Everest – Ein Yeti will hoch hinaus

Abominable

USA 2019 · 97 min. · FSK: ab 6
Regie: Jill Culton, Todd Wilderman
Drehbuch:
Musik: Rupert Gregson-Williams
Kamera: Robert Edward Crawford
Die kleine Thunberg-Clique ist am Ziel

Same same but different

Bei dem seit Jahren kaum mehr zu bändi­genden Clash der Anima­tions-Studios und ihrem massiv erhöhten »Schlag­takt« verlieren kleinere Studios zunehmend den Anschluss, werden selbst kreative, unge­wöhn­liche und von Kritikern hoch­ge­lobte Produk­tionen wie Laikas Missing Link zu einer fast schon tragi­schen BOB (Box-Office-Bomb).

Um dieser Gefahr aus dem Weg zu gehen, scheint gerade abseits der großen Franchise-Produk­tionen wie Kung Fu Panda oder Drachen­zähmen, die egal was komme, ihre Zahlen einspielen, die Versu­chung groß, unbedingt den asia­ti­schen Markt und vor allem das chine­si­sche Ziel­pu­blikum mit einzu­binden. Das hat bei Warner Anima­tions Smallfoot über das Yeti-Thema gut funk­tio­niert und dürfte sich auch in Dream­Works Anima­tions Everest – Ein Yeti will hoch hinaus auszahlen.

Denn für Everest hat sich Dream­Works nicht nur das chine­si­sche Anima­tions-Studio Pearl mit ins Boot geholt, sondern erzählt erstmals auch dezidiert eine »chine­si­sche« Geschichte. Diese Geschichte ist zwar alles andere als neu – schließ­lich sind wir trotz unter­schied­li­cher kultu­reller Sozia­li­sie­rung ja doch alle Menschen –, geht es also auch in Everest mal wieder um die Probleme des Erwach­sen­wer­dens, fehlende Rollen­vor­bilder und die Über­win­dung von Außen­sei­ter­struk­turen über die Rettung eines noch viel größeren Außen­sei­ters und ist auch das (wie Smallfoot) eine Yeti-Geschichte und deshalb auch ziemlich vorher­sehbar, was passiert.

Doch da sich insbe­son­dere Kinder durch ihr erhöhtes »Amnesie-Potential« auszeichnen, dürfte die inhalt­liche Mittel­mäßig­keit kaum ins Gewicht fallen. Stärker dürfte hingegen punkten, dass es Everest gelingt, den chine­si­schen Kultur­raum mit großer Liebe und Detail­freude zu vermit­teln. Ange­fangen vom Essen (allein die animierten damp­fenden Baozi zu sehen, dürfte jedes Herz schon höher schlagen lassen), bis zu den großar­tigen Stadt­pan­oramen von Shanghai oder den spek­ta­ku­lären chine­si­schen Land­schaften und histo­ri­schen Sehens­wür­dig­keiten auf dem Weg zum Ziel, zeigt Everest hier ein China, das den wenigsten Kindern und Erwach­senen im Westen bekannt sein dürfte.

Da Everest ein klas­si­sches Road-Movie ist, bleibt aber nicht nur viel Raum für »Sehens­wür­dig­keiten«, sondern auch für die Entwick­lung der Charak­tere. Wie schon erwähnt, ist diese zwar bei den kind­li­chen Prot­ago­nisten nicht allzu über­ra­schend, erfüllt aber immerhin alle mora­li­schen Ansprüche, die man in unserer »Mobbing- und kapi­ta­lis­ti­schen Wildwest-Kultur« heute so hat: die Kinder wachsen an ihren Aufgaben, entwi­ckeln in der Krise Empathie für ihr Gegenüber und wehren sich wie Greta Thunberg gegen Erwach­sene, die Natur und Tier mit Stiefeln treten. Dabei entwi­ckelt sich dann auch die unsym­pa­thischste Erwach­se­nen­figur – eine Mischung aus Trump und Scrooge – zu etwas, mit dem wohl niemand gerechnet hätte und wird damit zur schönsten Über­ra­schung dieses völlig familien- und kultur­kom­pa­ti­blen Films.