Frankreich 2002 · 104 min. · FSK: ab 0 Regie: Nicolas Philibert Drehbuch: Nicolas Philibert Kamera: Laurent Didier Schnitt: Nicolas Philibert |
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Schmutzfink Jojo |
Jetzt hat also wieder mal ein Dokumentarfilm den Sprung auf die große Leinwand geschafft. Ein kleiner Film, der in Frankreich mehr als eine Millionen Menschen in die Kinos lockte. Ein Film, der Cannes im Handstreich eroberte und bei dem die Kritiker in Verzückung geraten: »ein filmisches Juwel« (Kino Kino), »ein Kinowunder« (filmdienst), »makellos« (L’Express).
Und worum geht es in dieser bemerkenswert erfolgreichen Dokumentation? Ort des Geschehens ist – ganz unspektakulär – eine Zwergschule irgendwo in der französischen Provinz. Jeden Morgen sammelt ein Van alle Kinder zwischen vier und zehn aus den verstreut liegenden Gehäuften auf und kutschiert sie in das alte Schulhaus. Dort erwartet in dem einzigen Klassenraum schon der väterliche Lehrer Georges Lopez die bunte Schar: Er erklärt mit liebevoller Strenge nicht nur das Einmaleins, sondern auch wie das geht mit dem Leben im allgemeinen. Vor Beginn des Unterrichts stehen die Kleinen allerdings erst mal stramm, und an jede Antwort hat das Kind ein respektvolles »Monsieur« dranzuhängen. »Wenn ich groß bin, werd' ich Lehrerin«, sagt eines der ganz kleinen Mädchen, »dann kann ich auch alle herumkommandieren.«
Der Titel Sein und Haben verweist auf ein Buch von Erich Fromm, das sich mit dem nach wie vor großen Geheimnis eines erfüllten Lebens befasst. Lopez zumindest hat sich mit Leib und Seele der Aufgabe verschrieben, seine Schützlinge auf den richtigen Weg zu bringen. Liebe und Respekt sind die Schlüsselworte, die seine Erziehung bestimmen.
Ein halbes Jahr lang hat Filmemacher Nicolas Philibert, selbst Lehrerssohn, die Schule durch die Jahrezeiten begleitet. Da ist der Tag an dem Alizé beim Ausflug einfach in dem dichten Kornfeld abhanden kommt. Da ist der Tag, an dem Lopez versucht, dem verschmitzten Jojo die Unendlichkeit näher zu bringen, was diesem aber ziemlich schnuppe ist. Da sind die beiden Schulschildkröten, die sich gleichmütig über den Boden des Klassenzimmers schleppen. Die kleinen Geschichten, die der Film erzählt, sind putzig anzuschauen, oft komisch und manchmal traurig. Und wer es schon vergessen hat, erinnert sich, dass die Kindheit kein großer bunter Kuchen ist, sondern oft genug sehr bitter schmeckt.
Am Ende ist das Schuljahr um und die drei Größten werden aus der Geborgenheit von Monsieur Lopez in die unbekannte Welt der Hauptschule entlassen. Ein bisschen bangt man schon um die drei, die doch ein wenig unbeholfen wirken, vor allem um Nathalie, die nicht so gerne spricht. Denn soviel steht fest: In der Hauptschule wird es wohl keinen Lehrer geben, der sie als individuelle Persönlichkeiten begreift, was dort zählt Leistung.
Und man ertappt sich dabei, dass man sich selbst insgeheim einen Monsieur Lopez herbeiwünscht, der einen mit seinem großen gelben Schirm vor jedem Unwetter beschützt.