USA 2005 · 119 min. · FSK: ab 12 Regie: Scott Derrickson Drehbuch: Scott Derrickson, Paul Harris Boardman Kamera: Tom Stern Darsteller: Laura Linney, Tom Wilkinson, Campbell Scott, Jennifer Carpenter, Colm Feore u.a. |
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Wahrheit oder Trugbild? |
Pater Moore steht vor Gericht. Die Anklage lautet auf Exorzismus mit Todesfolge an der Studentin Emily Rose. Dem Mädchen waren Epilepsie und eine Psychose diagnostiziert worden. Doch der Pater war anderer Ansicht: Überzeugt, dass hier Dämonen am Werk seien und Medikamente wirkungslos, nimmt er einen Exorzismus vor – das Mädchen stirbt. Seine Verteidigung übernimmt die ambitionierte Anwältin Erin Brunner, der bald auch einiges zustößt, was schwer auf die Heimsuchung durch einen Dämon hinweist: Ihre Armbanduhr bleibt nachts um drei stehen, es riecht nach Rauch, doch auf dem menschenleeren Gang ist: -nichts.
Der Film ist zum einen ein Gerichtsfilm: Er enthält lange Plädoyers und Zeugenaussagen, die durchaus fesseln und die Frage aufwerfen, welcher Partei man Glauben schenken würde. Zum anderen ist er ein Horrorfilm: In vielen Rückblenden wird die Zerrüttung der Emily Rose durch böse Mächte nachbebildert, in der fortlaufenden Erzählung sollen die Nächte der Anwältin schocken – und das tun sie auch. Regisseur Scott Derrickson, der mit Wim Wenders die Story von Land of Plenty entwickelte und Hellraiser: Inferno inszenierte, versteht sein Handwerk. Wenn der Regen peitscht und harmlose Passanten Fratzen anstelle ihrer Gesichter, zeigen, dann ist das durchaus erschreckend, erschreckender als vieles, was man sonst zu sehen bekommt.
Besonders verstörend wirkt dabei jedoch, dass allessich, wirklich so zugetragen haben soll: Der Film will auf wahren Begebenheiten basieren. Darauf beharrt der Film unentwegt, untermauert dies in der Pressenotiz sowie im Ab- und Vorspann.
Natürlich ist es ein erlaubter Kunstgriff, dass der Regisseur die Wirkung seines Films durch diesen dramaturgischen Kniff erhöht. Tatsächlich funktioniert das auch. Der Zuschauer steht schnell auf der Seite der Nichtrationalisten, die hier als ausgesprochen glaubwürdig wirken. In einer Szene führt der Pater ein Tonband vor, das er mitgeschnitten hat, als er versuchte, dem Mädchen den Teufel auszutreiben. Für die Geschworenen im Saal ist das nur mäßig überzeugend, denn so eine Aufnahme ist leicht manipulierbar. Der Zuschauer im Kino weiß mehr, weil er es nicht nur hören muss, sondern vor allem gezeigt bekommt, wie die Pferde im Stall durchgehen und plötzlich Schlangen von der Decke fallen.
Jeder Horrorfilm versucht tief im Menschen die Urangst aufzuspüren und ihn dort zu packen. Wenn er das schafft und den Zuschauer so weit bringt, sich zwei Stunden gequält im Sessel zu krümmen, dann ist er gut – und diesem Film gelingt es.
Der Exorzismus von Emily Rose rührt jedoch an eine problematische Stelle: das Infragestellen wissenschaftlicher Erkenntnis durch religiöse Überzeugungstäter. Hauptproblem des Filmes ist, dass er unentwegt darauf hinweist, auf realen Begebenheiten zu basieren. Doch in diesem Fall ist der sonst legitime Kunstgriff ausgesprochen heikel: Tatsächlich starb in den Siebzigern ein junges Mädchen an den Folgen einer Teufelsaustreibung – der Exorzist kam vor Gericht. Damals wie im Film ging um ein Mädchen mit psychischen Problemen. Eine junge Frau, die sich, als ihr die Schulmedizin nicht helfen konnte, in ihrer Not an einen fundamentalistischen Geistlichen wandte, der sie mit Ave Maria, Weihwasser und abergläubischem Hokuspokus kurieren wollte.
Das könnte auf fruchtbaren Boden fallen: Auch heute hat abergläubischer Bibelwahn Hochkonjunktur. Da gibt es die Schlagzeilen über eine Familie, deren Kind gestorben ist, weil die Eltern es nicht behandeln lassen wollten – aus religiösen Motiven. Oder man denke an die Debatte, die Kreationisten in den USA ausgelöst haben: Menschen, die behaupten, eine Evolution habe es nie gegeben, Gott habe alles Leben in sieben Tagen erschaffen, und Darwin sei ein Scharlatan und Schwätzer, werden dort überraschend ernst genommen. Als unfreiwilliges Propagandamaterial für Zivilisationsgegner.
Derrickson spielt mit diesen Positionen und Emotionen, er ist zu virtuos, um sich von einer Seite einspannen zu lassen und Wasser auf deren Mühlen zu leiten. Fragwürdig bleibt, ein solches Thema in dieser Weise aufzugreifen: Hier wird die Tragödie eines Menschen zum Horrorfilm verwurstet.