Don't Look Up

USA 2021 · 142 min. · FSK: ab 12
Regie: Adam McKay
Drehbuch:
Kamera: Linus Sandgren
Darsteller: Timothée Chalamet, Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Melanie Lynskey, Jonah Hill u.a.
Filmszene »Don't Look Up«
Supermarkt statt Superrettung
(Foto: Netflix)

So what?!

Trotz politisch hochmotiviertem und wichtigem Inhalt ist Adam McKays schwarze Komödie über die Dummheit der Menschheit dröges Oscar-Kürlaufen für Stars

Adam McKay ist einer der wenigen Regis­seure, der die gegen­wär­tigen wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen Verwer­fungen intel­li­gent sezieren und unkon­ven­tio­nell aufbe­reiten kann. Sei es seine über­ra­gende, mit brecht­schen Verfrem­dungs­ef­fekten operie­rende Groteske The Big Short (2015) über die Immo­bi­lien- und Wirt­schafts­krise 2007 oder das Biopic Vice (2018), in dem er filmisch und erzäh­le­risch ebenso innovativ den Verfall des demo­kra­ti­schen Systems in den USA durch die Biografie des Vize-Präsi­denten Dick Cheney erzählt. Beide Filme sind auch heute noch über­ra­gende Meilen­steine poli­ti­scher Filmkunst, die ein starkes Narrativ und wirt­schafts­po­li­ti­sche Theorie kongenial mitein­ander verschmelzen und fast spie­le­risch und mit so subtilem wie schwarzem Humor die dunklen, so schwer dechif­frier­baren Abgründe unserer Gegenwart erhellen.

Dementspre­chend hoch sind die Erwar­tungen an McKays neuen Film Don’t Look Up gewesen, der vor seinem Erscheinen auf Netflix schnell noch einen Kinostart Mitte Dezember hingelegt hat und damit die Vorgaben erfüllt, um bei der Vergabe der Oscars zuge­lassen zu werden. Dies ist im Fall von Don’t Look Up insofern relevant, als sich hier eine ganze Reihe von Groß­schau­spie­lern die Hand abklatscht, ein wenig so wie in Wes Andersons The French Dispatch.

Doch anders als Wes Anderson in seinem anek­do­ti­schen Panop­tikum inter­es­sieren McKay auch in seinem neuen Film Wirt­schaft und Politik, und die Inter­ak­tion von beiden Bereichen mit dem »gemeinen« Volk. Inspi­riert durch die von Wirt­schaft und Politik seit Jahr­zehnten konse­quent ausge­he­belten Hand­lungs­kon­se­quenzen zur Klima­krise, nimmt McKay einen Science-Fiction-Super-GAU zur Hand, um daran exem­pla­risch all das satirisch zu überhöhen, abzu­er­zählen und zu kriti­sieren, was momentan falschläuft.

Und das ist so ziemlich alles.

Denn als die beiden Astro­nomen Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) und Dr. Randall Mindy (Leonardo DiCaprio) einen Kometen entdecken, der in einem halben Jahr durch seine Kollision die Erde zerstören wird, inter­es­siert das im Grunde niemanden. Weder die Präsi­dentin der USA (Meryl Streep) noch ihren Stabschef und Sohn (Jonah Hill) noch die Mode­ra­torin (Cate Blanchet) einer der wich­tigsten Inter­view­sen­dungen des Landes, die mehr an einer Affäre mit Mindy als an seinen Aussagen inter­es­siert ist. Aber auch die Print-Presse versagt, und um das Volk sieht es auch nicht besser aus: da prallen Verschwö­rungs­theo­rien, die behaupten, dass es den Kometen gar nicht gibt, auf von Politik und Werbung beein­flusste Gruppen, die sich über die wirt­schaft­liche Ausbeu­tung des an Rohstoffen reichen Kometen ein Ende der wirt­schaft­li­chen Misere erhoffen. Und dann sind da natürlich noch die Apoka­lyp­tiker und tatsäch­lich jene, die den Aussagen der Wissen­schaft noch Glauben schenken.

McKay gelingt es vor allem, die Archi­tektur der poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Demagogie zu entschlüs­seln, die in ihrem steten Wettlauf um das eigene Überleben selbst einen globalen Selbst­mord in Kauf nimmt statt zu handeln. Wie Domi­no­steine lässt McKays Film dafür immer neue Perso­nal­ro­chaden auf den unter­schied­lichsten gesell­schaft­li­chen Ebenen durch­spielen, was es ihm dann sogar erlaubt, Timothée Chalamet, Ariana Grande oder Himesh Patel in sarkas­ti­schen Rollen ihren Teil am Untergang beitragen zu lassen. Das ist im Fall von Chalamet oder auch bei dem durch Angst­stö­rungen gezeich­neten, von DiCaprio verkör­perten Dr. Mindy immer wieder auch lustig und grotesk, aber meistens dann doch so platt und aufge­setzt, dass es immer wieder – wie etwa bei den Passagen mit Meryl Streep und im Weißen Haus – so überzogen wie altbacken daher­kommt, dass man sich fragt, was McKay uns hier eigent­lich noch erklären will, haben wir das durch die Jahre mit Berlus­coni, Trump und Johnson doch alles schon zur Genüge gesehen – und erklärt bekommen.

Das gilt nicht nur für die Psycho­logie der Figuren, sondern auch für die Handlung. Anders als in The Big Short und Vice, für die McKay sich fundiert in Wirt­schafts- und Poli­tik­ge­schichte einar­bei­tete und dieses Wissen in eine analy­ti­sche Erzählung trans­for­mierte, wird in Don’t Look Up nichts analy­siert, sondern unsere Gegenwart einfach nur ein wenig satirisch über­spitzt abgefilmt. Mehr noch leidet McKays Film jedoch darunter, dass die initiale Klima­krisen-Analogie durch Covid-19 und die gesell­schaft­li­chen Impli­ka­tionen völlig in den Schatten gestellt wird, ist doch all das, was an Quer­denken und absurdem poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Drumherum in unserer absoluten Covid-19-Gegenwart bereits passiert, deutlich grotesker, trauriger und erschüt­ternder als das, was uns Don’t Look Up vorhält.

Deshalb über­rascht, scho­ckiert, berührt und animiert eigent­lich fast überhaupt nichts an diesem mit 142 Minuten über­langen, nicht einmal die End-Credits verscho­nenden Film, der dröge und absolut vorher­sehbar dahin­fließt, der nur während der ersten Stunde auch ein wenig Spaß macht und dessen einziger Höhepunkt im Grunde der Ringel­reigen der Super­stars ist, die sich hier wie auf einer schlechten Faschings­party ein Stell­dichein geben und auf die man immerhin Wetten abschließen kann, für wen es denn am Ende für einen Oscar gereicht haben wird.