USA 1998 · 87 min. · FSK: ab 18 Regie: Antoine Fuqua Drehbuch: Ken Sanzel Kamera: Peter Lyons Collister Darsteller: Chow Yun-Fat, Mira Sorvino, Jürgen Prochnow, Til Schweiger |
Ein Mann liegt im Gebüsch, die Präzisions-Knarre in den Händen, im Fadenkreuz sieht er eine glückliche Familie; der Vater kommt soeben von der Arbeit, küßt seine Frau, und wirbelt seinen kleinen Sohn herum – Gleich wird wohl der Killer Daddy den Garaus machen oder dessen Sohn oder allen miteinander. Doch da packt der Finsterling plötzlich sein Gewehr ein und geht nach Hause. Mit dieser unterlassenen Dienstleistung beendet Johnny Lee seine vielversprechende Karriere im Gangstergeschäft. Von nun an ist er selbst auf der Flucht, denn sein Auftraggeber der berüchtigte Triadenchef Wei läßt sofort alle bisherigen Mordpläne fallen und widmet sich der Verfolgung seines unzuverlässigen Killers.
Als dieser sich bei der Dokumentenfälscherin Meg neue Papiere beschaffen will, um damit das Land, übrigens nicht China, sondern die USA, zu verlassen, tauchen plötzlich Weis Schergen auf. Meg und Lee gelingt es aber, sich gehörig und unter viel Geknall zu verteidigen. Von nun an hetzen die beiden, der schweigsame Chinese und die flotte Amerikanerin, gemeinsam durch die Großstadt, in Bewegung gehalten von immer neuen Experten des Schurkentums. Zur Verständigung greifen die beiden auf international leicht nachvollziehbare Dialogrudimente zurück: »Nicht umdrehen!«, »Bullen?«, »Nein, Profikiller.«
Da erscheint plötzlich Til Schweiger im Nazi-Ledermantel und wir befinden uns in einer deutschen Fernsehkomödie. Doch Johnny hat ihn flugs erschossen, – Puh! Glück gehabt – und die Sauserei kann weiter gehen durch Hotelzimmer, buddhistische Tempel, Autowaschstraßen und Cartoon-Festivals, in denen grade »Mr. Magoo« läuft. Die ganze Welt ist voll Geballer. So soll es sein, wenn ein Star aus Hongkong sein Debut in Amerika gibt. Chow Yun-Fat, der große Melancholiker des asiatischen Action-Films, macht auch hier seine Sache gründlich, denn er hat sein Schießeisen mitgebracht. Die erste Dialogzeile von The Replacement Killers lautet »Feuer einstellen!« Das ist aber nur ein kleiner Scherz. Stolz kann Chow am Ende auf eine stattliche Anzahl krimineller Leichen verweisen, darunter den deutschen Superstar und amerikanischen Kleindarsteller Till und seinen älteren Landsmann Jürgen Prochnow. Während eines Drehtags soll er so viel geschossen haben, daß seine Hände wegen der Blasen bandagiert werden mußten. Besonders viele Hongkong-Elemente sind in diesem zügig inszenierten Kugelhagel nicht enthalten, obwohl der Produzentenname John Woo einen gewißen, martialischen Stil verheißt. Die Wortkargheit der Hauptfigur und manche rituell anmutende Verrichtungen im Killeralltag – etwa, wenn Johnny Lee ein Tuch vom Altar reißt um einen toten Freund damit zu bedecken – gehören zu den Hinterlassenschaften von Woos Zunft. Yun-Fat hat für seine Partnerin kein Küßchen übrig, obwohl Mira Sorvino es wirklich verdient hätte, schließlich hat sie einen Harvard-Abschluß in ostasiatischen Sprachen gemacht und sogar eine preisgekrönte Dissertation über Rassenkonflikte in China verfasst. Die amerikanische-chinesische Freundschaft beschränkt sich also bisher noch auf den Verkauf von Kinokarten.
In den letzten Jahren ist der Hongkong-Movie auch hierzulande bekannter geworden. Eine ganz eigentümliche Verbindung von rasant-schneller Action, brutaler Härte und einer Romantik, die so süß und sentimental ist, daß sie die Grenze zum Kitsch oft überschreitet, begegnet uns hier.
Wir kennen das aus den immer etwas angekitschten Filmen von Wong Kar-Wei (dessen interessantesd, aber mitunter auch zähes Frühwerk jetzt bald auch in den deutschen Kinos angeguckt werden kann), und im vergangenen Jahr Face/Off, dem ersten Hollywood-Film des Hongkong-Starregisseurs John Woo. (Nein, Herr Suchsland, dem dritten! T.W.) Beide machten diesen Stil auch einem europäischen Publikum bekannt. Beide sind Beispiele für einen Hongkong-Movie, der mehr ist als die völlig mainstreammäßigen 08/15-Industrieprodukte, die es dort auch in Hülle und Fülle gibt. Antoine Fuquas The Replacement Killers, den John Woo mitproduzierte, und der jetzt in die Kinos kommt, kann man auf seine, ganz eigene Art auch in diese Reihe stellen (Wie gescheit die Macher sind zeigt sich u.a, auch daran, daß Til Schweiger keine einzige Dialogzeile zu sprechen hat) . Auch er überragt ebenfalls klar das übliche Niveau Hongkonger Action-Spektakel.
The Replacement Killers ist kein Blockbuster. Fuqua kommt ohne Kassenfüller-Stars aus, und macht wenig Konzessionen an eingefahrene Seh- und Erzählgewohnheiten. Zugleich will er aber in erster Linie unterhalten, und diese Kombination macht seinen Film interessant und ungewöhnlich.
Während die Film-Charaktere flach sind, und die Geschichte nicht weiter erwähnenswert ist, liegt die Qualität dieses temporeichen Thrillers woanders. Er lebt von
seiner visuellen Stärke, seinen fast abstrakten Bildern, die der schnell erzählten Story große atmosphärische Dichte verleihen. Bei oberflächlicher Betrachtung sieht das alles nach mainstreammäßigem, plumpen und viel zu langen Geballere aus. Aber dahinter verbirgt sich ein Stilwille, der wenig Kompromisse macht. Cool und selbstsicher, ohne viele Worte, erzählt Fuqua seine Geschichte wie in einem langen Musikvideo. Hier wird alles zu einer Frage des Stils.