USA 2016 · 111 min. · FSK: ab 12 Regie: James Schamus Drehbuch: James Schamus Kamera: Christopher Blauvelt Darsteller: Logan Lerman, Sarah Gadon, Tracy Letts, Linda Emond, Danny Burstein u.a. |
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»Aufbruch« einer Gesellschaft |
Empörung ist die siebente Verfilmung eines Werkes von Philip Roth und ist nach Larry Peerces Goodbye Columbus (1969) die seit langem erste Verfilmung eines Roth-Stoffes, die sogar dem kritischen Blick von Roth genügen dürfte. Anders etwa als die nur wenige Monate zuvor von Ewan McGregor verfilmte American Pastoral, die so blutleer wirkte wie die neurotisch alternden Männer in Roths Spätwerk.
Dass Empörung so gut funktioniert mag auch daran liegen, dass der erfahrene Drehbuchautor und Regie-Neuling James Schamus sich auffallend stark an die Dialoge und Szenen von Roths Vorlage hält und damit – vielleicht ohne es zu wollen – einen hoffnungslos altmodischen Film gedreht hat: Dialoglastig und akribisch auf das Personal und die beschriebene Zeit fokussierend, so dass Schamus Empörung fast selbst wie ein Produkt der frühen 1950er Jahre wirkt, die er beschreibt. Das mag einige stören und sich fragen lassen, ob wir solche Filme noch brauchen, doch da Roth und Schamus gleichermaßen weitaus mehr als nur eine Geschichte über die 1950er Jahre erzählen, kann man diesen Einwand getrost fallen lassen.
Denn Schamus erzählt in enger Anlehnung an Roth stark autobiografisch beeinflussten Roman nicht nur die Geschichte des Fleischersohnes Marcus (Logan Lerman), dessen Vater Max (Danny Burstein) den eigenen Sohn kaum in ein kleines College in Ohio ziehen lassen mag, sondern vor dem Hintergrund des Krieges in Korea lässt sich Schmaus auch die Zeit, die sich Roth genommen hat, um eine Gesellschaft zu porträtieren, die vor einem großen Wandel steht: Kriege werden nicht mehr eindeutig gewonnen, Hierarchien lösen sich auf, eine offenere Sexualität und neue, emanzipierte Rollenmodelle kündigen sich an; im Kleinen entsteht die Grundlage für die große Welle der 68er-Bewegung.
Über lange Dialogsequenzen von Marcus mit seinem College-Direktor (Tracy Letts) und der fast wortlosen Emanzipation von seinem übersymbiotischen »Helikoptervater« wird dieser »Aufbruch« (im doppelten Wortsinn) einer Gesellschaft exemplarisch vorexerziert und dabei vor allem gezeigt, welche Opfer immer wieder gebracht werden müssen, um tatsächlich einen gesellschaftlichen Wandel einzuleiten. Und das eine Niederlage nicht das Ende bedeuten muss, zumindest aus der historischen Perspektive betrachtet.
Empörung macht dabei zärtlich und ironisch auch deutlich, wie stark wir uns in unserer restaurativen Gegenwart den 1950er Jahren bereits wieder angenähert haben, ohne es so recht zu merken. Wie klein die Widerstände geworden sind, wie wenig auf »Empörung« unsere Gegenwart ausgerichtet ist. Und welch unvorstellbare Dimensionen Menschen und Autoren wie Philip Roth durchquert haben müssen, um sich von einer oppressiven Moral zu befreien und zu neuen Ufern aufzubrechen.
Empörung deshalb gleich als aufregendes, aufwühlendes Mahnmal zu bezeichnen, wäre überzogen und träfe den Kern von Schmaus genau und ruhig beobachtenden, empathischen, durch starke schauspielerische Leistungen getragenen Film nicht wirklich; es ist vielmehr ein Film, der mit subtilem Witz und tragischer Intensität über eine alte Geschichte unsere Moderne neu erzählt und damit auch uns – verständlich macht.