USA 2016 · 117 min. · FSK: ab 12 Regie: Richard Linklater Drehbuch: Richard Linklater Kamera: Shane F. Kelly Darsteller: Blake Jenner, Zoey Deutch, Ryan Guzman, Glen Powell, J. Quinton Johnson u.a. |
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Leichtfüßig, entspannt, autobiografisch |
Dass Filme auch dann packend sein können, wenn nur wenig Handfestes geschieht, zeigen die Werke des amerikanischen Indie-Regisseurs Richard Linklater. Besonders seine vielfach prämierte Coming-of-Age-Studie Boyhood, die über einen Zeitraum von 12 Jahren entstand und sich in unterschiedliche Lebensabschnitte des heranwachsenden Protagonisten einklinkt. Clevere Wendungen und ausgeklügelte Plot-Verästelungen sucht man dort vergebens. Vielmehr hat es den Anschein, als schaue man dem Leben bei seiner Entfaltung zu. Nebensächlichkeiten rücken in den Fokus. Kleine Momentaufnahmen erhalten ungeahnte Tiefe. Und das vermeintlich Belanglose wirkt auf einmal ehrlich berührend. Seinen Ruf als Meister alltäglicher Stimmungen zementiert Linklater auch mit Everybody Wants Some!!, einer leichtfüßigen, entspannten, autobiografisch gefärbten Hochschulkomödie, die – laut eigener Aussage – durchaus im Zeichen seines kultigen Highschool-Streifens Confusion – Sommer der Ausgeflippten steht.
Viel kann ein Regisseur nicht falsch gemacht haben, wenn man als Zuschauer am Ende eines Kinofilms wehmütig, um nicht zu sagen traurig Abschied von den Hauptfiguren nimmt. Genau dieses Gefühl stellt sich in Everybody Wants Some!! nach einem wunderbar unspektakulären Schlussbild ein. Zuvor erkunden wir gemeinsam mit dem College-Neuling Jake (Blake Jenner) drei Tage vor Beginn der Lehrveranstaltungen die aufregende Welt in einer texanischen Uni-Stadt im Sommer des Jahres 1980. Als Mitglied der hochschuleigenen Baseballmannschaft kommt der talentierte Pitcher im Haus seiner Teamkollegen unter und bricht schon kurz nach seiner Ankunft mit dem wortgewandten Finnegan (Glen Powell) und dessen Kumpel zu einer Spritztour auf. Bevor das Semester richtig losgeht, lassen es die Studenten noch einmal krachen und führen Frischling Jake in das wilde Partyleben ein.
Linklaters von starren Erzählregeln befreiter Ansatz drückt sich schon in der romantischen Nebenhandlung aus, die der Film im Anfangsteil etabliert. Jake begegnet dort der hübschen Beverly (Zoey Deutch) und hinterlässt ausgerechnet dank seiner zurückhaltenden Art einen bleibenden Eindruck. Was den Beginn einer klassischen Liebesgeschichte samt den üblichen Missverständnissen anzukünden scheint, entwickelt sich jedoch ein wenig anders als gewohnt. Eine ganze Weile spielt der Beverly-Strang keine große Rolle mehr, bis sich Linklater irgendwann die Zeit für eine unaufgeregte, sympathisch-verschüchterte Annäherung nimmt. Statt großer Gesten bekommen wir in einer witzigen Split-Screen-Sequenz einen verspielten Flirttanz zu sehen.
Das Herzstück des spritzig inszenierten College-Films ist die Dynamik innerhalb der Sportlertruppe, die sich aus zahlreichen schillernden Charakteren zusammensetzt. In manchen Fällen setzt Linklaters Drehbuch vielleicht zu sehr auf grobe Striche. Ein wunderbar harmonierendes Ensemble sorgt allerdings dafür, dass die Überzeichnungen rasch von einer anderen Erkenntnis überlagert werden: Hier haben wir es nicht mit schablonenhaften Kopfgeburten, sondern mit lebensechten Handlungsträgern zu tun. Jungen Männern, die die Freiheit des Uni-Daseins zelebrieren, sich in albern-lustigen Wettkämpfen messen und fortlaufend nach Frauen Ausschau halten. Obwohl Everybody Wants Some!! einiges an Alphatiergehabe bemüht und nicht auf genretypische Partyexzesse verzichtet, hebt sich die Komödie spürbar von vielen banalen US-Collegefilmen ab, deren Ausgelassenheit eher plump beschworen wird. Linklater setzt auf eine genaue Beobachtung, verweilt immer wieder in Situationen, die uns mehr über die Baseballspieler verraten, als auf den ersten Blick ersichtlich ist, und unterschlägt bei aller Feierlaune nicht das Unbehagen vor dem Ernst des Lebens.
Dass Everybody Wants Some!! keine Langeweile aufkommen lässt, liegt auch an der umsichtigen Musikauswahl und dem liebevollen Kostüm- und Maskenbild, mit denen Linklater und seine Crew das Publikum in das Jahr 1980 entführen. Eine Zeit wie gemacht für die eigenwillig-liebenswerten Figuren, deren naiv-draufgängerische Art auch diejenigen mitreißen dürfte, die ihre Jugendzeit schon länger hinter sich haben.