USA/AUS 2019 · 103 min. · FSK: ab 6 Regie: James Bobin Drehbuch: Matthew Robinson, Nicholas Stoller Kamera: Javier Aguirresarobe Darsteller: Isabela Moner, Eugenio Derbez, Eva Longoria, Michael Peña, Madeleine Madden u.a. |
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Spritziger, wilder Familienfilm |
Für Fans der dezidiert für den amerikanischen Latino-Markt geschaffenen Zeichentrickserie Dora the Explorer dürfte das Real-Film-Spin-Off DORA und die goldene Stadt ein ziemlicher Schock sein. Nicht nur sind die vertüttelten »Kaugummifiguren« dahin, sondern mehr noch ist Dora nicht mehr das kleine Mädchen im Grundschulalter, das mit Hilfe ihres Affen Boots gegen den Klau-Fuchs Swiper angehen muss und dabei à la Sesamstraße eine Menge dazulernt.
Nein, in der Realverfilmung von James Bobin ist (fast) alles anders. Zwar gibt es ein Intro, in dem Dora noch einmal das Mädchen von damals ist und gibt es als historischen »Anker« den ganzen Film über weiterhin die animierten Versionen von Boots und Swiper, aber dann ist auch schon Schluss, ist Dora plötzlich ein pubertierendes Mädchen, das plötzlich nicht mehr mit ihren Eltern auf die nächste Feldforschung in den Urwald mitdarf, sondern zu ihrem alten besten Freund aus Kindheitstagen und Cousin in eine amerikanische Großstadt ziehen muss. Als Forscherkind, im Urwald sozialisiert, kann das natürlich nicht gut gehen und es ist natürlich gut so, dass es nicht gut geht. Denn so kann Dora ihrer Altersgruppe endlich einmal zeigen, dass es durchaus seine Vorteile hat, Außenseiter zu sein.
Mag dieser Einstieg auch ein wenig vorhersehbar sein, so ist er doch ein idealer erzählerischer Grundbaustein, um auf das schräge, wilde Chaos vorzubereiten, in das Dora und ihre Freunde dann gestoßen werden. Der Film greift dabei auf klassische Abenteuerfilm-Referenzen zurück und spielt dabei auch farblich immer wieder mit dem großen filmischen Vorbild von Dora, mit Steven Spielbergs Indiana Jones, der wie ein stets grinsender Schatten mit seiner Peitsche hinter ihr zu stehen scheint.
Doch was zu Anfang fast ein wenig aufgesetzt und zuviel wirkt, verselbstständigt sich im Laufe der toll verdrehten und immer wieder überraschenden Handlung zusehends. Dora, in einer großartigen Verkörperung von Isabela Moner, emanzipiert sich von Harrison Fords »Indiana« und wird eine völlig überzeugende, selbstständige und vor allem selbstermächtigte »Jane«. Mit einem Humor, der immer wieder in perfekt getakteten Slapstick übergeht, um dann, in wichtigen Momenten auch wieder auf Eis gelegt zu werden.
Dadurch wird nicht nur essenziellen Spannungsmomenten Raum gegeben, sondern auch Isabela Moner und ihren jugendlichen Mitstreitern, die diese Auszeiten auch unbedingt brauchen, um im Laufe der Handlung zu Erwachsenen werden, also ihr Coming-of-Age zu erleben. Ernst und Groteske liegen dabei stets nah beieinander, in einer Balance, die ausgesprochen gut funktioniert. Der animierte Fuchs Swiper und Affe Boots puzzlen noch ein paar Brechtsche Verfremdungseffekte hinzu und machen Dora und die goldene Stadt damit zu einer herrlichen, anarchistischen Überraschung, in der nicht nur wild mit Genderstereoptypen umherkegelt, sondern mit dem Abenteuerfilm-Genre überhaupt. Das macht James Bobins Interpretation eines eigentlich nur auf Schulkinder, die allein vorm Fernseher sitzen, ausgerichtetes Format zu einem spritzigen, altersübergreifenden Familienfilm.