USA/AUS 2014 · 113 min. · FSK: ab 12 Regie: Doug Liman Drehbuch: Christopher McQuarrie, Jez Butterworth Kamera: Dion Beebe Darsteller: Tom Cruise, Emily Blunt, Brendan Gleeson, Bill Paxton, Noah Taylor u.a. |
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Digitaler Barock. Yes! |
Doug Limans Sci-Fi-Actioner Edge of Tomorrow ist eine 175 Millionen Dollar teure Ausgeburt des digitalen Barocks in 3D und mit Tom Cruise in der Hauptrolle. Allerdings spielt Cruise hier zur Abwechslung einmal nicht den geborenen Helden, sondern einen leicht schmieriger Werbefachmann und Drückeberger, der gegen seinen Willen in den Kampf gegen Aliens geführt wird. Es kommt zu einem gnadenlosen Gemetzel, das die von Cruise gespielte Figur Major Bill Cage nur wenige Minuten überlebt. Zu allem Überfluss muss Cage auch noch feststellen, dass er in einer Zeitschleife gefangen ist, die immer wieder mit seinem eigenen Tod endet. Aber zunächst einmal alles von Anfang an.
Auf der Erde herrscht Krieg! Bereits der größte Teil Zentraleuropas wurde von krakenartigen Aliens überrannt. Wenn man sie nicht noch irgendwie stoppen kann, werden sie bald den gesamten Globus einnehmen. Deshalb startet von Großbritannien aus ein gigantischer Kampfverband der alliierten Erdenbewohner in Richtung auf die Normandie. Unter den Soldaten befindet sich auch ein gewisser Major Bill Cage (Tom Cruise). Der einstige Werbefachmann hat es zu einiger Popularität gebracht, da er in TV-Talkshows neue Rekruten anwirbt. In Wirklichkeit ist er jedoch selbst ein Angsthase, der diesen Job nur macht, um einem echten Kampfeinsatz zu entgehen. Als es jetzt doch ernst wird, versucht Cage sogar dem befehlshabenden General (Brendan Gleeson) unter Androhung von Erpressung seine Einberufung auszureden. Doch der General kennt kein Pardon und degradiert Cage kurzerhand zum einfachen Soldaten. Als ein solcher bleibt Cage noch genau ein Tag im Ausbildungslager, bevor auch er als Teil einer gewaltigen Truppe Richtung Normandie losfliegt.
Alle Soldaten sind mit hochgerüsteten Extroskeletten ausgestattet. Doch im Kampf gegen die blitzflinken Tentakelmonster aus dem All, haben sie nicht den Hauch einer Chance. Auch Cage überlebt nur wenige Minuten auf dem völlig unübersichtlichen Schlachtfeld. Zu seiner Verwunderung wacht er jedoch kurz darauf erneut im Ausbildungslager auf und muss feststellen, dass erneut der Vortag des Kampfeinsatzes ist. Diesen letzten Tag und das folgende Schlachtgetümmel erlebt Cage nun – inklusive seines eigenen Todes – in Endlosschleife. Immerhin lernt er im Ausbildungslager die berüchtigte Kämpferin Rita Vrataski (Emily Blunt) kennen, die seine Vertraute und Verbündete wird. Wie in einem Computerspiel kämpft Cage sich Stück für Stück im Geschehen voran, bevor er erneut sein Leben verliert und das ganze Spiel wieder von vorne losgeht...
Edge of Tomorrow basiert auf Hiroshi Sakurazakas Roman »All You Need Is Kill« von Hiroshi Sakurazaka. Bis zu seiner endgültigen Fertigstellung ging das Drehbuch durch zahlreiche verschiedenen Hände – die berüchtigte Filmentwicklungshölle von Hollywood –, bevor die jetzt verfilmte Fassung entstanden ist. Das beißt sich mit europäischen Vorstellungen von Autorenschaft und führt nicht selten zu recht halbgaren und verworrenen Ergebnissen. Aber nicht in diesem Fall! Der Plot des Films ist trotz zeitlicher Schleifen denkbar geradlinig und schnörkellos. Dafür wurden die Details mit sichtlichr Liebe ausgearbeitet und mit einer kräftigen Portion an Ironie unterfüttert. Das Ergebnis ist ein Film, der sich einerseits nicht seiner rein generischen Herkunft schämt – hier eine anständige Portion Und täglich grüßt das Murmeltier (1993), dort ein kräftiger Schuss Starship Troopers (1997) – der jedoch zugleich erstaunlich frisch und eigen wirkt.
So hat man Tom Cruise seit seiner grandiosen Darstellung als völlig manischer Frauen mordender Sex-Guru in Magnolia (1999) nicht mehr in einer derart schmierigen Rolle gesehen, wie hier. Während dieser Auftritt in Paul Thomas Andersons ein bewusster Bruch mit Cruises angestammten Saubermann-Image innerhalb eines Arthouse-Films darstellte, überrascht seine Besetzung als Held wider Willen innerhalb seines Heimat-Genres – dem Actionfilm. Es sind immer wieder solche ironischen Verschiebungen, die dafür sorgen, dass Edge of Tomorrow trotz zielgruppenfreundlicher PG-13-Freigabe ein Blockbuster mit Ecken und Kanten ist.
So gehört es zu den ehernen Regeln des US-Action-Kriegsfilms, dass die amerikanischen Truppen als besonders kernige Helden dazustehen haben. Doch hier haben die alliierten Truppen noch nicht einmal feindlichen Boden betreten, als sie bereits in der Luft wie die Fliegen sterben. Diejenigen, die es wie Major Bill Cage doch noch schaffen, sehen sich augenblicklich mit einem sie völlig überfordernden Schlachtengetümmel konfrontiert. Mit ihren schweren Exoskeletten wirken diese Soldaten zudem eher wie behäbige Käfer, während die Aliens sich mit ihren unzähligen Krakenarmen in unberechenbaren Bewegungen blitzschnell scheinbar in alle Richtungen zugleich bewegen können. Der jugendfreien Darstellung geschuldet, fallen die zahlreichen erbarmungslosen Kämpfe mit den Außerirdischen auffallend blutarm aus. Dafür sind diese lovecraftesken Kreaturen von einer derart tenkakelmonsterartigen und zugleich fast ätherisch leuchtenden Gestalt, dass es umso mehr Vergnügen bereitet dank 3D ganz unmittelbar in das phantastische Geschehen involviert zu sein.
Wunderschön anzusehen und zugleich von einer wunderbaren trockenen Komik ist auch die Szene, in der ein Wissenschaftler anhand eines bläulich leuchtenden Modell-Hologramms erläutert, wie diese Tentakelwesen untereinander zu einem einzigen Organismus verbunden sind, der von der geheimnisvollen Zentraleinheit »Omega« gesteuert wird. Es gilt folglich Omega zu finden und irgendwie auszuschalten, da die einzelnen Kraken-Kämpfer ohne ihren Omega-Führer schlicht nicht handlungsfähig sind. Wann gab es in einem sich oberflächlich sehr ernsthaft gebenden Hollywood-Blockbuster je ein absurderes Bild für die deutschen Nazis (Tentakel-Monster aus dem All) und ihrem blinden Gehorsam gegenüber einem alles kontrollierenden Führer (Omega)?
Edge of Tomorrow rettet geschickt einen Teil von Paul Verhoevens brachialen Sarkasmus aus Starship Troopers in unsere heutige politisch überkorrekte und dank maximaler Zielgruppenorientiertheit zusätzlich weichgespülte Zeit. Edgy!