USA 2000 · 126 min. · FSK: ab 6 Regie: Brett Ratner Drehbuch: David Diamond, David Weissman Kamera: Dante Spinotti Darsteller: Nicolas Cage, Téa Leoni, Jeremy Piven, Don Cheadle u.a. |
Family Man ist keine Komödie, sondern ein klammheimlicher Horrorfilm. Dies nicht allein, weil dass, was Jack Campbell (Nicholas Cage) in Brett Ratners Film wiederfährt, ernstgenommen eine ziemlich schlimme Sache ist: Eines Morgens wacht der alleinstehende, knallharte Firmenchef in seinem Bett auf und merkt, das es gar nicht sein Bett ist. Vielmehr findet sich der New Yorker Kapitalist als durchschnittlich verschuldeter Familienvater mit mäßigem Einkommen, Apple-Pie-backender Muster-Gattin Kate (Téa Leoni), zwei quängelnden Kleinen und Hund in einer Vorortsiedlung von New Jersey wieder. Damit ist Campbell nicht nur das bisherige Leben unter den Füßen weggezogen, seiner neuen Existenz fehlt in ihrer öden Durchschnittlichkeit auch absolut jeder Reiz, sieht man einmal von der ihm in unerschütterlicher Liebe zugetanen, leidlich gutaussehenden Ehefrau und den hollywoodsüßen Kleinen ab.
Ein Engel oder Geist war an allem schuld, Campbell muss nun die Suppe auslöffeln und mit seinem Dasein als Familienvater zurechtkommen. Das bietet Anlaß für leidlich komische Situationen, sei es, wenn der völlig Ungeübte plötzlich Windeln wechseln oder Autoreifen verkaufen muss, sei es, wenn der Platin-Kreditkarten und Massanzüge Gewohnte mit Frau und Kindern im Kaufhaus um jeden Cent zu knausern gezwungen wird. Man kann das Ganze allerdings auch einfach als neue Aufgabe für den Manager begreifen, der einmal kurz beweisen muss, dass er wirklich jede Situation in den Griff bekommt, und auch noch in aussichtsloser Lage Karriere macht – Familie als assessement-center.
Den Höhepunkt erreicht dies, als Jack, der in seiner middleclass-Existenz immer unzufriedener und frustrierter wird (und gern am Arbeitsplatz zur Flasche greift) eines Tages auf den Chef aus seinem alten Leben trifft. Ihn überzeugt er von seinen Fähigkeiten, und bekommt eine Chance – wir haben verstanden: Margaret Thatcher hat doch recht; jeder kann in kapitalistischen Verhältnissen Erfolg haben, wenn er es nur wirklich will.
Kate allerdings will es nicht. Sie zieht das
Langweil-Glück der Zweisamkeit der Möglichkeit vor, dass ihr gutverdienender Gatte immer außer Haus ist, weil sich der lange Weg zurück nach Jersey gar zu sehr zieht. Und nach Manhattan ziehen mag sie auch nicht – der Kinder wegen.
Am Ende fühlt Jack sich im neuen Leben vorhersehbar wohl, muss aber gerade dann plötzlich allein zurück ins Yuppie-Apartment. Dort erwartet ihn zwar – unglaublich aber wahr – Model Amber Valetta im Negligé, der über Nacht Geläuterte weist sie aber schnöde zurück, wirft seinen Job hin und sucht seine Jugendliebe auf, eben jene Kate, die er im wahren Leben vor 13 Jahren sitzen ließ. Nun wird nicht nur alles gut, die wiedervereinte Paar verfügt – double income, no kids – auch über den nötigen Kontostand, um dem Vorort-Horror ebenso zu entgehen, wie den Schuldenterror der Banken. Und die Kiddies werden eine Privatschule besuchen...
Hinter alldem steckt eine gar nicht komödiantische, vielmehr unverhohlen disziplinierende Absicht: Der Single muss bestraft werden, dem Amoralischen wird mit Zuckerbrot und Peitsche Moral gelehrt, und der – möglicherweise auch nicht in jeder Hinsicht zufriedene – Zuschauer soll mit seinem Leben als Ratenzahler, Billig-Konsument und Durchschnittsalkoholiker ein für allemal versöhnt werden. Selten hat Hollywood das amerikanische Spießbürgertum derart
verherrlicht.
Gewiß: Das Motiv des Identitätstauschs kennt man nicht nur aus SF-Thrillern. Offen werden hier wie auch mit der Figur des (Weihnachts-)Engels die Filme Frank Capras zitiert. Doch davon abgesehen, dass die ungleich mehr Charme und feinen Humor besaßen, feierte Capra nicht die Lebensverhältnisse der Mittelklasse, sondern unverlogene Gefühle. Davon kann in diesem heuchlerischen Weihnachtskitsch keine Rede sein. Denn wie gesagt, eigentlich ist es ein Horrorfilm
– wenn das die Alternative sein sollte, dann lieber Yuppie.