Die Dohnal

Die Dohnal – Frauenministerin / Feministin / Visionärin

Österreich 2019 · 112 min. · FSK: ab 0
Regie: Sabine Derflinger
Drehbuch:
Kamera: Christine A. Maier
Schnitt: Niki Mossböck
Filmszene »Die Dohnal«
Sprechstunde der Staatssekretärin Johanna Dohnal
(Foto: eksystent)

»Wir bleiben weiter lästig«

Der Dokumentarfilm Die Dohnal über die österreichische Frauenpolitikerin unternimmt einen aufschlussreichen Blick auf die Trägheit des Patriachats

»Die« Dohnal ist Inbegriff der öster­rei­chi­schen Frau­en­po­litik seit den frühen Sieb­zi­ger­jahren. Sie war Diva assoluta des poli­ti­schen Parketts, eine poli­ti­sche Callas. Als erste Frau­en­mi­nis­terin Öster­reichs war sie diejenige, die es den poli­ti­schen Männer­runden unbequem machte. Sie brachte unsicht­bare Reali­täten wie die schlech­tere Vergütung in typischen Frau­en­be­rufen (heute als Gender Pay Gap bekannt) oder die Verge­wal­ti­gung in der Ehe ans Tages­licht. Johanna Dohnal gründete 1978 das erste Wiener Frau­en­haus und erwirkte später mit einem Gesetz, dass der Täter die gemein­same Wohnung verlassen musste, nicht das Opfer.

Die Männer­runde begann sich zunehmend unwohl zu fühlen.

Die öster­rei­chi­sche Doku­men­tar­fil­merin (und, nebenbei erwähnt, erste weibliche Tatort-Regis­seurin) Sabine Derf­linger, die der Dohnal jetzt mit ihrem filmi­schen Portrait ein kraft­volles Denkmal setzt, wuchs gewis­ser­maßen mit der Dohnal auf. Immer wieder war sie zu Gast in den einschlä­gigen Talkshows, sie war eine bekannte Größe in der »Zeit im Bild«, da sie viele Gesetze auf den Weg brachte und auch durch ihre Persön­lich­keit auf sich aufmerksam machte. Die Dohnal ließ sich nicht – anders als heutige Fami­li­en­mi­nis­te­rinnen – in den Hinter­grund drängen. Einer ihrer bekann­testen Sprüche lautet so auch: »Leise zu treten, hat sich immer noch als Fehler erwiesen.«

Im Film rücken neben zahl­rei­chen Archiv­auf­nahmen, die ganz nebenbei auch eine kleine Fern­seh­ge­schichte der Umgangs­formen erzählen, auch viele Wegbe­gleiter*innen ins Bild. Darunter die Lebens­ge­fährtin Annemarie Aufreiter, die befreun­dete »Emma«-Heraus­ge­berin Alice Schwarzer, der ehemalige Finanz­mi­nister Ferdinand Lacina, sogar Altbun­des­kanzler und SPÖ-Obmann Franz Vranitzky und damit der Chef der Partei, der die Dohnal angehörte. Auch die jüngere Genera­tion kommt zu Wort, die beiden Töchter der Dohnal, und Frauen, die heute ihr Vermächtnis weiter­führen und mit Nachdruck Frau­en­themen an die Öffent­lich­keit bringen. Unter ihnen: Film­kritik-Kollegin Julia Pühringer, Schau­spie­lerin und Autorin Pia Hier­zegger, und, sehr markant, die Rapperin Yasmin Hafedh aka Yasmo. Einzig die Schicht der Arbei­te­rinnen, aus der die Dohnal stammte, kommt nicht zu Wort. Was die Frau­en­be­we­gung als einseitig intel­lek­tu­elles Unter­nehmen zeigt, wonach die Working Class nur Empfän­gerin der poli­ti­schen Umsetzung, nicht aber deren Urheberin sein kann.

Die Dohnal, das ist Johanna Dohnal, kurz vor dem zweiten Weltkrieg in ärmliche Verhält­nisse hinein­ge­boren, Tochter einer »ledigen« Mutter, wie man damals sagte. Derf­linger hat ein paar Kind­heits­fotos gefunden, die sie geschickt in den Bogen der poli­ti­schen Erzählung einbaut. 1971 wurde die Frau­en­po­li­ti­kerin Öster­reichs Vorsit­zende der SPÖ-Frauen, kam 1979 unter Bruno Kreisky als Staats­se­kre­tärin in die Bundes­re­gie­rung und entkam nur dadurch den schlecht bezahlten, prole­ta­ri­schen Gele­gen­heits­jobs. Franz Vranitzky gab ihr 1990 den Posten als erste Frau­en­mi­nis­terin Öster­reichs. Dann kam Mitte der Neun­zi­ger­jahre die konser­va­tive Wende der Regierung, und Dohnal wurde zusammen mit anderen Ministern (wie dem im Film zu Wort kommenden Finanz­mi­nister Ferdinand Lacina) rasch abge­wi­ckelt. Das war das Ende ihrer poli­ti­schen Einfluss­nahme, für die Frau­en­frage engagiert blieb sie dennoch bis zu ihrem Tod 2010.

Derf­lin­gers Film, 2020 mit dem Großen Diagonale-Preis für den besten Doku­men­tar­film ausge­zeichnet, sollte im Zusam­men­hang mit anderen Poli­ti­ke­rin­nen­por­traits betrachtet werden, da er keines­wegs eine allein öster­rei­chi­sche Perspek­tive zeigt, vielmehr den poli­ti­schen Zeitgeist einer ganzen Epoche. Erwähnt sei hier Torsten Körners Doku­men­tar­film Die Unbeug­samen, der Ende August in die Kinos kommt und der ebenfalls die (partei-)poli­ti­sche Ebene der Frau­en­be­we­gung in den Blick nimmt. Während Die Unbeug­samen jedoch eine ganze Gruppe von Frauen der Bonner Republik präsen­tiert, wie Christa Nickels, Rita Süssmuth oder Herta Däubler-Gmelin, hebt Derf­linger hervor, dass Johanna Dohnal eine singuläre Pionierin war, die sich mit Vehemenz gegen das Patri­ar­chat durch­zu­setzen wusste. Als Einzel­kämp­ferin wirkt sie ikonisch.

Immer wieder erfasst einen großes Erstaunen ange­sichts der schier unglaub­li­chen State­ments im »Club 2«, der schon damals kultigen TV-Gesprächs­runde mit der gehobenen und scho­nungslos offenen Diskus­si­ons­kultur in den braunen Club­ses­seln. Oder, nach der Einfüh­rung der Frau­en­quote: Unver­hohlen geben die Politiker zu, sie ohnehin nicht umsetzen zu wollen.

Die Filme­ma­cherin Sabine Derf­linger nennt das Portrait dieser eminenten öster­rei­chi­schen Frau­en­po­li­ti­kerin im Unter­titel »Frau­en­mi­nis­terin/ Femi­nistin/ Visi­onärin«. Das dritte Schlag­wort ist wohl entschei­dend. Der Film nimmt aus der Retro­spek­tive auch die Zukunft der Frauen in den Blick – ganz nebenbei wird die konti­nu­ier­liche Stetig­keit deutlich, mit der die Frauen seit Jahr­zehnten für ihre Rechte eintreten müssen. Lassen sie nach, übernimmt wieder das Patri­ar­chat, so könnte das ernüch­ternde Fazit lauten. »Wir bleiben weiter lästig«: das ist die Drohung der Dohnal – und ein Verspre­chen zugleich.