Doppelmord

Double Jeopardy

USA 1999 · 105 min. · FSK: ab 12
Regie: Bruce Beresford
Drehbuch: ,
Kamera: Peter James
Darsteller: Ashley Judd, Tommy Lee Jones, Benjamin Weir, Jay Brazeau u.a.

Mama sieht rosa

Mutter­liebe macht mutig. Und stark. Und schlau. Wenn eine Frau um ihr Kind kämpft, entwi­ckelt sie unglaub­liche Kräfte. Kein Mann sollte sich ihr in den Weg stellen – er wird auf jeden Fall verlieren. So ist das auch bei Libby Parsons in Bruce Beres­fords Doppel­mord: Sie saß sechs Jahre lang wegen Mordes im Gefängnis. Unschuldig. Denn ihr Mann, den sie getötet haben soll, hatte das Verbre­chen selbst insze­niert. Anschließend setzte er sich mit dem vier­jäh­rigen Sohn und Libbys bester Freundin in ein neues Leben ab. Doch Libby kam dahinter. Jetzt ist sie frei und hat nur einen Gedanken: ihren Sohn finden.

Bei einer männ­li­chen Haupt­figur hieße dieser Gedanke sehr wahr­schein­lich Rache. Die ist hier jedoch unwichtig, obwohl der englische Filmtitel (Double Jeopardy) genau dieses Thema verspricht: Der Ausdruck bedeutet, dass laut ameri­ka­ni­scher Verfas­sung niemand für dieselbe Tat ein zweites Mal bestraft werden darf. Libby könnte ihren Mann also jetzt wirklich töten, ohne dafür angeklagt zu werden. Nie spricht sie im Gefängnis, wo sie von diesem Para­grafen erfährt, über ihren Mann. Statt­dessen schaut sie immer wieder auf das Foto ihres Jungen oder grübelt: Stimmt es, dass Kinder, die als Babys von ihrer Mutter getrennt wurden, diese Jahre später noch an der Stimme erkennen? Libby passt genau ins klas­si­sche Frauen- und Mutter­bild, nach dem die Sorge um die Kinder alles andere verdrängt. So treten ihre eigene Ernied­ri­gung und Qual völlig in den Hinter­grund – deshalb kommen auch keine Rache­gelüste auf.

So gerät Libbys Suche nicht zum blutigen Feldzug, sondern gleicht eher einem Schach­spiel: Sehr geschickt recher­chiert sie sich mit Hilfe von Computern, Sozi­al­ver­si­che­rungs­num­mern und Lügen­ge­schichten immer näher an ihr Ziel heran. Wenn es auf diese Tour nicht weiter geht, sieht die Frau auch mal rosa. Dann bricht sie ein, zerstört Autos und klaut eine Pistole. Man traut ihr leicht noch mehr zu, denn Ashley Judd spielt die Libby mit unbe­re­chenbar kühler Ober­fläche und einer sehr zähen physi­schen Ausstrah­lung – eine Upper­class-Ausgabe der gestählten Linda Hamilton aus Termi­nator 2.

Der Trip führt durch das halbe Land, das Beresford in wunder­vollen Farben und impo­santen Einstel­lungen insze­niert. Mit der Zeit wird Doppel­mord immer bunter, um schließ­lich zum optisch und akustisch über­bor­denden Finale in New Orleans einzu­treffen. Hier endet auch die zweite Jagd: An Libbys Fersen hing stets ihr Bewäh­rungs­helfer Travis Lehmann, gespielt von Tommy Lee Jones. Der hat in Auf der Flucht (1993) schon einmal eine ähnliche Verfol­gung aufge­nommen. Damals war er verbissen und uner­bitt­lich hinter einem ebenfalls unschuldig verur­teilten Arzt (Harrison Ford) her. Hier zeigt er trotz einer großen Portion Zynismus und Abge­brüht­heit auch mal die milde Seite seines gran­diosen Falten­ge­sichts – schließ­lich jagt er eine Mutter.