Der Eissturm

The Ice Storm

USA 1997 · 113 min. · FSK: ab 12
Regie: Ang Lee
Drehbuch: ,
Kamera: Frederick Elmes
Darsteller: Kevin Kline, Joan Allen, Courtney Peldon, Henry Czerny u.a.

The Ice Storm ist großes, inten­sives, stilis­tisch beein­dru­ckendes Kino. Leiden­schaften werden hier nicht zu Bezie­hungs­fragen reduziert oder in das Saccharin des Kitsch aufgelöst. In guten Momenten erreicht Lee das Format eines Ingmar Bergmann. Scho­nungslos analy­siert er die Realität des ameri­ka­ni­schen Traums. Verklärt wird hier nichts mehr, im Gegenteil ist das Bild der Wirk­lich­keit, das hier gezeichnet wird, von einer Schärfe, die man nur in wenigen europäi­schen Filmen der letzten Jahre gesehen hat. Gleich­zeitig bleibt der american dream aber jederzeit präsent: als eine Hoffnung und ein Anspruch, der das, was der Gegenwart fehlt, nur um so schärfer hervor­treten läßt.

Geschil­dert wird das Leben zweier Familien aus gehobenen Ostküsten-Mittel­stand der USA im Jahr 1973. Die Watergate-Affaire hat erst begonnen, der Vietnam-Krieg ist bereits zuende, doch inmitten dieses an sich ruhigen Lebens sind für Lee die 70er Jahre bereits bendet, kündigen sich schon die Stürme der Zukunft an. Der Mann geht fremd mit der Nachbarin, die frus­trierte Ehefrau ist kleptoman, die Kids machen, was sie wollen. Ang Lee beschreibt eine innerlich zerrüt­tete, amora­li­sche Gesell­schaft, die ihre Leere und Verzweif­lung in Ehebruch, Depres­sion, und lächer­lich anmu­tenden Ausbruchs­ver­su­chen zu ersticken sucht.

Freilich hat diese Abrech­nung mit den USA der 70er Jahre auch frag­wür­dige Seiten: die kalten und grauen Verhält­nisse, die Naivität und Verlo­gen­heit der Prot­ago­nisten werden hier zur einsei­tigen und zynisch-denun­zie­renden Abrech­nung mit den Befrei­ungs­hoff­nungen einer ganzen Gene­ra­tion. Die konser­va­tive Restau­ra­tion während der 80er Jahre erscheint als logische Konse­quenz aus der Selbst­zer­stö­rung des Libe­ra­lismus.
Am Ende bietet Ang Lee dem Zuschauer nur ein simples Happy-End: die brüchige Rettung in der Familie. Moral: wenn es schon keine Hoffnung gibt, dann sollte man wenigs­tens nicht fremd­gehen. Auch so lassen sich »familiy values« recht­fer­tigen.