USA 2021 · 143 min. · FSK: ab 12 Regie: Justin Lin Drehbuch: Daniel Casey Kamera: Stephen F. Windon Darsteller: Vin Diesel, Michelle Rodriguez, Tyrese Gibson, Chris "Ludacris" Bridges, John Cena u.a. |
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Alles beim »Alten«... | ||
(Foto: Universal) |
»Wir haben harte Zeiten hinter uns. Aber es wird alles gut. Weil wir eine Familie sind.« – Dom (Vin Diesel) in Fast & Furious 9
Am Ende stößt die Familie um Dom und seine wackeren Helden mit Corona-Bier auf die Zukunft und die besiegten Gespenster der Vergangenheit an. Viel besser geht es nicht. Was soll man auch sonst tun? Nur eins vielleicht noch: sich die neunte Folge des Fast & Furious-Franchises in einem großen Kino mit einer Leinwand so groß wie die größten Lastwagen, auf den Augen und im Hirn zergehen zu lassen. Denn dann werden die letzten Corona-Monate nur ein schlechter Scherz gewesen sein, eine Fata Morgana, denn wie kann Corona gewesen sein, wenn Fast & Furious so ist wie immer und ewig – die allergrößte Oper, die es gibt!
So wie in fast jeder Oper zählt die Handlung nicht, ist Logik Nebensache, steht die Musik im Zentrum. Das ist in Fast & Furious natürlich nicht die Musik, sondern das Auto, das hier seit 2001, als es mit dem ersten Teil losging, immer ein zentraler Bestandteil von männlicher Selbstermächtigung und Schwanzverlängerungs-Therapie war, so wie wir es im Kleinen tagtäglich auf jeder deutschen Autobahn erleben.
Aber das nur am Rande, denn interessant und aufregend ist vor allem, dass wie in der Musik (siehe die Rolling Stones, siehe Bob Dylan, siehe Neil Young usw.), für die zu jungen Opas gereiften Helden auch anderer Action-Franchises wie Bad Boys for Life die große Oper weitergeht, als würde es das Alter nicht geben, ganz im Sinne Dylans und seines Forever Young. Und das völlig überzeugend. Gut, die Autos wie etwa der Military Truck in F9 ist größer als alles, was es zuvor gab (was bei Ü50-Männern dann aber auch nicht verwunderlich ist), die Orte (Tiflis) sind interessanter und vor allem kommt endlich so etwas wie reflektive Intelligenz dazu, was dem Alter angemessen und durchaus faszinierend ist.
Denn wer hätte gedacht, dass Dom Toretto (Vin Diesel) einen Bruder hat(te), dass dieser Jacob Toretto (John Cena) jedoch nicht nur den Vater auf dem Gewissen hat, sondern gewissermaßen das ganze harmonische Familiengefüge? Diese Rückschau in die traumatische Familienvergangenheit des Jahren 1989 tut F9 sichtlich gut und macht Spaß, mehr noch, als die Fäden in der Gegenwart überzeugend weitergesponnen werden und deutlich wird, dass auch die Auto-Oper ihre antiken Tragödien braucht, um zur großen Oper zu werden.
Und das wird sie dann von Akt zu Akt immer mehr, denn wie unter der Regie von Justin Lin Verfolgungsjagden choreografiert werden, das Dröhnen von Autotypen aus 32 Jahren mit dem Ansteigen der Spannung sich zu immer neuen, immer wieder überraschenden Klangformen entwickelt, ist allein schon „musikalisch“ den Kinobesuch wert und dürfte Elektro-Auto-Fundamentalisten eines besseren belehren.
Darüber hinaus integriert F9 wie eh und je die
schon bekannten Buddy-Spielereien- und Kabbeleien zwischen Männern, die alle mehr Quadrat als Rechteck sind und die, mit inzwischen immer mehr Anspielungen auf die immer länger werdende Vergangenheit und eine beunruhigend kürzer und unsicherer werdende Zukunft ausgestattet, deutlich mehr Redeanteile haben als jemals zuvor.
Das funktioniert im Original so gut wie in der deutschen Synchronisation, mehr noch als die eigentliche „Musik“ ja keiner Synchronisation bedarf. Das ist dann und wann in all seiner absurden Selbstreferenzialität zwar etwas viel und etwas lang, ist nicht jeder Dialog die Worte wert, aber das alles, mein Gott, lässt sich auch an der besten klassischen Oper aussetzen. Und mehr Spaß, das sei versprochen, machen einfach Autos, die zerstört werden.