Don't Worry Darling

USA 2022 · 123 min. · FSK: ab 12
Regie: Olivia Wilde
Drehbuch: , ,
Kamera: Matthew Libatique
Darsteller: Florence Pugh, Chris Pine, Olivia Wilde, Harry Styles, Nick Kroll u.a.
Filmszene »Don't Worry Darling«
Liebe in Zeiten der Vergangenheit
(Foto: Warner Bros.)

Alice oder ein Puppenheim

Olivia Wildes feministischer Thriller wird den Skandalen um Hauptdarsteller und Teile des Plots zwar nicht gerecht, liefert aber mit einem Feuerwerk an Verweisen mehr als solide Kost

She wore blue velvet
Bluer than velvet were her eyes
Warmer than May her tender sighs
Love was ours

– Bobby Vinton, Blue Velvet

Was es nicht alles im Vorfeld dieses Films zu lesen gab: erst wird Haupt­dar­steller Shia LaBeouf kurz nach Beginn der Dreh­ar­beiten wegen Vorwürfen sexua­li­sierter Gewalt gefeuert, dann beginnt sein Ersatz­mann, der Musiker Harry Styles, mit Regis­seurin Olivia Wilde eine Affäre, was zum Ende von Wildes Ehe mit Jason Sudeikis führt. Haupt­dar­stel­lerin Florence Pugh wiederum ist so genervt von Wildes Regie (und Verhalten gegenüber LaBeouf), dass sie den Film nicht mehr bewerben mag. Und dann mischt sich kurz vor dem Start des Films auch noch der wegen seiner Kritik an gegen­wär­tiger Geschlech­ter­po­litik und Political Correct­ness umstrit­tene Psycho­loge und Sach­buch­autor Jordan Peterson ein, der sich in der von Chris Pine darge­stellten Rolle wieder­fand und verun­glimpft sah und dem Film vorwirft, nicht mehr als von »selbst­ge­rechten Lang­wei­lern und Tyrannen« produ­zierte Propa­ganda zu sein. Von der Spuck­at­tacke von Styles auf Pine während der Premiere des Films auf den Film­fest­spielen von Venedig gar nicht zu reden.

Auch wenn Wildes Film tatsäch­lich all diesen medialen Quark verur­sacht hat, der wie ein grie­chi­scher Chor die Kern­the­matik Sexismus des Films nicht passender hätte flan­kieren können, verdient hat er ihn dennoch nicht. Denn Wilde, die neben ihrer erfolg­rei­chen Schau­spiel­kar­riere 2019 mit ihrem Regie­debüt, der Coming of Age-Komödie Booksmart, derartig über­raschte, dass gleich mehrere Studios um ihren zweiten Film buhlten, hat mit Don’t Worry Darling einen smarten, anspie­lungs­rei­chen Thriller geschrieben, der eigent­lich da weiter­macht, wo sie mit Booksmart aufgehört hat, in dem zwei junge High­school-Mädchen porträ­tiert werden, die kurz vor ihrem Sprung an die Elite-Univer­si­täten ihres Landes stehen.

In Don’t Worry Darling gibt es diese Option nicht mehr, wird sie so konse­quent wie lustvoll (ohne zu viel vom über­ra­schenden Plot-Twist zu verraten) ausge­merzt. Denn wir befinden uns in einer idealen Welt der 1950er Jahre, einer Art von Modell­sied­lung, in der die klas­si­schen, hier­ar­chi­schen Geschlech­ter­ver­hält­nisse mit Lust und Laune repro­du­ziert werden. Die Männer fahren jeden Morgen zeit­gleich in die Arbeit, die aus einem ominösen Zukunfts­pro­jekt besteht, das Frank (Chris Pine) leitet und mit dem alle sichtlich zufrieden sind, auch Jack (Harry Styles) und Alice (Florence Pugh), die ihrer Sinn­er­fül­lung als Hausfrau mit größt­mö­g­li­cher Leiden­schaft nachkommt.

Wilde insze­niert diese Momente mit lust­voller Präzision und erzeugt auch über die Einstiegs­szene, eine Kame­ra­fahrt durch ein Juwel der kali­for­ni­schen archi­tek­to­ni­schen Moderne, das Kaufmann Desert House, eine fast schon hyper­reale Gegenwart, die sich wie eine Symbiose aus Jim Carrey in der Truman Show und Dennis Hopper in Blue Velvet ansieht. Denn dass hier etwas nicht stimmt, wird wie in der Truman Show allein schon dadurch deutlich, dass wie die darge­stellte archi­tek­to­ni­sche Moderne der zwischen­mensch­liche Alltag fast zu perfekt kompo­niert ist.

Doch schon im nächsten Moment ist die Truman Show obsolet, sind es zwar immer noch die 1950er Jahre, aber die von David Lynch und Blue Velvet, die hier von einem Namens­vetter von Hoppers »Frank« fast ebenso diabo­lisch und lustvoll gebrochen werden. Pine ist natürlich weit von Dennis Hopper und dessen wilder, gebro­chener Lust entfernt, dennoch liefert er ausrei­chend Grun­die­rung, um die Wendung von Wildes Film einzu­leiten und zu recht­fer­tigen, der zwar immer wieder an das androide Schicksal der Frauen in Bryan Forbes' Frauen von Stepford (1975) erinnert, dann aber doch viel mehr zu einem Epigonen der Matrix-Filme der Wachow­skis wird, aber auch dabei nicht aufhört, auf Klassiker der Selbst­er­mäch­ti­gung zu refe­ren­zieren, sei es Miloš Formans Einer flog über das Kuckucks­nest (1975) oder Stanley Kubricks Shining (1980), und wie immer bei dieser Thematik auf Ibsen und seine Nora und ihr Puppen­heim.

Doch auch ohne diese Refe­renz­spie­le­reien macht Wildes Don’t Worry Darling Spaß, denn anders als es Jordan Peterson dem Film vorwirft, arbeitet Wilde weder aufdring­lich pädago­gisch noch sonder­lich über­ra­schend, denn am Ende will Wilde neben der Ausstel­lung von femi­nis­ti­scher Selbst­er­mäch­ti­gung vor allem eins: einen klas­si­schen Thriller, der mit klas­si­schen Motiven und klas­si­schen Einstel­lungen dem Genre und einem nur allzu plau­si­blen femi­nis­ti­schen Furor gerecht wird.