Irland/GB/USA 2018 · 120 min. · FSK: ab 12 Regie: Yorgos Lanthimos Drehbuch: Deborah Davis, Tony McNamara Kamera: Robbie Ryan Darsteller: Olivia Colman, Emma Stone, Rachel Weisz, Nicholas Hoult, Joe Alwyn u.a. |
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Adelsgeschlecht am Rande des Nervenzusammenbruchs |
Die Favoritin war am britischen Königshof unter Regentin Anne eine staatstragende Kategorie. Wer die Favoritin der Königin war, fand sich als Lieblingshofdame in der Position mit der größtmöglichen politischen Einflussnahme wieder. Queen Anne hatte das Regieren satt, so sagen die Quellen und so inszeniert es nun auch Yorgos Lanthimos jüngster Filmcoup. Auf der politischen Agenda steht im Jahr 1708, als die Handlung von The Favourite einsetzt, die Wiederherstellung des europäischen Friedens – wir befinden uns mitten im Spanischen Erbfolgekrieg, der sich unter Queen Anne bis nach Nordamerika ausweitete. Es ging um europäische Vorherrschaft und Einflussnahme, und auch immer darum, die allzu mächtigen Franzosen im Zaum zu halten.
Lanthimos zeigt uns vor diesem politischen Hintergrund eine müde gewordene Königin, die vor allem auch unter den Attacken ihres eigenen Körpers zu leiden hat. Wie Albert Serras fahl gewordener Sonnenkönig in Der Tod von Ludwig XIV. (2016) ist sie eine zur reinen Physis geronnene Regentin; die Gicht hat aus ihr ein unförmiges und unleidiges Monstrum gemacht, das sich nur noch mit einer Gehhilfe bewegen kann; eingezwängt in ein Ganzkörperkorsett ist sie eine groteske Marionette ihrer eigenen Hinfälligkeit.
Krankheit ist hier auch eine Metapher für zu viele geschlagene Schlachten. Für den Niedergang des europäischen Königssystems, aber auch für die bereits eingetretene Erbfolge-Dekadenz des Adelsgeschlechts: Siebzehn Kinder hat Anne geboren, keines davon überlebte. Bei Lanthimos dürfen sie als siebzehn Kaninchen wiederauferstehen, die Queen Anne in ihren Gemächern hält; der Gestank der Ställe setzt übel zu, aber man macht sich beliebt, wenn man es als Gast aushält. Die Kaninchen und andere Zerstreuungen sind Anne wichtiger als die zermürbenden Tagesgeschäfte. Diese vertraut sie lieber der Favoritin an, die für sie die lästige Aufgabe erledigt. Verbürgt ist die Machtübertragung durch den Staatsmann Winston Churchill, der als Historiker die Ereignisse seiner Urahnen niederschrieb; er selbst ist direkter Nachfahre des 7. Duke of Marlborough, dessen Urahnin wiederum war Sarah, Ehefrau des 1. Duke of Churchill, die am ersten britischen Königshof unter Queen Anne die die politischen Geschicke lenkende Favoritin gewesen war und der Marlborough-Dynastie größtmöglichen Einfluss gab. Sie brachte als ihre Nachfolgerin ihre verarmte Cousine Abigail Masham in die Position ihrer Stellvertreterin und verschaffte sich dadurch Luft zum Durchatmen – aber gab auch ein weibliches Macht-Vakuum frei, das Abigail einzunehmen wusste.
Bei Lanthimos sind die politischen Verhältnisse im britischen Königshaus und die komplizierte Europapolitik zu Beginn des 18. Jahrhunderts eher das undurchschaubare Zeitkolorit für das sehr intime Ränkespiel dreier Frauen, die in einem dicht gewebten Beziehungsgeflecht erproben, wie Macht geht. Sie gehen eine schwer zu balancierende lesbische Menage à trois ein, eine Art MeToo unter Frauen, wo in Abhängigkeit von der herrischen Regentin, die über ihre Gespielinnen nach gusto verfügt, auch lohnende Machtübertragung winkt. Olivia Colman spielt mit genüsslichem Spaß die launische, von ihrer eigenen Kreatürlichkeit niedergeworfene Queen Anne, die sich von ihren Hofdamen das Nachthemd über die unförmigen Schenkel schieben lässt, um sie für die Gichtbehandlung freizumachen. Sarah, die erste Favoritin, ist Rachel Weisz, bereits abgeklärt und wissend um die Verführspiele, Abigail (Emma Stone) wiederum sieht zu und lernt schnell.
Üppig und überbordend spielen sie in dieser Koalition drei Frauen am Rande des hysterischen Nervenzusammenbruchs, mit deutlich groteskem Vorzeichen. Die komödiantische Fallhöhe ist die Körperlichkeit, die das höfische Klischee der britischen Contenance aushebelt. Die Fressattacken der gebeutelten Königin, die buchstäblich aus dem Schlamm aufsteigende Abigail, die wallenden Röcke, unter denen das Adelsgeschlecht gesucht wird, kontrastieren mit dem barocken Setting und der anglikanischen Strenge. Der Kostümfilm strotzt bei Lanthimos von Körper, Vitalität und Morbidität, wie man es seit Sofia Coppolas Barock-Oper Marie Antoinette(2006) nicht mehr gesehen hat.
Auch wenn The Favourite Lanthimos' gezähmtester Film bislang ist – sehr zugänglich durch seine virtuosen Dialoge, sehr zeitgeistig und hochaktuell durch die Anspielungen auf ein dahinsiechendes Europa –, lässt er sich doch in seine bisherigen filmischen Versuchsanordnungen einreihen. Diese zeigten abgeschlossene Welten pervertierter Sozialität, Dystopien des menschlichen Miteinanders wie zuletzt in The Lobster (2016), wo bereits Colman und Weisz mitspielten. Hier lässt Lanthimos unter Rückgriff auf ein Drehbuch, das er zum ersten Mal nicht selbst verfasst hat, von seiner sonst oft beklemmenden Strenge ab. Auch wenn das Spiel der drei Frauen bisweilen in der Übertreibung zu kippen droht, setzt es auf körperlicher Ebene doch fulminant das politische Irresein frei und verleiht diesem ungewöhnlichen Frauenfilm over the top noch einmal den letzten Drive. So tollkühn kann Historie sein.
Es ist der pure Wahnsinn: Da hoppeln siebzehn Häschen auf dem erlesenen Parkett eines Barock-Palasts. Die Diener müssen sich liebevoll um sie kümmern.
Ein großartiges Filmbild, eine Groteske, aber eine mit tieferer, abgründiger Bedeutung. Nicht nur, weil dies keineswegs der spleenige Einfall eines Hipster-Regisseurs ist, sondern historische Realität.
Der Schrecken liegt darin, dass jeder dieser Hasen für eines der siebzehn Kinder steht, die die Königin Queen Anne im Laufe von
siebzehn Jahren zur Welt gebracht und wieder verloren hat. Nicht weniger als elf von ihnen wurden bereits tot geboren. Und so hoppelt auch die tägliche Erinnerung an das private Grauen durch die Palastgemächer.
Queen Anne ist heute ein bisschen vergessen. Sie regierte im frühen 18. Jahrhundert, von 1702 bis 1714, war die Letzte des Hauses Stuart und stand im Schatten des Franzosenkönigs Ludwig XIV., aber auch ihres bedeutendsten Feldherren, des Duke of Marlborough. Dessen Frau Sarah ist, derweil der Gatte in der Ferne Schlachten schlägt, die wichtigste Hofdame der Königin, eine Art inoffizielle Premierministerin, die von allen für die wahre Regentin gehalten wird – nicht ganz zu Recht, denn zumindest in diesem Film ist ihre Stellung von Anfang an prekär, immer bedroht durch Hof-Intrigen und die Launen der Königin.
Gespielt wird sie von Rachel Weisz als so kalte wie leidenschaftliche Machtpolitikerin, die zugleich die heimliche Liebhaberin der Königin ist. Diese Liebe zu Frauen ist die eigentliche schwache Seite der Queen, die ansonsten zwar allerlei psychische und physische Leiden hat, von Wundbrand am rechten Bein und den Folgen eines Schlaganfalls heimgesucht,und der Regierungsgeschäfte überdrüssig, ist sie aber doch weit weniger Wachs in den Händen ihrer Umgebung, als es den Anschein hat. Geschickt und gelegentlich mit unverhohlenem Sadismus manipuliert sie ihre Umgebung. Olivia Colman spielt diese depressive, launische, mental und körperlich zerquälte Königin als Gefangene ihrer selbst im Schlachtfeld der Liebe mit Verve.
Verve, Energie ist überhaupt das prägende Merkmal dieses großartigen Films. Die kraftvollste Bewegung kommt von der jungen Abigail (gespielt von Emma Stone). Lady Sarah hält ihre fernen Verwandte für Wachs in ihren Händen und verhilft ihr arglos zum Aufstieg – doch die bedient bald ähnlich geschickt die Klaviatur der höfischen Machtausübung. Und so erwächst Sarah in Abigail eine ebenbürtige Konkurrentin um die königliche Gunst. Abigail kämpft ganz offen nur für sich.
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Ein weiblicher Dreikampf. The Favourite, dessen Titel sich auf beide Hofdamen münzen lässt, ist eine subtile, facettenreiche Studie über weibliche Macht zwischen Furcht und Eigennutz, über die Tricks und Täuschungsmanöver des nur vermeintlich schwächeren Geschlechts. In dieser Welt der symbolischen Spiele und des Scheins ist auch die Liebe eine Illusion, jenseits des Scheins existiert nur Macht. Hier geht es also nicht um zeitgeistiges »Empowerment« – und über »#Me Too« würden die drei Figuren im Film gewiss nur lachen. Aber dies ist auch kein historisches Politdrama.
Sind Frauen die besseren Menschen, und ansonsten Opfer böser Männerwelten? Agieren sie jederzeit unsexistisch und ohne auf ihre Vorteile zu achten? Tragen sie Konkurrenzkämpfe ohne Neid, falschen Ehrgeiz und böse Tricks aus, verwandelt sich harte Macht in ihren Händen plötzlich in kluge Verantwortung? Die eine oder der andere mag solche Illusionen hegen, doch in diesem Film würde sie schnell eines anderen belehrt.
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Der in England lebende Grieche Yorgos Lanthimos (The Lobster, The Killing of a Sacred Deer) zeigt die Realität des Matriarchats, zeigt Frauen, die Macht haben, empathisch, aber so wie alle Mächtigen sind: amoralisch, als wölfischen Überlebenskampf.
»Sometimes a Lady needs to have some fun.« In acht Kapiteln steht zunächst die Beziehung der Königin zu Sarah im Zentrum, in der politischer Rat, Freundschaft und sexuelle Dienstleistungen sie koppeln. »Love has limits«, sagt Sarah ziemlich früh. »It should not«, antwortet die Königin, und das ist dann fast ein Befehl.
Lanthimos' Blick auf die Epoche ist zugleich belustigt und distanziert. Dieser Film ist abgründig, abstrus und faszinierend. Auch entdeckt der Film das Fremde im
Vergangenen: Getragen von großartiger – historischer – Musik zeigt er eine höfische Welt, in der man sich mit Entenrennen amüsiert, und in der das Servieren einer frischen Ananas eine mittlere Sensation ist.
Lanthimos interessiert sich daneben vor allem für zwei Dinge: Absurdismus und Regeln. Beides findet er auch hier. Aber die Regeln des höfischen System, die man gut mit einem in sich sinnlosen Spiel gleichsetzen könnte, spielen hier kaum eine Rolle. Der Regisseur modernisiert den Barock ins Ironisch-Absurdistische und erinnert in dieser Haltung an Sofia Coppolas Marie Antoinette.
Wie immer bei Lanthimos ist dies ein sehr witziger, zugleich abgründig boshafter Film. Wer einen Moment zum Nachdenken kommt, nachdem er laut gelacht hat, wird sich mindestens wundern. »Wicked« hat eine US-Kritikerin den Film genannt, »verdreht, schräg und boshaft« also. Das trifft es ganz gut.
Die Konstante im Werk Lanthimos bildet Unruhe, die sich stets auf den Zuschauer überträgt. Wie der Grieche das Auslösen dieser im konventionalisierten Genre des Kostümfilms unterzubringen sucht, ist definitiv einen Blick wert.
Das historische Setting im französischen Krieg ist MacGuffin, ein weit entferntes Anliegen, welches im Vordergrund stände, wenn nicht permanente Komplotte das Bewusstsein am englischen Hof einnehmen würden. Die Strenge höfischer Regeln löst sich dabei immer wieder auf, wenn die Favoritinnen beginnen, ihre Fäden zu ziehen. Dann wird unter der Fassade sozialer Sitten Platz gemacht für Suche nach Unterhaltung, die sich in Obszönitäten und bissiger Sprache niederschlägt. Eine
Stilisierung und gleichzeitige Ächtung all der schönenden Umsetzungen historischer Stoffe, die im transgressiven Kino eines Lanthimos logisch erscheint, die sich andererseits aber auch aus dem Setting selbst begründet. In harten Zeiten wählte auch der Adel eine direkte Sprache, die eigene Anliegen ohne Umstände hervorbrachte. In Konsequenz entwickelt das virtuose Drehbuch drei Frauen auf Augenhöhe, die ihre sich oft gar widersprechenden inneren Impulse direkt auszuleben
suchen. Dass die emotionale Ebene so direkt in Handlung gespiegelt wird, ermöglicht dabei dem Zuschauer einen vereinfachten Zugang in die absurde Welt der Figuren. Ein Zugang, um in den abrupten Stimmungswechseln der sich in haarscharfem Dialog stetig hochschaukelnden Dreiecksbeziehung nicht unterzugehen. Strukturiert wird das emotionale Qui pro quo durch stimmungsreiche Kapitelansagen, welche als wörtliche Zitate aus nachfolgenden Szenen gegriffenen sind. Meist
unverblümt, manchmal mit metaphorischem Unterton, deuten sie Kommendes an.
I dreamt I stabbed you in the eye. Der schwarze Humor ist aus dem Werk Lanthimos nicht wegzudenken. Statt in der üblichen Irritation durch Verhaltensumstände, welche bisweilen überfordertes Lachen auslösen, findet sich der Witz hier deutlich mehr in dem Spiel mit Sprache und Macht. Dies bietet sich im Kostümgenre auch offensichtlich an, wenn die Figuren in puppenhafter Bekleidung
weitläufige Räume und Korridore entlangeilen, in denen nur die Stärksten nicht untergehen.
Die Stränge ihrer Püppchen zieht Queen Anne, eine Figur der Akzeptanz, geformt durch Verlust und daraus hervorgegangener Depression. Dass unter dem Make-up aus Hysterie und Gebrechlichkeit noch immer eine kluge Frau durchleuchtet, ist dem grandiosen Schauspiel Olivia Colemans geschuldet, die ihre Rolle im Dreieck der Intrigen nicht hinter einer Karikatur zurückstellt. Unter dem ersten Eindruck der Dekadenz, ausgelöst im Bild von Hof-Kaninchen, öffnet sich in der tragischen Bedeutung ein tiefer Brunnen der Trauer, der während des gesamten Films unter der humoristischen Oberflächenstruktur brodelt. Die Vergegenwärtigung der verloren Kinder und verbundenen Freude in Gestalt von siebzehn Kaninchen ist eine bravouröse Visualisierung des Gemütszustandes der Königin. Eine Charakterisierung, deren Wankelmütigkeit erst das hohe Tempo generiert und den gesamten Film zum reinsten Ritt macht. Denn die labile Königin lässt sich von ihren Mädchen nicht nur belachen und unterhalten, sie ist auch jederzeit bereit, auf deren Avancen einzugehen. Augenhöhe der Figuren ist im Auf und Ab dadurch erreicht, dass die Königin ihre Willensschwäche über die Position enormer Macht auszugleichen vermag. Sowieso existieren die Favoritinnen am Hof nur über die Dynamik ihrer Macht zur Königin und gleichen ihr Verhalten, je nach ihrer Wahrnehmung der eigenen Stärke im Beziehungsdreieck, immer wieder neu an.
Beide sind sie aus dem selben Holz geschnitzt, die nur wenigen Jahre bilden einen jedoch merklichen Altersunterschied. Rachel Weisz Sarah ist schon lange an der Seite der Königin und verweist als Grundlage komplexer Liebe auf absolute Ehrlichkeit. Love has Limits – It should not. Die Liebesfrage ist das Destillat ihres Konfliktes. In diesen wird sich Emma Stones Abigail drängen, wenn sie die Königin in bedingungslose Freundlichkeit bettet. Abigail wurde mit fünfzehn im Kartenspiel an einen fetten Deutschen verloren und sucht, zunächst durch ihre Verwandtschaft zu Sarah, wieder aus dem Dreck aufzusteigen, bevor sie dieser schließlich ihre Ersetzbarkeit vorführt. Der schelmische Funke des Dialogs ergibt sich natürlich aus solch charakterstärkender Vergangenheit, ebenso, wie die verbale Stählung Sarahs durch Jahre der Machtausübung. Das Aufeinanderstoßen zweier Konkurrentinnen, die wissen, was sie wollen und wie sie es erreichen, bildet den Kern des Lustspiels. Stetiges gegenseitiges Wiederholen von Wortfetzen mit jeweils neuer Betonung signalisiert den flüssigen Übergang der Machtverhältnisse. Aus dem Ringen um absolute Dominanz ergibt sich wiederum offene Sexualität. I will not dismiss her, I like it when she puts her tongue inside me.
Die angewandte Hinterlist der Favoritinnen ist in ihrer Absurdität natürlich zum Schreien, denn in diesem fiesen Spaß ist nie klar, wer denn die Hand Queen Annes behalten wird. Die Dialogführung, prägnanter als in den meisten Theaterstücken, erinnert in ihrem Tempo an Aaron Sorkin und sollte Deborah Davis und Tony McNamaramit zum Oscar für das Original-Drehbuch führen. Ausbalanciert werden die schnellen Wortwechsel durch ihre Ablösung im Score, der viele Szenen trägt. Die Mischung klassischer und moderner Werke ist in seinem Einsatz oft treibend und nahezu immer stimmungsprägend. Ergänzt wird dieser technische Aspekt durch den außergewöhnlich fließenden Schnitt, der die drei Frauen stärker als üblich verbindet, Abhängigkeiten suggeriert und immanẹnte Szenenwechsel zulässt.
Ebenso stützt die Kamera die Motive des Films. Während die Wahl der eingesetzten Objektive die Figuren im großen Goldfischglas des Palastes gefangen hält, zitiert die optische Verzerrung der Räume das Breitwandformat der Kostümfilme vergangener Zeiten. Auch das eingesetzte natürliche Licht erinnert an die Vorgehensweise Kubricks, der in Barry Lyndon quasi-barocke Kino-Gemälde schuf, diese aber nicht zur rein visuellen Spielerei verkommen ließ. Dass Dunkelheit hier noch wirklich dunkel ist, die Kerzen stetig gegen die Größe der Räume ankämpfen müssen, betont die klaustrophobische Stimmung und ruft in dieser düsteren Groteske Anklänge der Gothic Romanze hervor. Isolation ergibt sich auch daraus, dass die Kamera den Käfig des Palastes nie verlässt. Eine Einschränkung, welche Macht nur absoluter wirken lässt und aus dieser unlimitierten Macht wiederum sexuelle Spannung entwickelt. Wenn die Perspektivierung des Fish-eye, im Gegensatz zum Schnitt, die Distanz betont, durch Unter- und Aufsicht Machtverhältnisse verdeutlicht und in ihrem modernen Flair Konventionen bricht, dann bildet dies ein aufregend frisches Gesamtbild gefährlicher Liebschaften.
Ein Sittengemälde, in dem letztlich immer klarer wird, dass in einem Spiel, in dem Mittel der Macht die drastische Wirkung aufbrodelnder Emotionen stützen, niemand als der Sieger hervorgehen kann. Dies bestätigt sich in Sarah, wenn sie in ihren Erpressungsversuchen der Königin nur sich selbst verstößt. Lanthimos führt in seinem Update des Kostümdramas Geiz, Selbsterhaltungswille, Angst und Liebe als Gründe des Machtstrebens vor, während er gleichzeitig dessen ätzende
Wirkung verdeutlicht. Dass weder das Ringen um Macht oder Liebe ein Nullsummenspiel darstellen, ist pointiert in Abigails Schicksal der erneut abhängigen Hure, der Rolle, der sie zu entfliehen suchte. Wir bleiben wissend zurück.
Some wounds do not close, bei Lanthimos gewinnt niemand.