USA 2010 · 104 min. · FSK: ab 18 Regie: Sylvester Stallone Drehbuch: David Callaham, Sylvester Stallone Kamera: Jeffrey L. Kimball Darsteller: Sylvester Stallone, Jason Statham, Jet Li, Dolph Lundgren, Eric Roberts u.a. |
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Jet Li, Jason Statham, Sylvester Stallone, Randy Couture, Terry Crews (von links) |
35 Millionen Dollar Einnahmen schon am ersten US-Wochenende: Sylvester Stallones The Expendables ist der Überraschungshit dieses Kinosommers. Ein Revival des Stils, der Werte und der Ästhetik der Action-Filme der 80er Jahre, das zugleich als Reflexion von Männlichkeit im Zeitalter der Feminisierung der Gesellschaft und der »Männlichkeitslücken« (not my words) daherkommt. Weibliche Werte beschränken sich in The Expendables tatsächlich auf Oberweiten. Stattdessen gibt sich der Film rollig prollig, ignoriert die Verunsicherung des Mannes in der postmodernen Dauerkrise, und feiert Männer, die im Stehen pinkeln. Aber das ist dann doch nicht alles.
Ist dieser Film ein Indiz für die Rückkehr der Helden? Für das Ende der neuen Männer und der Aufstand der alten? Für Amerika in der Krise? Alles irgendwie richtig, und alles in diesem Fall riesiger Bullshit. Um zu erklären, warum dieser Film bei seinem US-Start so ein Erfolg ist, dazu braucht man ausnahmsweise keine großen Theorien. Man muss einfach nur auf die Besetzungsliste schauen: Sylvester Stallone, der auch das Drehbuch schrieb und Regie führte, Jason Statham, Jet Li, Dolph Lundgren in den Titelrollen, Mickey Rourke, Bruce Willis und Arnold Schwarzenegger in kleinen selbstironischen Nebenauftritten – jeder, der seine Jugend in den 80er und frühen 90er Jahren verbrachte, und auch nur mit einem Hauch von Nostalgie an jene Zeit zurückdenkt, als man den Begriff »virtuell« noch nicht kannte, bei »Postmoderne« an moderne Post dachte, und das Wort Actionfilm noch bedeutete, dass es viele Explosionen, zerborstenen Stahl und verschwitzte Männermuskeln zu sehen gibt, muss in diesen Film gehen, und wird ihn mögen.
Schon wahr: Das Ganze ist ein Riesenunsinn, die Handlung ist so primitiv, wie politisch reaktionär, die Witze sind nicht gut und die Musik schlecht. Aber darum geht es ja gerade: The Expendables ist kein Film aus dem Jahr 2010, in dem er entstand, er ist in Wahrheit eine Flaschenpost aus den 80ern, als solche Filme noch das Maß aller Dinge bildeten, und nicht sofort im DVD-Verleih verschwanden. Als Ronald Reagan noch im Weißen Haus gegen das rote Reich des Bösen kämpfte und Sylvester Stallone abwechselnd »Rocky« und »Rambo« war. Wie Rambo gehört auch dieser Film zum weitgehend ausgestorbenen Genre des Söldner- und Kommandofilm, in dem eine Gruppe Männer einen Auftrag bekommen, und den irgendwo in der Ferne erledigen. Schon die Werbezeile illustriert, wes Geistes Kind die Macher sind, und für welche Geisteskinder dieser Film gemacht ist: »Das einzige, was sie im Leben kennen, ist der Kampf. Die einzigen Menschen, denen sie vertrauen, sind sie selbst.« Ja, genau! Um zu merken, wie dumm das alles ist, muss man vielleicht die deutsche Synchronisation angucken. Auf Englisch klingt auch Schwachsinn halt um Einiges besser.
»The Expendables« heißt wörtlich keineswegs so eindeutig, wie die Süddeutsche übersetzt »die Entbehrlichen, die Aussortierten, zur Entsorgung Freigegebenen«, sondern doch eher »die Verschleißbaren«. Also die noch nicht Verschlissenen. Sie sollen es erst Mission: Impossible werden. So nennt sich eine Gruppe von Kampf-Spezialisten, Söldnern, die in diesem Fall im Dienst des US-Geheimdienstes besondere unmögliche Aufträge erledigen – ein wenig wie in Mission: Impossible, aber mit weniger Technik und mehr Körpereinsatz. Typisch 80er eben.
Dieser Film ist das Gegenmodell zu den ganzen Reinheitsdiskursen, die, initiiert von der Lobby der Gesundheits- und Ernährungsindustrie, die die westlichen Gesellschaften zur Zeit in neue Puritanismen drängen und Gewissheit in Zeiten der Unsicherheit versprechen: Sie rauchen und trinken, sie malträtieren ihren Körper, sie sind keineswegs unverwundbar. Sly und seine Jungs sind eben expendable, sie sind sterblich, und deswegen ist dieser Film eine Feier von Kraft und Leben. Denn vor dem Tod will man noch seinen Spaß haben. Spaß mit Freunden: Das erste Drittel des Films ist reines Buddy-Kino; Stallone spielt dabei wunderbar mit dem Starsystem: Bruce Willis, Arnold Schwarzenegger und er selbst treffen sich in einer Kirche: Die heilige Dreifaltigkeit des Action-Kinos.
»Die Leute nennen es eine ironische Hommage an alte Zeiten, aber ich weiß es einfach nicht besser.«- Sylvester Stallone
Daher ist das auch keineswegs »ironisch« gemeint, wie etwa Clint Eastwoods altbackene Prostata-Party in Space Cowboys, sondern ein rustikaler und rustikal inszenierter Testosteronspielplatz, in dem der Zugang für jede Art Selbstreflexion strengstens verboten ist. Wie Stallone selbst ist dieser Film also ein Action-Dinosaurier: Es geht um Männer ohne Nerven und ohne viel Verstand, die aus treudoofem Patriotismus und verschlissenen Ehrbegriffen heraus – die man übrigens schon in den 80ern nicht mehr glaubte – die Drecksarbeit für die CIA erledigen. Also zum Beispiel Piraten vor der somalischen Küste jagen, oder wie im Film schurkische lateinamerikanische Diktatoren töten. Letzteres ist – seien wir ehrlich und denken an Hugo Chavez – bis heute der feuchte Traum aller US-Konservativen, nur haben sich die Zeiten eben doch ein wenig geändert.
Deswegen kann man das alles heute nicht mehr ernst nehmen, muss sich also auch politisch gar nicht darüber aufregen, dass die Botschaft – wenn der Film auch nur eine versteckte hätte – erzreaktionär und gewaltverherrlichend ist. Wäre das richtig, wäre auch Donald Duck gewaltverherrlichend, und Onkel Dagobert ein Reaktionär. Nein, nein...
Trotzdem wird um den Film jetzt eine Art theoretische Debatte um die Leiden des Mannes gewunden. Wenn man sich dann aber einen frühen Trailer zum Film anschaut, den sogenannten »Call to Arms«-Trailer, dann erkennt man, dass diese Debatte sehr geschickt vom Verleih geschürt wurde und einen Teil der Marketingstratege des Films darstellt.
Der Trailer ist gleichzeitig völlig ernst gemeint, wie zugleich ganz und gar ironisch zu verstehen:
»Gentlemen/, while you've been at home/ noon tubing total strangers/ duct taping 40’s to your hands/ you've been handing the keys to Hollywood/ to teenage girls/ and G.N.O./ Julia Roberts may be the final blow/ Eat, Pray, Love/ Women adore the book/ Ophra swears by it/ August 13 the movie arrives/ August 13 is our last chance/ August 13 we take back what’s ours/«
Es folgt dann eine Kaskade von Faustschlägen, Geballer, Messerwürfen, und Autobewegungen. Weiter heißt es:
»This summer the only men/ you are allowed to love/ are together at last/ Sly, Bruce, Arnold, Rourke, Stratham, Dolph, Jet/ August 13 you will see this movie/ not off your torrents/ in a fucking theater/ where violence belongs/ if we don’t?/ if this loses to eat, pray, love?/ you/ don’t/ deserve/ to be/ a/ man./«
Zum Verständnis muss man vielleicht noch hinzufügen: Eat Pray Love heißt ein anderer neuer Film, er in den USA zeitgleich startete. In ihm spielt Julia Roberts die Hauptrolle, eine Art Sylvester Stallone des Romantic Drama.
In einem ziemlich arroganten Text zum Deutschlandstart analysiert die Tante Zeit, der in jeder Zeile anzumerken ist, dass sie mit Stallone nichts anfangen kann, zwar dessen angebliche Psyche im Stil der Bild-Zeitung: »Nach zwölf Schulwechseln landet er in einer Einrichtung für schwer erziehbare Kinder. Einmal läuft der Junge Amok und zerbeult ein Dutzend Autos in der Nachbarschaft. Im Grunde hat dieser Amoklauf nie aufgehört, auch nicht auf der Leinwand.«, liefert aber nicht einmal Alibi-Gründe für die steile These bei diesem Film handle es sich um »ein letztes Aufbäumen des physischen Kinos.« Als ob die unphysische Postmoderne ewig dauerte.
Aber wie gesagt: Sinn und Zweck dieses Films liegen vor allem in seiner Nostalgie, aber nicht allein darin, dass hier angeblich irgendwelche Männer unter sich sind: Es gibt glücklicherweise, außer in den neuen Bundesländern, und in Vierteln mit überproportionalem Migrantenanteil, kaum Sechzehnjährige, die so sein und sich so aufführen wollen, wie Sylvester Stallone es tut. Andererseits wollen pubertierende Jungs logischerweise keine pubertierenden Jungs als Projektionen ihrer selbst, sie wollen »echte Männer« sehen, beziehungsweise was sie dafür halten. Das wollen allerdings ganz offenkundig auch die Frauen, zumindest so lange sie nicht bei der Zeit Filmkritiken schreiben: Trotz (oder wegen?) des beschrieben Große-Jungs-Marketings lag in den USA am ersten Wochenende der Anteil der männlichen Besucher von The Expendables nur bei 60 Prozent. Und genau deshalb ist der Film erfolgreicher als Eat Pray Love, in dem umgekehrt noch nicht mal jeder dritte Zuschauer ein Mann ist.
Der Sinn von The Expendables liegt zum einen darin, dass Stallone und andere mal wieder auf der Leinwand zu sehen sind, und tun, was sie am besten können. Der Sinn ist auch, dass Stallone sichtlich viel Spaß hatte, und zeigt, was heutige Actionstars wie selbst Salt/Angelina Jolie nicht können. Denn sie – einstweilen jedenfalls – kein Mann. Mit anderen Worten: Dies ist eine schöne nostalgische Zeitreise, ein wunderbarer Film, der genau das und nicht mehr sein will, was er ist – und falls man schon immer fand, das Stallone als Schauspieler unterschätzt ist, kann man das auch nach diesem Film wieder verkünden. Das wir das noch erleben durften!