Österreich/Deutschland 2007 · 98 min. · FSK: ab 12 Regie: Stefan Ruzowitzky Drehbuch: Stefan Ruzowitzky Kamera: Benedict Neuenfels Darsteller: Karl Markovics, August Diehl, Devid Striesow, Martin Brambach, August Zirner u.a. |
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Geldfälschen als geheime Reichssache |
Stefan Ruzowitzkys Die Fälscher ist nicht der erste KZ-Film. Aber einer der ungewöhnlichsten. Denn er zeigt die Ausnahme von der Regel: Häftlinge, die gut ernährt und hygienisch untergebracht waren, um deren Überleben sich die Nazis bemühten. Denn die titelgebenden »Fälscher« waren Experten im Bereich der Geld- und Dokumentenfälschung. Das NS-Regime bildete aus ihnen eine Sondereinheit, deren Hauptzweck die Herstellung falscher Devisen zur Kriegsführung war. Das Dilemma: Nach erfolgreicher Fälschung droht ihnen der sichere Tod – schon aus Geheimhaltungsgründen. Der in seiner Machart konventionelle Film stellt an Geschichte und Kino mehr gute Fragen, als er richtige Antworten findet, ein interessanter, sehenswerter Film also, mit erheblichen Mängeln.
Es ist durchaus nicht alles gelungen in Stefan Ruzowitzkys Film, aber vor jeder Kritik muss man feststellen, dass Die Fälscher zu den spannendsten und interessantesten unter jenen Spielfilmen gehört, die in den letzten Jahren Geschichten aus der Zeit des Nationalsozialismus fürs Unterhaltungskino aufbereiten. Nicht weniger als in Der Untergang oder Sophie Scholl werden hier tatsächliche Ereignisse faktengetreu nacherzählt, doch im Gegensatz zu den letzten Tagen in Führerbunker und Gestapo-Keller sind die Protagonisten nicht weltberühmt. Und auf Didaktik, aufs argumentative Verständlichmachen politisch-moralischer Standpunkte, auf »ernsthaft« daherkommende Wortwechsel und Debatten gar zwischen Opfern und Tätern, wie man sie auch in Der neunte Tag und Napola erleben musste, als gäbe es hier überhaupt ernsthaften Diskussionsbedarf, als könne es für Völkermord und Kriegsverbrechen Argumente geben, die irgendwie einer Beachtung wert wären, verzichtet der Regisseur ganz – vielleicht weil er Österreicher ist, besitzt Ruzowitzky (Anatomie, Anatomie 2, All the King’s Men) über weite Strecken wohltuende Distanz gegenüber der Art von thematischem Zugang, wie sie das deutsche Beflissenheitskino unterschiedlichster Couleur mit seinen Salonnazis und Melowiderständlern praktiziert: Er zeigt Verbrecher einfach als Verbrecher, und ihre Opfer müssen umgekehrt keine besonders guten Menschen sein, damit Rassismus und Willkür zum Unrecht werden, damit es verboten ist, sie zu drangsalieren, zu foltern, zu töten.
Die Fakten des nationalsozialistischen »Unternehmen Bernhard«, die dem Film zugundeliegen, sind auf den ersten Blick nur unglaublich, bevor sie dann mehr und mehr den Betrachter fesseln: Von 1942 bis 1945 unterhielt die SS im KZ Sachsenhausen eine professionelle Fälscherwerkstatt, zu der Häftlinge mit besonderen Begabungen, vom Kunstmaler über den Bankier, über Druckexperten und Chemiker bis hin zu professionellen Geldfälschern, rekrutiert wurden. Man hielt sie unter vergleichsweise privilegierten Bedingungen – Straßenkleidung, gutes Essen, Wasser, Seife –, doch bei Nichterfüllen der Vorgaben waren sie mit prompter Hinrichtung bedroht, ebenso wie paradoxerweise im endgültigen Erfolgsfall – weshalb man die Fälscher überhaupt unter KZ-Häftlingen aussuchte. Denn die Aufgabe war neben der Herstellung falscher Ausweise, Formulare und Briefmarken in erster Linie die »geheime Reichssache« der Fälschung fremder Währungen, um dem NS-Regime die während des Krieges äußert knappen, doch um so dringender benötigten Devisen zu beschaffen und zugleich die Währung der Kriegsgegner zu destabilisieren. Der größte Coup gelang 1944 mit der perfekten Fälschung britischer Pfundnoten in hundertdreißigfacher Millionenhöhe. Die Herstellung falscher US-Dollars gelang dagegen erst kurz vor Kriegsende zu spät für den »Endsieg« – vor allem, weil die Häftlinge selbst deren Fortschritt sabotierten, um ihren potentiellen Mördern nicht in die Hände zu spielen.
Erzählt wird diese spannende Geschichte im Film anhand von drei Figuren: Im Zentrum steht Sally Sorowitsch (Karl Markovics), ein schlitzohriger Lebemann, der vor dem Krieg als »Berliner Fälscherkönig« bekannt wurde und einer realen Person namens Smoljanov zumindest nachempfunden ist. Er sagt »Lieber morgen ins Gas, als heute erschossen werden. Ich wird' den Nazis nicht die Freude machen, dass ich mich dafür schäme, dass ich noch lebe.« und steht auch moralisch in der Mitte zwischen zwei Extremisten verschiedener Art: Dem SS-Mann Herzog, glänzend gespielt von Devid Striesow, der seine Figur als charmanten Teufel anlegt, zwischen Jovialität und Sadismus. Und dem kommunistischen Drucker Adolf Burger (August Diehl), der den Dollardruck um jeden Preis sabotieren will, und dafür sogar bereit ist, zu sterben. Der Konflikt zwischen dem Opportunist Sorowitsch und dem Idealist Burger, die Frage, ob man für das eigene Überleben den Preis zahlen darf, mit den Nazis zu kooperieren, bildet den moralischen Fokus des Films, ausgetragen in Gesprächen der Figuren. Wirklich entschieden wird sie allerdings nicht, dafür sorgt das Kriegsende. Dabei wäre das Austragen des Konflikts zwischen Häftlingen, vielleicht bis zur gegenseitigen Tötung, gerade interessant und letztlich ästhetisch wie moralisch die einzig mögliche Konsequenz.
Immer wieder ist in der Inszenierung stattdessen ein Grundkonflikt erkennbar. Denn spürbar lag Ruzowitzky viel daran, das Abenteuerliche und Spannende des Geschehens zu inszenieren und hier über das KZ auch einen klassischen Genrefilm zu drehen. Das merkt man besonders den Bildern (Kamera: Benedict Neuenfels) an: Ohne kalt zu sein, oder Exploitation zu werden, gleiten sie doch nie in die Betroffenheitsästhetik »wertvoller« oder »schöner« Bilder ab. Alles ist ein bisschen
roh und wild, auch mal dreckig.
»Dafür wie ich es gerade nicht machen wollte, gab es viele Vorbilder: Ich wollte weg von den optischen Klischees: entsättigte Farben, Blaugrau, das sieht oft wie schicke Werbeästhetik aus. Auch finde ich jede Mainstreamglätte hier unangemessen: Wenn alles perfekt ausgeleuchtet ist. Der Film sollte wie eine Reportage wirken, etwas Direktes haben.« (Stefan Ruzowitzky)
Mit Einfallsreichtum erzählt Ruzowitzky auch besonders die bizarren Details des KZ-Alltags der Fälschergruppe: Ein Pingpong-Tisch diente ebenso zur Unterhaltung wie Karnevalsabende, bei denen die Häftlinge auch für Unterhaltungsauftritte vor den Nazi-Offizieren zuständig waren, während ständige Operettenberieselung vor allem auch dazu nützte, eine Lärmwand zwischen Fälscherwerkstatt und Rest-KZ zu errichten.
Doch dazu, sich ganz auf den Abenteuerfilm zu konzentrieren, der in Die Fälscher steckt, hat sich Ruzowitzky leider dann doch nicht getraut, und darum geht dem Film nach etwa einer Stunde die Luft aus. Stattdessen beugt auch Die Fälscher vor dem Grunddilemma des KZ-Films – Was kann man zeigen? Und wie kann man es zeigen? – die Knie, und bestätigt damit letztlich dann doch Teile seiner Kritiker: Immer wieder macht der Film nämlich seinen moralischen Standpunkt allzu beflissen klar, betont das KZ als Ort des Grauens und des Todes und schildert die Leiden den Menschen ebenso naturalistisch wie bemüht. Aber er zeigt dies alles eben nicht. Indem wir Zuschauer hier vielmehr die Geschichte eines Sonderfalls im KZ erzählt bekommen und uns der Normalfall verborgen bleibt, errichtet der Film vielmehr einen Schutzzaun auch für uns Zuschauer. Das KZ wird ein normales Gefängnis, Die Fälscher zum normalen Gefängnisfilm mit verschiedenen Gefangenentypen und ihren mal gespannten, mal von Männerritualen und Knastmoral geprägten Beziehungen. Zwar weiß »man«, was geschah, aber man muss es nicht wissen, und weil man zur Erinnerung und Vergegenwärtigung nicht gezwungen wird, kann man es auch schnell vergessen.
Stattdessen gleitet Die Fälscher mehr als einmal ab in die Biederkeit eines sentimentalisierenden Melodrams. Dazu gehören die recht bemüht und im Prinzip äußert berechnend am Anfang eingeführten Frauen, eine »typische 20er-Jahre«-Tanzszene und zwei bisschen Sex. Das lässt sich alles wunderbar in die Trailer reinschneiden, weckt »Cabaret«-Assoziationen und hält das Publikum erstmal bei der Stange, während es durch allzu deutliche KZ-Tristesse doch eher in kassengiftige Depressionen versetzt würde. Und dennoch merkt man Ruzowitzky sein Desinteresse an dieser Einleitung an, ertappt sich selber bei dem Wunsch, der Film möge doch bitteschön zur Sache, die Hauptfigur also gefälligst endlich ins KZ kommen – ob das der Zweck des Ganzen ist?
Dazu gehört dann vor allem aber auch die Erzählklammer, die gleich zu Beginn Sorowitsch als KZ-Überlebenden nach Kriegende am Strand von Monte Carlo zeigt, und so mit dem Suspense der Überlebensfrage aus dem Abenteuerfilm gleich den größten Teil der Luft herauslässt. Und am Schluss muss der Fälscher noch die mitgebrachten Millionen in einer Nacht verspielen – zu der moralischen Ambivalenz, dass hier ein Opfer auch einfach der kleine Gangster sein und bleiben darf, der sich von schmutzigem Geld ein wunderschönes Lotterleben macht, kann sich das deutsche Kino einstweilen noch nicht durchringen. So erscheint – eindeutig wider Willen des Regisseurs – das KZ dann doch ein klein wenig als moralische Besserungsanstalt: Der Jude, damit er im deutschen Kino weiterleben darf, muss ein guter Jude sein, oder wenigstens von den Deutschen etwas fürs Leben gelernt haben.
Auch sonst wimmelt alles bei genauerem Hingucken von Stereotypen, was vielleicht nicht weiter schlimm wäre, würde der Film sich ihrer bewusst sein, mit ihnen spielen, sie ironisieren oder ausstellen. Aber nichts da: Die Juden als Intellektuelle, Schöngeister und vor allem als im Zweifelsfall opportunistische Überlebenskünstler mit Gaunermoral. »Ihr Juden: tricksen und fälschen, das könnt ihr.« Das sagt nicht nur ein Nazi im Film, das sagt irgendwie auch der Film selbst. Die Proleten sind dabei naturgemäß die Fähigeren, auf der Straße lernt man eben, wie man sich durchsetzt. Während der Kommunist vor allem viel quatschen kann, und seiner Klasse eher entfremdet als »bürgerliches Überbleibsel« (Engels) auftritt, das sich die Hände nicht schmutzig machen will. Die des Proleten sind es immer schon. Und letztlich bleibt es doch auch obszön, wenn am Ende Schauspieler ausgemergelte KZ-Häftlinge darstellen.
Ganz erheblich herausreißen tut das Ganze nur Devid Striesow als SS-Obersturmbannführer, der hier so glänzend ist, dass man es eben immer wiederholen muss. Und die besseren Sätze hat ihm das Drehbuch auch noch in den Mund gelegt: »Menschenführung – ein ganz großes Thema der Zukunft.« Oder: »Wenn man Menschen wie Dreck behandelt, werden sie keine Leistung bringen.« Oder: »Ich schlage meine Kinder niedie Kraft des Wortes ihnen das Richtige vorleben.« Oder er beginnt eine Ansprache einfach mit »Liebe Juden!«. Der Mörder als moderner Manager, softer Vater und Motivationscoach – da ist der Film da, wo er eigentlich hinwill und viel öfter sein sollte: In der Gegenwart. Und das KZ ist eine Maschine zur Effizienzsteigerung, eine kapitalistische Fabrik, eine technische Anstalt zur Produktion bestimmter Handelsgüter.
Im Einzelnen, wie gesagt, gibt es also einiges zu kritisieren. Aber erstmals stellt Ruzowitzky dem deutschen Kino zu diesem Thema die richtigen Fragen: Warum erzählt man im Land von Fritz Lang, Friedrich Murnau und Robert Siodmak eigentlich nicht endlich einmal von den Nazis in Form eines Krimis, eines Horrorfilms, eines Psychothrillers oder eines Märchens? Warum muss es immer beflissene historische Nachstellung sein? Wo bleibt eine im bissigen Witz gut sitzende KZ-Groteske wie sie Lina Wertmüller bereits in den 70ern drehte? Warum gibt es Pans Labyrinth über Francos Spanien, aber nicht über Hitlers Deutschland? Irgendwann eines fernen Tages, dafür ist Die Fälscher immerhin ein Indiz, wird dieser Mangel behoben werden.