USA 2016 · 89 min. · FSK: ab 16 Regie: Fede Alvarez Drehbuch: Fede Alvarez, Rodo Sayagues Kamera: Pedro Luque Darsteller: Jane Levy, Stephen Lang, Dylan Minnette, Daniel Zovatto, Sergej Onopko u.a. |
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Horror! Der Eindringling im eigenen Haus |
Das grimmige B-Movie-Kino erfreut sich bester Gesundheit! Zwei Wochen nach dem schnörkellos-effektiven Hai-Thriller The Shallows – Gefahr aus der Tiefe steht mit Don’t Breathe der nächste packende Reißer an. Der Titel ist dabei durchaus wörtlich zu nehmen, da der minimalistische Home-Invasion-Schocker dem Zuschauer ein ums andere Mal den Atem raubt. Die Zutaten sind – ähnlich wie im Fall von The Shallows – bestens vertraut, werden aber geschickt variiert und handwerklich überzeugend ins Bild gesetzt, weshalb sich selbst alte Genre-Hasen bestens unterhalten fühlen dürften. Inhaltlich scheint der Spannungsklassiker Warte, bis es dunkel ist Pate gestanden zu haben, in dem Audrey Hepburn als blinde Frau in ihrer Wohnung von Verbrechern drangsaliert wird. Don’t Breathe kehrt die Vorzeichen allerdings um und lässt drei Einbrecher gegen einen brutal-kompromisslosen Ex-Soldaten (furchteinflößend in seiner physischen Präsenz: Stephen Lang) antreten, der sein Augenlicht im Ersten Golfkrieg verloren hat.
Große Mühe geben sich Regisseur Fede Alvarez und Schreibpartner Rodo Sayagues bei der Zeichnung ihrer Figuren nicht. Umso erstaunlicher ist es, dass uns der kleine, fiese Terrorfilm dennoch durchweg mit den kriminellen Protagonisten mitfiebern lässt, die in das Anwesen des Kriegsveteranen eindringen, um ihrem trostlosen Dasein entfliehen zu können. Rocky (Jane Levy) will ihre kleine Schwester aus ihrem erdrückenden White-Trash-Umfeld befreien und ist daher hellauf begeistert, als ihr Freund Money (David Zovatto) von einem Hehler den Tipp bekommt, dass der blinde Ex-Militär nach dem Unfalltod seiner Tochter auf einem Haufen Schmerzensgeld sitzt. Frühere Einbruchsregeln – kein Bares, nur Gegenstände – werden kurzerhand über den Haufen geworfen, die Bedenken ihres Kumpels Alex (Dylan Minnette) zerstreut, und schon begeben sich die drei Diebe auf einen Beutezug, der mehr als eine böse Überraschung bereithält.
Alvarez, der bereits im Tanz der Teufel-Remake Evil Dead bewiesen hat, dass er Spannung und Schrecken auf engstem Raum erzeugen kann, darf spätestens nach Don’t Breathe als echte Genre-Hoffnung gelten. Bestechend ist etwa die Führung der Kamera (verantwortlich: Pedro Luque), die nach dem Eindringen in das Haus des früheren Soldaten in fließenden Bewegungen das verwinkelte Gebäude erforscht und dem Publikum ein Gefühl für die dortigen Gegebenheiten vermittelt. An die Stelle plumper Schreckmomente, mit denen so viele Thriller und Horrorfilme operieren, tritt in diesem Fall eine konstant nervenaufreibende Atmosphäre, in der pointiert gesetzte, denkbar einfache Schockeffekte eine enorme Wirkung entfalten. Bestes Beispiel ist ein Handyklingeln, das hier, im Rahmen eines gnadenlosen Katz-und-Maus-Spiels, den Puls schlagartig in die Höhe treibt.
Sein Können demonstriert der aus Uruguay stammende Alvarez außerdem, wenn er den beunruhigenden Score von Roque Baños gelegentlich so weit zurückfährt, bis absolute Stille herrscht. Szenen, bei denen nicht nur den verzweifelten Einbrechern, sondern auch dem Betrachter der Atem stockt. Immerhin könnte jedes noch so kleine Geräusch dem blinden Mann zu viel verraten, der dank seiner Beeinträchtigung über ein ausgeprägtes Gehör verfügt. Mit seiner anders determinierten Sinneswahrnehmung spielt auch eine intensive Sequenz im Keller des Anwesens. Um den Räubern jegliche Orientierung zu nehmen, schaltet der unnachgiebige Widersacher einfach den Strom und damit das Licht aus. Während die Protagonisten im Dunkeln umhertappen, kann der Zuschauer ihre panischen Fluchtversuche im Nachtsichtmodus beobachten.
Verschmerzen lässt sich angesichts der rundum überzeugenden Umsetzung, dass Alvarez und Sayagues gegen Ende allzu sehr in klischierten Psychopathen-Gefilden wildern und einige erzählerische Wiederholungen produzieren. Zur Qualität des Films gehört es auch, dass die Verortung der Handlung im mittlerweile brachliegenden Detroit die unheilvolle Stimmung treffend untermalt. Klaffende Risse im Asphalt, heruntergekommene Viertel und menschenleere Straßen zeichnen gleich zu Anfang ein beklemmendes Bild des Niedergangs, das die kriminelle Energie der jugendlichen Eindringlinge zwar nicht rechtfertigt, aber doch erklärbar macht.