Dänemark 2010 · 104 min. · FSK: ab 12 Regie: Pernille Fischer Christensen Drehbuch: Kim Fupz Aakeson, Pernille Fischer Christensen Kamera: Jakob Ihre Darsteller: Jesper Christensen, Lene Maria Christensen, Pilou Asbæk, Anne Louise Hassing, Coco Hjardemaal u.a. |
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Eine dänische Familie |
Er sieht recht traurig aus, der Teig in Rheinwalds Bäckerei, und dies wird nicht das einzige bleiben, was traurig ist in diesem Film. Rikard Rheinwald ist kein gewöhnlicher Bäcker, sondern immerhin in dritter Generation der Hofbäcker der dänischen Königsfamilie, der er seine ganz besonders luftigen Frühstücksbrötchen manchmal persönlich vorbeibringt, und von der Königin bekommt er, wenn er krank ist, schon mal einen Brief mit königlichen Genesungswünschen. Eines Tages helfen aber auch die nicht mehr: Der alte Rheinwald hat Krebs und wird sterben. Damit ändert sich auch für Ditte alles. Rheinwalds älteste Tochter hat in Italien Kunst studiert und eine erfolgreiche Galerie in Kopenhagen. Gerade hat man ihr einen attraktiven Job in New York angeboten. Für den treibt sie sogar ab, ein Kind passt nicht in den Lebensplan von ihr und ihrem Freund. So wenig wie der Wunsch des todkranken Vaters, dass sie die Familientradition weiter führen und die Großbäckerei übernehmen soll. Der Plot von En Familie lässt sich auf diese Formeln reduzieren: Familie gegen Selbstverwirklichung, Tradition gegen Freiheit. Wer in solchen Konflikten einfache Antworten parat hat, hat das Problem nicht verstanden.
Der zweite Spielfilm von Pernille Fischer Christensen, die 2006 mit En Soap debütierte, bedient das, was man seit 1998, seit Thomas Vinterbergs Das Fest, so vom dänischen Kino erwartet: Stilistisch wird mit einer neugierigen Handkamera gearbeitet, die immer wieder überaus nahe an die Figuren heranrückt, ihre Gesichter in jeder Regung analysiert, fast dekonstruiert, einer Kamera, die unter die Haut geht, zudringlich ist, und deren Blick wie ein Jäger solange nicht von seinem Gegenstand ablässt, bis der seine wahre Natur preisgibt. Zugleich ist diese Kamera unruhig, tänzelt auf der Stelle, oder wendet sich abrupt zur Seite, etwas Neuem zu, statt eines Schnittes oder der vom Fernsehen gewohnten »Schuss – Gegenschuss«-Erzählweise gibt es hier lange Einstellungen mit vielen Schwenks oder Kamerafahrten. Das ist auch anspruchsvoll für die Schauspieler, die hier zur Improvisation gezwungen werden, viel länger »in ihrer Rolle sein« müssen, als gewöhnlich. Der Kamerablick bringt so eine Grundnervosität in die Szenerie. Das ist das Leben selbst, sagen all diese Bilder, und manchmal wollen sie es vielleicht ein bisschen zu sehr sagen. Denn natürlich ist das auch hohe Kunst, und gerade in der Herstellung eines Eindrucks von Lebensechtheit, in solchem Naturalismus ist die Entlarvung seines Gemachtseins ganz nahe.
Aber auch wenn man sich selbst vielleicht ein-, zweimal in diesem Film dabei ertappt, zu denken, dass das alles jetzt gerade wieder so jene typische Dänen-Masche ist – wie man sie etwa auch aus den Filmen von Christensens Landfrau Susanne Bier kennt, die gerade den Auslands-Oscar gewonnen hat –, und auf seine Art nicht weniger konstruiert und manipulativ, wie ein durchschnittlicher Hollywood-Film, so geht es hier wenigstens um Menschen, die nicht hysterisch und überkandidelt, sondern relativ normal reden und handeln. Vor allem aber muss man hier einiges sehr bewundern: Wie leichthändig, quasi nebenbei Pernille Fischer Christensen ihre Geschichte zuspitzt. Wie hier ein modernes Melodram entfaltet wird, das weder in Klischees abgleitet, noch in jene allumfassende Versöhnlichkeit, nach der die Familie letztlich alle Probleme löst, und die meist nur noch verlogen ist. Mit Ernsthaftigkeit erzählt Christensen – auch darin erinnert sie an Susanne Bier – stattdessen eine erwachsene und inhaltlich relevante Geschichte für erwachsene Menschen, die trotzdem unterhält, und die es dem Zuschauer leicht macht, sich irgendwo einzuklinken, unter den verschiedenen Charakteren des Films. Diese fordern nicht platte Identifikation, sondern sind in ihren Widersprüchen ganz einfach Menschen, und immer wieder gibt es den einen oder anderen, den man gerne mit seiner Sympathie begleitet, an dessen Schicksal man Anteil nimmt. – Vielleicht weil man diese Fragen selber kennt: Welche Macht haben die Eltern über ihre Kinder und wieviele Opfer ist das eigene Lebensglück wert?
Man wünschte auch dem deutschen Kino solche Fragen, und wenigstens in paar Regisseure und Drehbuchautoren mit ähnlichen Fähigkeiten, sie intensiv, ohne überflüssiges Gerede auf der Leinwand zu stellen.