USA 1999 · 105 min. · FSK: ab 12 Regie: Bruce Beresford Drehbuch: David Weisberg, Douglas Cook Kamera: Peter James Darsteller: Ashley Judd, Tommy Lee Jones, Benjamin Weir, Jay Brazeau u.a. |
Mutterliebe macht mutig. Und stark. Und schlau. Wenn eine Frau um ihr Kind kämpft, entwickelt sie unglaubliche Kräfte. Kein Mann sollte sich ihr in den Weg stellen – er wird auf jeden Fall verlieren. So ist das auch bei Libby Parsons in Bruce Beresfords Doppelmord: Sie saß sechs Jahre lang wegen Mordes im Gefängnis. Unschuldig. Denn ihr Mann, den sie getötet haben soll, hatte das Verbrechen selbst inszeniert. Anschließend setzte er sich mit dem vierjährigen Sohn und Libbys bester Freundin in ein neues Leben ab. Doch Libby kam dahinter. Jetzt ist sie frei und hat nur einen Gedanken: ihren Sohn finden.
Bei einer männlichen Hauptfigur hieße dieser Gedanke sehr wahrscheinlich Rache. Die ist hier jedoch unwichtig, obwohl der englische Filmtitel (Double Jeopardy) genau dieses Thema verspricht: Der Ausdruck bedeutet, dass laut amerikanischer Verfassung niemand für dieselbe Tat ein zweites Mal bestraft werden darf. Libby könnte ihren Mann also jetzt wirklich töten, ohne dafür angeklagt zu werden. Nie spricht sie im Gefängnis, wo sie von diesem Paragrafen erfährt, über ihren Mann. Stattdessen schaut sie immer wieder auf das Foto ihres Jungen oder grübelt: Stimmt es, dass Kinder, die als Babys von ihrer Mutter getrennt wurden, diese Jahre später noch an der Stimme erkennen? Libby passt genau ins klassische Frauen- und Mutterbild, nach dem die Sorge um die Kinder alles andere verdrängt. So treten ihre eigene Erniedrigung und Qual völlig in den Hintergrund – deshalb kommen auch keine Rachegelüste auf.
So gerät Libbys Suche nicht zum blutigen Feldzug, sondern gleicht eher einem Schachspiel: Sehr geschickt recherchiert sie sich mit Hilfe von Computern, Sozialversicherungsnummern und Lügengeschichten immer näher an ihr Ziel heran. Wenn es auf diese Tour nicht weiter geht, sieht die Frau auch mal rosa. Dann bricht sie ein, zerstört Autos und klaut eine Pistole. Man traut ihr leicht noch mehr zu, denn Ashley Judd spielt die Libby mit unberechenbar kühler Oberfläche und einer sehr zähen physischen Ausstrahlung – eine Upperclass-Ausgabe der gestählten Linda Hamilton aus Terminator 2.
Der Trip führt durch das halbe Land, das Beresford in wundervollen Farben und imposanten Einstellungen inszeniert. Mit der Zeit wird Doppelmord immer bunter, um schließlich zum optisch und akustisch überbordenden Finale in New Orleans einzutreffen. Hier endet auch die zweite Jagd: An Libbys Fersen hing stets ihr Bewährungshelfer Travis Lehmann, gespielt von Tommy Lee Jones. Der hat in Auf der Flucht (1993) schon einmal eine ähnliche Verfolgung aufgenommen. Damals war er verbissen und unerbittlich hinter einem ebenfalls unschuldig verurteilten Arzt (Harrison Ford) her. Hier zeigt er trotz einer großen Portion Zynismus und Abgebrühtheit auch mal die milde Seite seines grandiosen Faltengesichts – schließlich jagt er eine Mutter.