USA/D 2009 · 125 min. · FSK: ab 6 Regie: Tony Gilroy Drehbuch: Tony Gilroy Kamera: Robert Elswit Darsteller: Clive Owen, Julia Roberts, Tom Wilkinson, Paul Giamatti, Dan Daily u.a. |
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Betrüger bei der Arbeit |
Eine der langlebigsten und bekanntesten deutschen Fernsehsendungen dürfte wohl »Aktenzeichen XY ... ungelöst« sein. Wer erinnert sich nicht an die (immer leicht gruseligen) nachgestellten Gewaltverbrechen, an Fahndungen nach unscheinbaren Gebrauchsgegenständen wie Äxte oder Plastiktüten oder die Schaltungen zu den Büros in Österreich und der Schweiz (beliebtes Partywissen: wie heißen die dortigen Korrespondenten?).
Nicht ganz so berühmt wie »Aktenzeichen« war
dessen »kleiner Bruder«, »Vorsicht Falle!«, in der ebenfalls Eduard Zimmermann (an nicht ganz so prominenter Sendestelle) vor Betrügern – oder wie es ihm Untertitel so schön altmodisch hieß: vor Neppern, Schleppern, Bauernfängern – und deren Methoden warnte.
Obwohl beide Sendungen mit derselben Ernsthaftigkeit von Verbrechen berichteten, empfand man als Zuschauer doch einen stimmungsmäßigen Unterschied. Während man für die Täter aus »Aktenzeichen« nur Verachtung und Abscheu über hatte und alles Mitgefühl eindeutig bei den Opfern lag, konnte man bei »Vorsicht Falle!« schon mal Faszination oder Respekt für besonders geistreiche (bzw. »gerissene«) Betrüger empfinden und manch leichtgläubigem Opfer ein »Selber schuld!« unterstellen.
Diese (mehr als zweifelhafte) Unterscheidung zwischen verschiedenen Verbrechensarten pflegt seit jeher auch das Kino, weshalb die Mörder (zu Recht) in der Regel die Bösen sind, während die Betrüger (aber auch Räuber) üblicherweise zu den Sympathieträgern zählen.
Allen Verbrechensarten gemeinsam ist, dass ihre Darstellung im Kino mit dem kriminellen Alltag nur wenig zu tun hat, da der Film (beinahe unvermeidbar) zu Übertreibungen und Verkomplizierungen
neigt.
Während also in der Realität die meisten Morde einen profanen Hintergrund haben und dilettantisch bis gar nicht geplant sind, sterben im Kino die Menschen erst nach langwieriger Planung und aufgrund hochkomplexer Motivationen. Genauso ist (Bank)Raub im echten Leben meist ein knappes, mäßig kompliziertes Vorhaben, während im Kino daraus ein virtuoses Ballett gemacht wird, für das man sogar eigene Begriffe wie Caper oder Rififi kennt.
Schließlich hat auch Betrug im Kino nur wenig mit den Gaunereien zu tun, von denen man als Normalverbraucher betroffen sein kann. Man konnte schon bei »Vorsicht Falle!« sehen, dass Betrug in der Realität nur eine einzige »gute« Idee und die notwendige Entschlossenheit bzw. kriminelle Energie benötigt.
Betrug im Kino dagegen ist eine Wissenschaft, ein Lebensgefühl, ein dauerndes Spiel, in dem Betrugsgebäude von absurder Höhe aufgetürmt werden und in dem sich die Betrüger
(als Folge ihrer Profession) laufend gegenseitig betrügen und so wieder selber zu Betrogenen werden.
Prototypisch hierfür sind etwa Klassiker wie Der Clou oder Die unsichtbare Falle bzw. Heist von David Mamet, der eine große Leidenschaft für den cineastischen Betrug hegt.
Der neueste Beitrag zu diesem Genre ist nun Duplicity von Tony Gilroy, der nicht nur
die klassischen Zutaten eines Betrugs-Films liefert, sondern daneben noch Elemente des (in diesem Fall: Industrie)Spionage-Films und der Screwball-Comedy verarbeitet.
Zur Handlung lässt sich dabei nur wenig erzählen, ohne eine der zahlreichen überraschenden Wendungen zu verraten und dem Film dadurch eines Teils seines Reizes zu berauben.
Allgemein gesprochen geht es in Duplicity um zwei große Chemie-Konzerne bzw. deren egomanische Chefs, die eine verbitterte Feindschaft pflegen. Als adäquates Mittel in diesem Firmenkrieg gilt Industriespionage, die von beiden Seiten mit Abteilungen hochspezialisierter Agenten
betrieben wird. Zu diesen Agenten gehören auch die von Julia Roberts und Clive Owen gespielten Figuren, deren Ziele und Motive lange Zeit genau so unklar bleiben wie ihre (emotionelle) Beziehung.
Duplicity ist ein technisch makelloser Film, witzig, geistreich, mit einem Ensemble toller Schauspieler, ästhetisch ansprechend und musikalisch passend umrandet. Auf hohem Niveau kann man sich hier unterhalten lassen und nebenbei noch den ein oder anderen Einblick in die (naturgemäß) weitgehend unbekannte Welt der Industriespionage gewinnen.
Dass trotz all dieser unbestreitbaren, geradezu offensichtlichen Qualitäten Duplicity »nur« ein guter, unterhaltsamer und kein ausgezeichneter, wirklich bewegender Film ist, hat zwei Gründe.
Der erste wird dadurch deutlich, dass man sich während des Films immer wieder an Ocean´s 11 (bzw. 12) von Steven Soderbergh erinnert fühlt.
Problematisch ist in einem solchen Fall nie die alleinige Erinnerung an einen anderen Film (das ist oft unvermeidbar, manchmal sogar gewollt), sondern
der Kontrast, der sich dadurch ergibt. Erst im Vergleich zu Ocean´s 11 wird einem bewusst, was bei Duplicity nicht so richtig funktioniert.
Es sind wohlgemerkt Kleinigkeiten, die hier nicht stimmen, die immer ein kleines bisschen neben der Spur sind, die in der Summe aber den positiven Gesamteindruck des Films trüben.
Oft ist der Film einen Touch zu glatt, zu perfekt, zu clever, zu sehr um Originalität bemüht. Die Schauspieler sind mal einen Tick zu überdreht (vor allem die Rolle von Paul Giamatti), ein andermal bleiben sie etwas zu teilnahmslos und professionell, was sich vor allem im Zusammenspiel von Roberts
und Owen negativ auswirkt (dass zwischen beiden der filmische Funke überspringen kann, haben sie in Hautnah bewiesen).
Vor allem dann, wenn Gilroy versucht cool, lässig, spritzig oder stylisch zu sein, ist das Ergebnis zwar nett anzuschauen, man versteht verstandesmäßig auch welchen Effekt der Regisseur dabei im Sinn hatte, nur lässt es einen erstaunlich kalt.
Bedeutend besser gelingen ihm da die Suspense-Szenen, die wohl sein eigentliches Metier sind (siehe etwa seine Regiearbeit Michael Clayton oder seine
Drehbücher zur Bourne-Reihe).
Doch mit einem weiteren Makel hat Duplicity zu kämpfen und dieser tritt erst verhältnismäßig spät in Erscheinung.
Über gute 90 Prozent der Laufzeit schafft es der Film erfreulich gut, den Zuschauer zu »betrügen«, ihn also im Unklaren darüber zu lassen, wer hier wen betrügt und wer welche Ziele verfolgt. Der finale Gimmick, der dieses ganze Konstrukt aus Lug und Trug schließlich krönen soll, wird dem Film dann leider zum Verhängnis.
Ärgerlich ist daran schon, dass dieser Über-Betrug in aller (peinlichen) Ausführlichkeit erklärt wird, man den Film sogar noch einmal im Schnelldurchlauf präsentiert bekommt, damit wirklich jedem bewusst wird, was für eine (aber)witzige Volte der Film hier schlägt.
Um so mehr verwundert diese Holzhammer-Erklärung, da man als Zuschauer bis dahin das Vergnügen hatte, sich alleine in dem kniffeligen Hin und Her des Films zu Recht finden zu dürfen bzw. zu müssen.
Schlimmer ist, dass einem durch die explizite Aufzeigung dieses Betrugs klar wird, wie absurd und unrealistisch das gesamte Ränkespiel ist.
Duplicity tappt letztlich in die selbe Fall, wie so viele andere Betrugsfilme (und echte Betrüger) auch. Je größer und komplexer das Lügengebäude ist, das man aufbaut, um so verwegener und unrealistischer werden die Erklärungen, um die bisherigen Täuschungen zu vertuschen.
Irgendwann gelangt man dabei an einen
Punkt, an dem selbst der Naivste Zweifel an der aufgetischten Geschichte bekommt. Im Kino beginnt sich der Zuschauer dann zu langweilen, im echten Leben bekommt der Betrüger bald Besuch von der Polizei.
Damit Betrug (sowohl im Leben als auch im Kino) funktioniert, sollte man ihn so einfach und klar wie möglich halten. Dass daraus nicht zwangsläufig eine simple, unspektakuläre Geschichte folgen muss, beweist sehr schön der Film The Prestige, der nicht nur vom Duell zwei großer Magier, sondern auch mustergültig vom Wettkampf zweier großer Betrüger erzählt.
Dass »die Welt betrogen werden will« ist eine populäre Volksweisheit, deren Richtigkeit sich gerade auch im Kino zeigt, wo es uns ein regelrechtes Vergnügen bereiten kann, betrogen zu werden. Ob uns ein solcher cineastischer Betrug Spaß macht, ob wir ihn uns gefallen lassen oder ob wir ihn als schlichte Abzocke empfinden, hängt maßgeblich davon ab, wie man versucht uns zu täuschen.
Die Methoden von Duplicity sind immerhin akzeptabel, zur wahren
Meisterschaft fehlt jedoch noch ein gutes Stück.