USA 1973 · 134 min. · FSK: ab 16 Regie: William Friedkin Drehbuch: William Peter Blatty Kamera: Owen Roizman Darsteller: Ellen Burstyn, Max von Sydow, Lee J. Cobb, Linda Blair u.a. |
Man war sich fremd geworden im eigenen Land: Kaum noch aus einem desaströsen Krieg hervorgegangen, dem selbst Patrioten schwer irgendetwas Sinn- und Ehrenvolles abgewinnen konnten, und schon mitten in einem Skandal, der den letzten Glauben an die Unfehlbarkeit des Präsidenten zerstören sollte. 1973 war kein gutes Jahr in Amerika. Und dann diese Jugend! Dass es da nicht mit rechten Dingen zuging, als sie sich die Haare wachsen ließen, schmuddelig herumliefen, seltsame Drogen einwarfen und Musik hörten, in einer Sprache redeten, die man nicht mehr verstand – das hatte man schon in den 60ern geahnt. ‘73, nach Hell’s Angels und Charles Manson, war es bereits Gewissheit, dass da der Teufel die Finger im Spiel hatte.
Da kam dieser Film – und er brachte es auf den Punkt: Es ist was faul in Washington D.C.; etwas, das mit fremden Dingen aus dem Ausland zu tun haben mag; etwas, dem unser säkularisiertes, technisiertes, rationales Zeitalter nicht beikommen kann – und etwas, das uns die Kinder wegnehmen will. Linda Blair als Regan in einer Art Turbo-Pubertät, mit der schlimmsten Akne der Filmgeschichte, aufsässig, obszön, rebellierend gegen die schöne Fassade von Wohlstand und Glück. (Und mit alleinerziehnder Mutter – die Familie haben sie auch schon kaputt gemacht, die dämonischen Kräfte der Zeit.)
William Friedkin spielt in The Exorcist nicht nur mit diesen Ängsten, bedient sie nicht nur (tut dies aber gerne auch schamlos), sondern legt sie offen, benennt sie. (Und sagt auch gleich, was im Rahmen eines Mainstream-Films möglich ist: Regans Mutter, Filmschauspielerin, dreht an einem Film über Studentenproteste – den sie »eine Art Disney-Version der Stalin-Ära« nennt.) Ihn haben damals die zeitaktuellen Aspekte deutlich mehr interessiert als die tiefkatholische, metaphysische Diskussion um Gut und Böse, die das Hauptaugenmerk von William Peter Blattys Romanvorlage war. Wenn Friedkin damals Zugeständnisse ans Studio machte, dann waren es offenbar immer diejenigen, die sich der Lesart in den Weg stellten, dass das alles eben doch eine Psychose der Beteiligten und kein satanischer Spuk ist. Friedkin wäre wohl eher mit weniger Übernatürlichem zufriedener gewesen.
Es hat also seinen guten Grund, dass die Version von The Exorcist, die jetzt in unsere Kinos kommt, in Amerika nie als »Director’s Cut« apostrophiert wurde, sondern als »Version you haven’t seen before«. Denn mit dem Willen William Friedkins 1973 hat die verdammt wenig zu tun. 11 Minuten sind »neu« – ausgewählt aus einem Outtake-Reservoir, in dem man auch beliebig anders hätte fündig werden können (und es z.B. für die »25th Anniversary«-DVD
wurde).
Ihr Sinn ist es zunächst einmal schlicht, einen selling point zu bieten, ein Verkaufsargument, die Leute in einen Film zu bekommen, den die meisten schon kennen. (Ebenso wie die runderneuerte, auf 6-Kanal-Digital aufgeblasene Tonspur – überflüssig wie drei Kröpfe: Dauernd muss sie mit Raumeffekten und aufdringlichem Brimborium hubern, damit wir auch ja hören, dass sie da und neu und anders ist. Auf Kosten eines der genialsten, ausgetüftelsten
Sound-Designs der Filmgeschichte, das ‘73 seiner Zeit klar voraus war und mindestens die Hälfte zur Erzeugung des Horrors beitrug.)
Dennoch zeigen die neu eingefügten Schnipsel insgesamt eine Tendenz, die Sicht des Films in eine andere Richtung zu lenken: Verstärkt wird der Konflikt zwischen (hilfloser) Wissenschaft und (wiederzufindendem) Glauben. Und viel deutlicher wird das Böse zur wahrhaft übernatürlichen Macht von außen. Regan läuft rückwärtsgebeugt im
Spinnengang die Treppe herunter und spuckt Blut; die Fratze, die gelegentlich für Sekundenbruchteile als mögliche Vision Regans zu sehen ist, wird nun nur für uns sichtbar in einer Szene in der Küche über der Dunstabzugshaube eingeblendet, ähnlich die Statue aus dem Irak, die wir (und nur wir) im Dunkel von Regans Zimmer schemenhaft ausmachen können. Die Priester dürfen ein bisserl über das Böse disputieren. Und am Ende steht nun als Fokus nicht mehr Regan, sondern die
quasi-allegorische Verbrüderung von Priester und Polizist, geistlicher und weltlicher Macht. Zurück zum Kirchenstaat, heißa juchhee!
Damit ist The Exorcist in seiner neuen Version freilich wieder ein Film für seine Zeit geworden – das alles passt prima zum neokonservativen Staat mit christlich-fundamentalistischen Ambitionen, der derzeit in den USA unlustige Urständ feiert. Kein Wunder, dass der Streifen am Start-Wochenende die meisten aktuellen Produktionen an der Kinokasse hinter sich ließ. Was ihm freilich nun fehlt, gegenüber seiner ursprünglichen Inkarnation, ist, dass er auch bewusster Kommentar zur Zeit ist. Da nur hinzugefügt, nicht geschnitten wurde, ist zum Glück nichts von dem verloren gegangen, was William Friedkin unter Blattys Mär vom verlorenen Glaubens-Sohn gemischt hat. Es werden nur die Gewichtsverhältnisse verschoben, die Fäden anders gewoben. Ein besserer Film ist The Exorcist dadurch (und besonders durch die verhunzte Tonspur) gewiss nicht geworden. Aber einer, dessen heimliche Kern-Botschaft noch immer (bzw. schon wieder) stimmt: Satan geht um in Washington D.C.