so gnadenlos präzise erzählt. Nein, ganz im Gegenteil wird in Downton Abbey nicht nur durch eine fast schon religiös anmutende, detailverliebte Fixierung von Alltagsgegenständen – seien es Lebensmittelverpackungen, Küchenutensilien oder Kleidung –, sondern auch durch die politische Darstellung von König und Adel deutlich, wie konservativ das Herz hier schlägt. Wird selbst die irische Unabhängigkeit zur Stilfrage degradiert, über der letztendlich immer die Familie und damit England steht.
Doch fast schon zynisch in seinem politischen Impetus ist die Klärung der Frage, wie es mit »Downton Abbey« – was ja für nichts anderes als das »alte« vor-europäische England steht – weitergehen soll. Denn eigentlich ist sich Cora Crawley, Countess of Grantham (Elizabeth McGovern) ja um Unklaren, ob sie »Downton Abbey«, so wie es ist, weiterführen soll, wird es ja immer schwerer, den »Laden« bei all den »modernen« Kompromissen erfolgreich weiterzuführen, und warum nicht ganz »normal«, in einem »kleineren« Haus, leben? Die Frage darf, wie beim Brexit, das Volk beantworten, in diesem Fall die Dienerschaft. Und die, wie ist es anders zu erwarten, votiert mit Schrecken im Gesicht über die Alternative für die Fortsetzung bestehender Verhältnisse. In Ewigkeit, Amen.