USA 2013 · 115 min. · FSK: ab 6 Regie: Ben Stiller Drehbuch: Steve Conrad Kamera: Stuart Dryburgh Darsteller: Ben Stiller, Kristen Wiig, Shirley MacLaine, Adam Scott, Kathryn Hahn u.a. |
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Den Sinn des Lebens knapp verfehlt. |
Die Story vom unscheinbaren Durchschnittsmenschen, der aufgrund besonderer Umstände dazu gezwungen wird wilde Abenteuer durchzustehen und dadurch am Ende sein ganzes bisheriges Leben verändert, ist die Urgeschichte des Hollywoodfilms. Deshalb verwundert es nicht, dass James Thurbers aus dem Jahre 1939 stammende Kurzgeschichte »The Secret Life of Walter Mitty« bereits 1947 ein erstes Mal als The Secret Life Of Walter Mitty verfilmt wurde. Wesentlich länger dauerte es hingegen, die bereits seit 1994 gehegten Pläne einer Neuverfilmung zu realisieren. Nach einer 20-jährigen Hollywood-Entwicklungshölle erscheint jetzt tatsächlich Das erstaunliche Leben des Walter Mitty von und mit Ben Stiller. Da die Figur des Walter Mitty eine typische Ben-Stiller-Rolle ist, bekleidet der Komiker nicht nur die Hauptrolle, sondern führt auch noch ganz entspannt zum fünften Mal selbst Regie. Doch zu einfach will es Stiller sich und seinem Publikum doch nicht machen. Deshalb schlittert Walter Mitty verwegen zwischen postmodernem Meta-Film und der vollständigen Erfüllung auch der abgegriffensten Hollywood-Klischees.
Walter Mitty (Ben Stiller) ist ein leicht verkorkster und stark gehemmter Mitarbeiter des Life!-Magazins. Obwohl mit seiner neuen Kollegin Cheryl (Kristen Wiig) seine persönliche Traumfrau ebenfalls bei Life! zu arbeiten angefangen hat, traut sich Walter nicht aus seinem dunklen Fotoarchiv heraus, um sie anzusprechen. Stattdessen hofft er Cheryl über ein Dating-Portal kennenzulernen. Doch dort hat Walter Probleme mit der Fertigstellung seines persönlichen Profils, da sein Leben schlicht zu ereignislos ist. Zu allem Übel gesellt sich zu Walters Sorgen in Liebesdingen bald auch noch eine akute Existenznot. Denn das traditionsreiche Life!-Magazin wird aufgekauft und die neue Firmenleitung beschließt, die Print-Ausgabe zugunsten eines reinen Online-Magazins komplett einzustellen. Doch es soll noch eine letzte gedruckte Ausgabe erscheinen und für deren Cover hat der legendäre Life!-Fotograf Sean O’Connell (Sean Penn) bereits das ihm zufolge beste Foto seiner gesamten Karriere gemacht. Doch ausgerechnet dieses Foto ist verschwunden. So ein Fehler ist Walter Mitty in seiner gesamten Berufszeit noch nie passiert. Also überwindet er sich letzten Endes, um O’Connell zu suchen und sich dabei in all die Abenteuer zu stürzen, die er bisher nur in seinen permanenten Tagträumen erlebt hat...
Das erstaunliche Leben des Walter Mitty ist wie gesagt eine klassische Hollywood-Geschichte. Ohne Kenntnis der langen Vorgeschichte des Films, könnte man auch glauben die Rolle der grauen Büro-Maus wäre Ben Stiller direkt auf den Leib geschrieben worden. Alles in dem Film ist derart offensichtlich, dass es nicht verwundert, dass Ben Stiller sich von dieser Offensichtlichkeit immer wieder selbstironisch distanziert. Es beginnt damit, dass Walters Erlebnisse in seinen Tagträumen eindeutig direkt aus Hollywoodfilmen entsprungen sind. Dieser Sachverhalt erscheint jedoch dadurch ironisch gebrochen, dass er zugleich veranschaulicht, dass Walter in der Realität bisher absolut nichts Abenteuerliches erlebt hat, woran er sich in tristen Momenten erinnern könnte. Darüber hinaus eröffnet sich hier bereits eine weitere Meta-Ebene des Films. Denn die Tatsache, dass Walter die aufregendsten Momente seines Lebens offensichtlich im Kino hat, verbindet ihn natürlich mit einem großen Teil der Zuschauer dieses Films. Doch auch die innerhalb der Filmwirklichkeit folgenden »realen« Abenteuer folgen derart eindeutig den klaren Mustern der typischen Heldengeschichte eines typischen Hollywoodfilms, dass der Film nicht umhin kann, diese Klischees im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder vorzuführen, während sie zugleich jederzeit vollkommen erfüllt werden.
Einer der schönsten Momente in diesem absurden Spiel ist der, als Walter Mitty das erste Mal Sean O’Connell mit eigenen Augen erblickt: Nicht nur, dass Walter sich gerade in unmittelbarerer Nähe eines Vulkanausbruchs befindet. Plötzlich fliegt auch noch ein alter Doppeldecker direkt auf die bedrohlichen Aschewolken zu und auf den oberen Tagwerken steht freihändig ein Mann, der diesen Ausbruch völlig ruhig fotografiert. »Sean!« Szenen wie diese funktionieren in Das erstaunliche Leben des Walter Mitty auch deshalb zumeist so gut, da sie nicht bloß absolut brachial und entschieden »over the top«, sondern auch noch hervorragend fotografiert sind. Im Gegensatz zu vielen anderen Komödien steht hier nämlich mit Stuart Dryburgh (Das Piano) ein wahrer Meister seines Fachs hinter der Kamera, der die besondere Magie der oft exotischen Settings jederzeit in adäquate Bilder zu übersetzen weiß.
Doch trotz zahlreicher gelungener Einzelszenen kann Walter Mitty letzten Endes nicht verbergen, dass die Grundstruktur des Films weit weniger originell ist, als Ben Stiller seine Zuschauer glauben lassen will. Mark Forsters bereits 2006 erschienener Film Schräger als Fiktion hatte gezeigt, wie man das gleiche Grundthema ähnlich charmant, aber darüber hinaus auch wirklich originell erzählen kann. Zudem mündet Das erstaunliche Leben des Walter Mitty in eine Schlusspointe, welche mit einem kleinen Wortspiel aufwartet, das trotz seiner Schlichtheit offensichtlich nicht einmal von jedem deutschsprachigen Rezensenten verstanden wird. Doch so großspurig Ben Stiller auch an dieses Projekt herangegangen sein mag: Der Sinn des Lebens findet sich dann doch in einem anderen Film.