USA/NZ/IRL 2023 · 97 min. · FSK: ab 18 Regie: Lee Cronin Drehbuch: Lee Cronin Kamera: Dave Garbett Darsteller: Alyssa Sutherland, Lily Sullivan, Morgan Davies, Nell Fisher, Mirabai Pease u.a. |
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Unterhaltsame, aber blasse Adaption ikonischer Bilder | ||
(Foto: Warner Bros.) |
Man kann Tanz der Teufel nicht einfach wiederholen. Sam Raimis Kult-Schocker von 1981 ist bis heute in einem Sinne formbewusst und eigensinnig, dass man sich schon einiges ausdenken muss, um ein Stück von seinem Glanz für sich beanspruchen zu können. Das war ein Werk, welches mit äußerster Radikalität den Menschen in dem enthüllte, das er ist: ein sterbender Organismus. Meint im Film: ein Sterben, das nicht enden kann und untot in seinem entlarvenden Medium gefangen bleibt. Ein Splatterfilm im klassischsten und abstraktesten Sinne. Nur passend, dass Raimi für sein furioses Raum-Spiel das Auge der Kamera selbst in eine schockierende, übergriffige Entität verwandelte. Seinen Protagonisten, gespielt von Bruce Campbell, konfrontierte er derweil kongenial mit der Ahnung um seine filmische Existenz. Eine Spielfigur in einer Ansammlung abgefahrenster Materialschlachten und Slapstick-Einlagen, die sich gerade in der Fortsetzung noch weiter steigerten.
Der anarchische Kern dieser Horror-Reihe lässt sich also keineswegs retten, indem man schlicht versucht, dessen Plotpunkte und Motive einfach zu kopieren und zu übertragen. Fede Alvarez hatte das schon einmal 2013 mit seinem Remake Evil Dead versucht und dreckigen, harten, stimmungsvollen Retro-Splatter inszeniert, der allerdings jeden eigenen Versuch, jede kreative Improvisation, die den Zauber des Originals ausmachte, in bloße Kalkulation zwängte. In Evil Dead Rise fällt dieses Vorhaben nun noch deutlicher auseinander.
Gewiss, da sind die vertrauten Zutaten: das verfluchte Necronomicon, unheilvolle Beschwörungsformeln, Besessene, und natürlich das kreative Malträtieren von Körpern. Entreißt man diese Elemente jedoch ihrem ursprünglichen formalen Rahmen mit all den verblüffenden Kameratricks und Effekt-Experimenten und verpflanzt sie Jahre später schlichtweg an einen anderen Schauplatz mit neuen Figuren, fällt recht schnell auf, dass dabei wenig mehr als durchschnittlicher Dämonenhorror herauskommt. Selbiges geschieht in Evil Dead Rise. Er hebt sich allein durch seinen Gewaltpegel von der Masse ab.
Dabei verspricht Regisseur und Autor Lee Cronin anfangs noch, dass dieses Mal alles ganz anders werden wird. Sein Reboot Evil Dead Rise beginnt ebenfalls mit der berühmten umherfliegenden und kriechenden Kamera, die man aus den Vorgängern kennt und die sich dämonisch ihren Weg durchs Gehölz bahnt. 2023 entpuppt sich diese Perspektive jedoch als Flug einer Drohne. Solche kleinen Wendungen und Verschiebungen durchziehen zwar den ganzen Film, muten aber eher wie selbstzweckhafte Entschuldigungen für ein inszenatorisches Programm an, das nur dankend vor seinem Vorbild auf die Knie fallen kann.
Evil Dead Rise richtet das Blutbad nun nicht mehr im Wald, sondern in einem Wohnhaus in der Großstadt an. Eine alleinerziehende Mutter namens Ellie (Alyssa Sutherland) lebt dort mit drei Kindern. Als ihre schwangere Schwester Beth (Lily Sullivan) Besuch kommt, bricht das Chaos aus. Nach einem Erdbeben finden die Kinder in der Tiefgarage das Necronomicon und ein paar alte Schallplatten, die sie mit in die Wohnung bringen. Dämonen ergreifen Besitz von ihrer Mutter. Abgeschnitten von der Außenwelt, ist schon bald niemand mehr vor den Höllenmächten sicher.
Der Totentanz wird hier also wieder mal zur Auseinandersetzung mit der Angst vor der familiären Krise. Schon im Remake von Fede Alvarez war diese Bedeutungsebene angelegt, hier wird sie noch viel expliziter und enger gefasst. Mitunter gleicht das den Garstigkeiten eines Grimm'schen Märchens, wenn Eltern plötzlich bedrohlich werden oder auf ihre bösen Kehrbilder stoßen. Da sind einerseits die Kinder von Ellie, die erleben müssen, wie sich ihre liebende Mutter in ein mordendes Monster, eine grausige Hexe verwandelt. Und andererseits die Künstlerin Beth, die sich vor ihrer eigenen ungewollten Mutterschaft fürchtet und nun probeweise Verantwortung für die gefährdeten Kinder übernehmen muss. Evil Dead Rise schickt sie dementsprechend durch ein zynisches Vorbereitungstraining, ein blutiges Inferno.
In letzterer Hinsicht kann man Lee Cronin zumindest wenig vorwerfen, auch wenn seine Bilder stets ein wenig zu sauber und aufgeräumt anmuten: In seinem Horrorfilm wird herumgeschleimt, gekotzt und im Strahl geblutet, was das Zeug hält. Er gibt sich also alle Mühe, dem grenzüberschreitenden Geist des Originals gerecht zu werden, lässt Figuren an Weingläsern knabbern, mit Käsereiben Beine zerschaben und die berühmte Kettensäge lauert auch noch irgendwo. Das ist in gewisser Weise enthemmt und exzessiv, aber immer nur so weit, wie es gerade die Tradition mit ihren alten Formeln verlangt. Vor allem ist es (bis auf wenige Ausnahmen) furchtbar humorbefreit!
Man kann ein wenig über die aufwendigen Effekte staunen, sicher. Es lässt sich auch kaum leugnen, dass Lee Cronin kurzweilig erzählen und einige äußerst schaurige, klassische Gruselszenen inszenieren kann. Die stärksten arbeiten dabei weniger mit Gewalt, sondern vor allem mit ihrer Akustik: Im Fahrstuhl flüstern ringsherum die Geister, Dämonen werden per Schallplatte mit donnernder, dröhnender Stimme beschworen. Doch können solche atmosphärischen Einzelmomente nicht darüber hinwegtäuschen, wie durchschaubar ein Gros populärer Horrorfilme inzwischen operiert.
Evil Dead Rise muss im regelmäßigen Abstand krampfhaft eine nostalgische Referenz an die Vorgängerfilme einflechten, damit die Fans befriedigt werden und hinterher über versteckte und offensichtliche Anspielungen in den Szenen fachsimpeln können. Ohne solche Erinnerungsmomente würde er gänzlich auseinanderbrechen. Und selbst das vermeintlich Neue, die beschriebene Familienkonstellation, könnte generischer kaum sein!
Irgendetwas mit Familie und Müttern, irgendetwas mit Trauma und fertig ist der Horrorfilm. Ein paar Ängste vor verdrängten religiösen Phänomenen gehen heute ebenfalls immer und so liefert ausgerechnet eine Jesus-Figur einen der ersten Schreckmomente in Evil Dead Rise. Schlussendlich ergibt Cronins Film eine unterhaltsame, aber blasse, ärgerlich berechnende Zusammensetzung und Adaption ikonischer Bilder. Sie beschwören einen alten Glanz, den sie selbst nie erreichen. Man kann hier erleben, wie ein vormals tatsächlich subversiver Independentfilm in konforme Stangenware verwandelt wird. Kein guter Evil Dead-Film, aber wahrscheinlich das perfekte Evil Dead-Produkt.