USA 2013 · 114 min. · FSK: ab 12 Regie: Gavin Hood Drehbuch: Gavin Hood Kamera: Donald McAlpine Darsteller: Asa Butterfield, Ben Kingsley, Harrison Ford, Hailee Steinfeld, Abigail Breslin u.a. |
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08/15 SF-Bootcamp-Romantik |
At first Ender believed that they would bring him back to Earth as soon as things quieted down. But things were quiet now, had been quiet for a year, and it was plain to him now that they would not bring him back at all, that he was much more useful as a name and a story than he would ever be as an inconvenient flesh-and-blood person.
Orson Scott Card, Ender’s Game
Als Orson Scott Card mit seinem Roman »Ender‘s Game« 1986 gleich die zwei wichtigsten Preise für einen Science Fiction-Roman gewann, wurde damit nicht nur ein Genre-Werk prämiert, sondern ein in fast allen Belangen äußerst ungewöhnliches literarischer Wurf ausgezeichnet. Denn »Ender‘s Game« ist weitaus mehr als die Geschichte einer abgewehrten Invasion von Außerirdischen und die darauf folgende perfide Racheaktion der menschlichen Rasse. Es ist auch eine faszinierende Coming-of-Age-Geschichte, ein visionärer Kraftakt in Sachen Computer Gaming und eine Lektion in Empathie, Mehrdeutigkeit und nicht zuletzt eines moralisch fast einwandfreien Genozids.
Wie stark die zentrifugale Sogkraft des Romans bis heute ist, zeigt schon seine Leserschaft. »Ender’s Game« taucht nicht nur in etablierten Rankings der besten Bücher der letzten 25 Jahre auf, sondern auch als fester Bestandteil des Literaturkanons des US Marine Corps. Und wie der Roman ist auch sein Autor, Orson Scott Card, mit einfachen Maßstäben kaum zu fassen. Cards Familiengenealogie lässt sich bis auf den Gründer des Mormonen-Staats in Utah, Brigham Young zurückverfolgen. Card hat in seinen jungen Jahren als Missionar gearbeitet und äußert sich bis heute zu Fragen der Moral mit eindeutigen, nicht immer politisch korrekten Antworten. Seine abwehrende Haltung zur gleichgeschlechtlichen Ehe etwa hat nicht erst anlässlich der Verfilmung seines Romans zu Protestaktionen geführt, die durch beschwichtigende Aussagen der Produzenten und Hauptdarstellern wie Harrison Ford nur geringfügig deeskaliert werden konnten.
Die unlautere Vermengung von Autorenbiografie und künstlerischem Werk ist jedoch nur das kleinste Ärgernis, dass es mit der Verfilmung von Ender’s Game durch Gavin Wood auf sich hat. Das viel größere Ärgernis ist die Verfilmung selbst. Wood, der sich nach seinem südafrikanischen Achtungserfolg Tsotsi bereits an amerikanischen Kernthemen in Rendition und X-Men Origins – Wolverine ohne großen Erfolg versuchen durfte, bekam in diesem Fall allerdings nicht nur die Verantwortung für die Regie, sondern auch das Drehbuch, das auf Entwürfen von Card selbst basiert. Schon Card erwähnt in Interviews die Entschlackungstendenzen in seinen Skript-Versionen, Wood muss sie fortgeführt haben. Denn das, was schließlich zum Film wurde, ist nicht mehr als magerste 08/15 Science Fiction-Kost um einen Jungen und seine militärische Ausbildung in diversen Bootcamps, immer natürlich vor der drohenden Kulisse einer erneuten Alien-Invasion. Zwar entscheidet sich Wood immerhin für die moralisch recht komplizierte und erzählerisch grandiose Wende am Ende des Films, doch werden bis dahin die wichtigen Familien- und Gesellschaftsverhältnisse um Ender, vor allem aber die langsame psychologische Reifung eines kindlichen Wesens derartig lieblos und oberflächlich abgespult, dass selbst das überraschende Ende aufgesetzt und bemüht wirkt und nicht einmal durch den hervorragenden Trick und schauspielerische Großchargen wie Harrison Ford und Ben Kingsley glaubwürdiger wird.
Card hat jahrelang von der Unverfilmbarkeit seines Buches gesprochen, gerade wegen der nicht einfachen, psychologischen Entwicklung um Ender Wiggin und die introspektive Sichtweise, über die die komplexe Moral und Geschichte abgehandelt wird. Eine Kombination, die tatsächlich in knapp zwei Stunden kaum zu bewältigen ist und den Verdacht aufkommen lässt, dass es weniger der Film selbst, als das Format ist, an dem Wood gescheitert ist. Denn die Vorstellung, Ender’s Game und den nicht minder faszinierenden Folgeroman Speaker of the Dead nicht in das Standardkinoformat gepresst, sondern in das bei weitem anpassungsfähigere Format gegenwärtiger US-TV-Serien eingebettet zu sehen, lässt einen fast schwindeln vor Glück. Und im nächsten Moment ob dieser vertanen Chance schier verzweifeln.