Deutschland 2018 · 105 min. · FSK: ab 16 Regie: Philipp Leinemann Drehbuch: Philipp Leinemann Kamera: Christian Stangassinger Darsteller: Ronald Zehrfeld, Alexander Fehling, Claudia Michelsen, Antje Traue, Axel Prahl u.a. |
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Ungewöhnliches Genrekino aus Deutschland |
Das Ende der Wahrheit von Philipp Leinemann ist ein brisanter Politthriller. An der Oberfläche handelt er vom BND und ist nicht nur wegen der Affaire im letzten Sommer um den ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen überraschend aktuell. Da rückte die Frage nach den internationalen Verstrickungen der Geheimdienste in den Fokus der öffentlichen Debatte.
Regisseur Leinemann ist eine der interessantesten Genrefilmregisseure Deutschlands. Sein Polizeifilm Wir waren Könige wurde 2014 viel gelobt. Schon hier warf Leinemann einen Blick hinter die hochkomplexe Organisation und Arbeitsweise staatlicher Institutionen. Jetzt hat er sich die deutschen Geheimdienste und die deutsche Waffenlobby vorgenommen: Leinemann hat viel Sinn
für das Innenleben von komplexen Organisationen und Lust am Portraitieren jener stupiden Sitzungen und Arbeitsroutinen, die einen Großteil der Geheimdienstarbeit ausmachen. Und am Darstellen einer staatlichen »PR-Arbeit«, die eigentlich nur der Informationsverschleierung dient.
Nicht zuletzt geht es aber um Banaleres, Persönlicheres: Karrieren, Hierarchien und um innere Rivalitäten. So bekommt unser zunehmend frustrierter, zweifelnder Held Behrens nämlich eines
Tages einen neuen Chef vor die Nase gesetzt, in dem er, der große Fachmann, nur einen bürokratischen Schreibtischmenschen sieht: »Sie können mir nicht mal den Unterschied zwischen der Hamas und der PLO erklären.« Das Leiden der Experten und ein Hauch von Antipolitik – aber dieser zunächst böse und staubtrocken erscheinende Patrick Lemke, für dessen Interpretation Alexander Fehling zu Recht am Wochenende mit dem deutschen Filmpreis (für die beste Nebenrolle) prämiert
wurde, ist nicht nur Schreibtischengst und Karrierist, sondern auch eine Figur, die wie Behrens auf ihre Weise tatsächlich etwas erreichen will, und darum an den den Verhältnissen im Amt kaputt geht.
Derartige Untiefen der Geheimdienste sind die eine Seite. In seiner politischen Botschaft zielt der Film mehr auf die Folgen der Privatisierung staatlicher Hoheitsaufgaben: Wenn etwa bei den Aufbauhilfen in Ländern wie Afghanistan nicht mehr die Bundeswehr oder die Entwicklungshilfe für Deutschland im Einsatz sind, sondern profitorientierte Privat-Unternehmen, dann verkauft man die Interessen und Werte Europas an die Unmoral der Industrie.
Bald ist klar: Das schwere Attentat, das Behrens erschüttert, wurde inszeniert. So wagt der Regisseur die These, dass der eigentliche Feind vor allem im Innern lauert. Das Ende der Wahrheit ist ungewöhnliches Genrekino aus Deutschland und da am besten, wo der Film einfach Explosionen, Schießereien und Attentate zeigt: Kühl, klar und unsentimental. Aber gerade darin auch sehr plausibel. »Wir nutzen Menschen aus, wir nutzen deren Schwäche aus. Das ist unser Beruf.« sagt Behrens vorgesetzte Aline Schilling (Claudia Michelsen) einmal. Alexander Fehling und Claudia Michelsen entsprechen in ihrem Spiel diesem kühlen Ansatz am besten, und zeigen dabei überraschende Tiefen – während Ronald Zehrfeld in der Hauptrolle als Geheimdienstmitarbeiter mit zunehmenden Zweifeln immer wieder zum sentimentalen Brummbär wird.
Wenn es um das Portrait der Menschen geht, dann verwandelt sich in diesem Film immer wieder Kino- in Fernsehästhetik – trotz allem Bemühen wird zu sehr gemenschelt, und Figuren eindeutig zu „gut“ oder „böse“ werden, anstatt doppelsinnig zu schillern. Dieser Verzicht auf Härte, auf Kühle und auf blauschwarze Noir-Atmosphären unterscheidet Das Ende der Wahrheit dann doch von seinen Vorbildern aus Frankreich, Italien und Hollywood.