Deutschland/DK 2005 · 90 min. · FSK: ab 12 Regie: Christoph Hochhäusler Drehbuch: Christoph Hochhäusler Kamera: Christoph Hochhäusler Darsteller: Constantin von Jascheroff, Manfred Zapatka, Victoria Trauttmansdorff, Nora von Waldstätten u.a. |
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Sichtbar werden: Constantin von Jascheroff als Armin |
Eine bittere Komödie, sarkastisch an vielen, traurig an wenigen Stellen, immer angenehm desillusionierend: Es beginnt mit einem fast schwarzen Bild. Wenn man sich an das Dunkel gewöhnt hat, sieht man die Landschaft einer Autobahn bei Nacht. Lichter der vorbeifahrenden Autos blitzen auf, und in ihnen erkennt man allmählich einen jungen Mann: Armin, die Hauptfigur von Falscher Bekenner. Wie er da allmählich sichtbar wird, das ist fast schon die ganze Geschichte dieses Films, in dem es ums sichtbar-werden geht, auch in einem allgemeineren, viel weiteren Sinn.
Armin, das begreift der Zuschauer schnell, ist orientierungslos. Nach seinem Realschulabschluß weiß er nicht wohin. Er schreibt lustlos Bewerbungen – und die darauf folgenden Bewerbungsgespräche gehören in ihrer realitätsnahen Absurdität zu den komischsten Passagen im deutschen Kino der letzten Jahre. Armin hat sich auch in ein hübsches Mädchen verguckt, aber seine Annäherungsversuche bleiben diffus und hilflos. Er lügt seine Umgebung an. Er schreibt anonyme Briefe, in denen er sich zu Taten »bekennt«, die er nicht begangen hat. Er träumt sich in sexuelle Abenteuer mit einer anonymen Motorradgang hinein. Er ist, auch darin verspätet, vielleicht ein ferner Verwandter jener »Generation X« der Slacker und trägen Herumhänger. Aber noch zum Selbstmord oder Amoklauf scheinen ihm außer der Energie auch die Gründe zu fehlen.
Man kann all das nun als spätpubertäre Krise abtun. Man könnte über unsere soziale Lage in Zeiten von Wirtschaftskrise und Hartz IV räsonnieren, und über die Verlogenheit jenes derzeit modischen Geredes, man müsse »die Familie stärken«. Denn Armins Familie ist intakt, fürsorglich und überdies wohlhabend. All das ändert gar nichts, die Fürsorge macht alles, wenn überhaupt sogar noch schlimmer.
Hochhäuslers Film reicht über derartige Momentaufnahmen deutlich hinaus: In ruhigen Einstellungen voller Beobachtungsfreude und illusionslos erzählt, hervorragend gecastet – vor allem Hauptdarsteller Constantin von Jascheroff, Devid Striesow, Manfred Zapatka und Viktoria von Trauttmansdorff stechen hervor – ist Falscher Bekenner das sehr präzise Portrait der aktuellen Verhältnisse, hinter dessen Düsternis die Sinnlosigkeit und Absurdität des Lebens spürbar wird, nicht die einer »sozialen Lage«. Dabei atmet Armin Lustlosigkeit und Ungerührtheit, sein Hang, sich dem Gegebenen oder den Anderen zu unterwerfen, viel Gegenwart. Sie ist beklemmend repräsentativ für eine verlorene Generation ohne Eigenschaften und einen neuen Nihilismus, der unsere Epoche erst zu prägen beginnt. Hochhäusler legt nahe, dass diese Generation für alles Mögliche bereit und darum auch weit gefährlicher ist, als es den Anschein hat. Ein Dunst von Apokalypse und gewalttätigem Ausbruch – faschistisch oder terroristisch verbrämt oder doch ins Spießertum implodierend – liegt über allen Handlungen dieser Hauptfigur.
Insofern geht Hochhäuslers Film, einer der besten deutschen Filme der letzten Jahre, auch noch ein Stück über seinen hervorragenden Erstling Milchwald und über Schläfer von seinem Kollegen Benjamin Heisenberg hinaus: Die Depression ist bei ihm nichts, was zur Katharsis führt, man kann ihr nicht mehr entkommen. Es wird einfach so weitergehen.