Es ist nur eine Phase, Hase

Deutschland 2021 · 105 min. · FSK: ab 12
Regie: Florian Gallenberger
Drehbuch: ,
Kamera: Christian Rein
Darsteller: Christoph Maria Herbst, Christiane Paul, Jürgen Vogel, Emilia Nöth, Bella Bading u.a.
Filmszene »Es ist nur eine Phase, Hase«
Männer (und Humor) am Abgrund
(Foto: Majestic)

Verlogenheit als Prinzip

Florian Gallenbergers Trostfilm für Männer in der Menopause ist nicht mehr und nicht weniger als spießiger und sentimentaler Klischee-Kitsch

Schade, dass Köln so langsam unter die Räder gerät. Zumindest im Film. Erst vor ein paar Wochen lief Helena Hufnagels Sachbuch-Verfil­mung Genera­tion Bezie­hungs­un­fähig an, eine im Kölner Umfeld spielende Stero­ty­pen­du­delei über Liebes­be­zie­hungen junger Erwach­sener um die 30. Und als ob das nicht genug Fremd­schäm-Attacke war, kommt schon die nächste Kölner Bezie­hungs­kiste um die Ecke. Wieder ist es also Köln und wieder eine Buch­ver­fil­mung, hat Florian Gallen­berger Maxim Leos und Jochen Gutschs Spiegel Best­seller, die heitere Anek­do­ten­samm­lung Es ist nur eine Phase, Hase: ein Trostbuch für Alters­pu­ber­tie­rende genommen und zu einer der wirklich ärger­lichsten und blödesten Komödien der letzten Monate zusam­men­ge­stöp­selt.

Wie schon der Titel des Buches andeutet, geht es hier nicht um die Genera­tion Ü30 aus Hufnagels Film, sondern um die Jungs und Mädchen der Ü40-Ü50-Genera­tion, aller­dings mit beson­derem Fokus auf die männ­li­chen Prot­ago­nisten dieser leidenden Spezies, im Beson­deren um Paul (Christoph Maria Herbst), der bislang mit Emilia (Chris­tiane Paul) eine mit drei Kindern gesegnete, solide Ehe geführt hat. Solang bis Midlife-Crisis- und Wech­sel­jahre-Symptome (aka Alters­pu­bertät) mit den altbe­kannten Flucht­mus­tern die Beziehung auf die Probe stellt.

Wie diese Probe aussieht, kann sich eigent­lich jeder vorstellen, denn nichts an diesem Tape­ten­kleis­ter­sur­rogat ist auch nur in Ansätzen über­ra­schend oder ambi­va­lent. Das viel­leicht Riskan­teste, was sich der Film leistet, ist noch Emilias Affäre mit einem deutlich jüngeren Mann, doch auch dieser Schritt wird irgend­wann wieder konter­ka­riert, so dass auch dem letzten Idioten klar wird: Schuster, bleib bei deinen Leisten.

Aber das ist leider noch nicht alles, denn Gallen­ber­gers Adaption kriegt sich vor lauter bieder­mei­er­schen Spießig­keiten gar nicht ein. Sätze wie „Mastur­ba­tion – macht man, wenn man älter ist“, „Frauen sind Konkur­renz­fi­cker“, »Hat euch Udo Jürgens allen ins Gehirn geschissen? Mit fünfzig fängt das Leben erst an« oder Stereo­typen wie jene, nach der Männer halt Dosenfraß goutieren und Frauen Gourmet-orien­tiert sind, in der es immer die Wahl eines jüngeren (Interims-) Partner sein muss, der den Ex auf die Palme bringt, sind so ausge­latscht, dass man den Käse­fuß­ge­ruch, der aus dem Latschen qualmt, nicht noch ein weiteres Mal riechen, geschweige denn darüber lachen möchte.

Und da wir uns im bildungs­bür­ger­li­chen Speck­gürtel Kölns befinden, in dem zwar immer wieder mal ein wenig rumge­kölscht wird, um Pseudo-Authen­ti­zität zu erzeugen, ist natürlich immer auch Geld da, um sich auf die abstru­seste Art wieder selbst zu finden.

Doch dieses Selbst ist trotz des so großar­tigen wie völlig vergeu­deten Einsatzes von Chris­tiane Paul und Christoph Maria Herbst so schmerz­haft restau­rativ, propa­gan­dis­tisch rückwärts gewandt, dass man bei finalen Sätzen wie »Es ist schon ein Glück, ein ganzes Leben mitein­ander verbracht zu haben« oder dem Liebes-Tape an Emilia bei all der mora­li­schen Verlo­gen­heit wirklich das große Kotzen kriegt und man sich zutiefst wünscht, dass Paul statt seine unglaub­wür­digen Joints zu rauchen, sich doch besser einen goldenen Schuss hätte setzen sollen.

Man kann nur hoffen, ja beten, dass diese zutiefst kalauer-komö­di­en­haften Beob­ach­tungen, dieser augen­zwin­kernde Stand der Dinge der Ü50-Genera­tion mit seinem mora­li­schen Hand­ge­päck aus den 1950ern, nicht wirklich Stand der Dinge sind, denn dann bliebe eigent­lich nur noch Heine, um nach diesem „Trostfilm“ noch Trost zu finden: »Denk ich an Deutsch­land in der Nacht, / Dann bin ich um den Schlaf gebracht«