Frankreich 2024 · 104 min. · FSK: ab 12 Regie: Florent Bernard Drehbuch: Florent Bernard Kamera: Julien Hirsch Darsteller: Charlotte Gainsbourg, José Garcia, Lily Aubry, Hadrien Heaulmé, Louisa Baruk u.a. |
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Familienaufstellung zu viert... | ||
(Foto: Weltkino) |
Die langsam gleitende Kamerafahrt lenkt den Blick auf einen Schreibtisch, auf dem ein Kalender und ein Festnetztelefon stehen. Aus dem Anrufbeantworter ertönt eine weibliche Stimme – aufgekratzt und heiter –, die eine peinlich-freche Nachricht für den Vater ihres Freundes hinterlässt, bevor sie kreischend wie ein typisches Teenagermädchen auflegt. Die Kamera verharrt kurz auf dem Kalender: 1996. Dieser Moment, eine Mischung aus Leichtigkeit und Nostalgie, leitet weitere Szenen im Stil von Heimvideos ein, die mit der Handkamera aufgenommen wurden und im Schnelldurchlauf zwei Jahrzehnte des Zusammenlebens von Sandrine (Charlotte Gainsbourg) und Christophe (José Garcia) umspannen. Diese Clips, eine Chronik von Heiterkeit und Verliebtheit, zeigen den Alltag der Familie Leroy – bis die Bilder und die Filmmusik zunehmend an Leichtigkeit verlieren.
20 Jahre später scheint die Liebe erloschen. Sandrine fühlt sich entfremdet, die Teenagerkinder Bastien (Hadrien Heaulmé) und Loreleï (Lily Aubry) leben in ihrer eigenen Welt, und ihr Ehemann Christophe, der emotional abwesende Autovermieter, hört nicht mal ihre Sprachnachrichten ab. Sandrine beschließt, sich zu trennen. Doch Christophe gibt nicht auf: Mit einem Roadtrip durch die Stationen ihrer gemeinsamen Liebesgeschichte – und den genervten Kindern auf dem Rücksitz – versucht er verzweifelt, ihre Ehe zu retten.
Mit Es liegt an dir, Chéri, ausgezeichnet mit dem Grand Prix des Internationalen Komödienfilmfestivals in l’Alpe d’Huez, wagt sich Drehbuchautor und Regisseur Florent Bernand (alias FloBer) an seinen ersten Langspielfilm. Die Komödie erzählt eine bekannte Geschichte: eine Ehe, die an Routine und Kommunikationsmangel scheitert, und den Versuch, sie wiederzubeleben. Klingt vertraut? Ist es auch. Aber FloBer, der auch hier als Drehbuchautor fungiert, versteht es, diese simple Prämisse mit pointierten Dialogen und einem Gespür für die Absurditäten des Alltags frisch und lebendig zu erzählen.
Trotz technischer Schwächen funktioniert der Film emotional hervorragend – vor allem dank der überzeugenden schauspielerischen Leistung von Charlotte Gainsbourg und José Garcia. Ihre Dynamik, geprägt von Gegensätzen, erinnert laut Regisseur an das klassische Zirkusduo »Clown Blanc und Auguste«: Sandrine, äußerlich ruhig, steht innerlich kurz vor dem Explodieren: Mit einer klaren Symbolik – etwa der immer wieder explodierenden Limonadendosen in Sandrines Händen – werden Gefühle wie Wut, Trauer und Verzweiflung greifbar gemacht, was auch zu ihren feucht schimmernden Augen passt. Christophe hingegen ist ein aufbrausender Kindskopf, der sich mit unerschütterlichem Optimismus in jedes Missgeschick stürzt und dabei eine Katastrophe nach der anderen auslöst. Ob demoliertes Auto, oder peinlicher Unfall in der alten Wohnung – seine Tollpatschigkeit bringt die meiste Komik ins Spiel. Wie ein stures Kind, das die Realität nicht akzeptieren will, rollt er die Vergangenheit der Familie auf – durch triste Industriegebiete und Plattenbauten in der Region Dijon.
Diese Gegensätze zwischen den Figuren sorgen für humorvolle Interaktionen und eine Balance aus Wortwitz, situativem Humor und Ernsthaftigkeit. Gelegentlich schlägt der Film ins Kitschige um, etwa in einer emotional aufgeladenen Chauffeurszene. Meistens gelingt jedoch der Balanceakt zwischen Leichtigkeit und Tiefe.
Ein besonderer Moment ist die Szene mit einem Karikaturisten »Banksy« (Sébastien Chassagne), der groteske Zeichnungen der Familie anfertigt. Die überzogenen Darstellungen stellen nicht nur die Charaktere, sondern auch die Komik des Films selbst auf Metaebene aus. Hier zeigt sich die Fähigkeit des Films, sich selbst humorvoll zu hinterfragen und gleichzeitig das Publikum zum Lachen zu bringen.
Neben der Eheproblematik beschäftigt sich der Film auch mit der Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Die beiden Jugendlichen geben glaubwürdig kaum mit den Eltern redende und ständig auf die Handys starrende Teenager ab. Ihre Perspektive bringt eine zusätzliche Dimension in die Handlung: Sie spiegeln die emotionalen Leerstellen der Familie und verdeutlichen die Schwierigkeiten, über intime und unangenehme Wahrheiten zu sprechen. So wirkt der Film zwar wie eine leichte Komödie, erweist sich aber als vielschichtiger, indem er tiefere, existentielle Themen wie Entfremdung und Kommunikationsprobleme in verschiedenen Beziehungen anspricht.
Am Ende bleibt die Botschaft des Films klar: Auch wenn die Themen – zerbrechliche Beziehungen, Kommunikationsprobleme und Entfremdung – nicht neu sind und das Ende vorhersehbar ist, trifft der Film einen Nerv der heutigen Gesellschaft. Mit Humor, einer gewissen Leichtigkeit, verfeinert mit einer Prise ehrlicher Bitterkeit gelingt es ihm, menschliche Beziehungen in ihrer ganzen Komplexität zu beleuchten. Einfach typisch französisch!