Frankreich/Japan 2003 · 107 min. Regie: Alain Corneau Drehbuch: Alain Corneau Kamera: Yves Angelo Darsteller: Sylvie Destud, Kaori Tsuji, Taro Suwa, Bison Katavama u.a. |
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Amélie fällt in Ungnade |
»Wann werdet Ihr Europäer endlich lernen, dass es immer einen Weg gibt, zu gehorchen!«
Amélie, hochqualifiziert, engagiert und voller Erwartungen, hat nach ihrem Studium einen Einjahresvertrag im Yumimoto-Konzern unterschrieben, »einer der größten Firmen des Universums«. Ihre Begeisterung erhält den ersten Dämpfer, als man ihr neben dem Servieren der Getränke nur sinnlose Aufgaben zuteilt. Ihr Abteilungsleiter zerreißt eine simple Einladungsbestätigung duzende Male mit wütendem Schnauben und den harschen Worten: »Nochmal!« oder lässt sie seine umfangreichen Golfregeln einzeln per Hand kopieren: »Sonst wird das nicht zentriert genug!« Amélies Wunsch, nach einer Tätigkeit, die ihr Gehirn beschäftigt, finden die Japaner außerordentlich exzentrisch.
Obwohl Amélie als Kind einige Jahre in Japan verbracht hat und fließend japanisch spricht, verheddert Sie sich regelmäßig in dem unsichtbaren Netz japanischer Gesellschaftsregeln. Jeder noch so kleine Anflug von Eigeninitiative wird als Eigenmächtigkeit verworfen, und als auffliegt, dass sie heimlich für eine andere Abteilung eine anspruchsvoll Arbeit erledigt hat, fällt sie komplett in Ungnade.
Wer kündigt – soviel weiß auch Amélie – verliert in Japan sein Gesicht. Und so beschließt sie, das Jahr um jeden Preis durchzuhalten, koste es was es wolle.
Amelie lässt sich nicht unterkriegen, zumal sie in ihrer netten und bildschönen Vorgesetzten Fubuki eine gute Freundin gefunden zu haben glaubt. Doch dann entdeckt die junge Belgierin, dass ausgerechnet Fubuki ihre heimliche Arbeitsbeschaffungsaktionen an den cholerischen Viezepräsidenten der Firma gemeldet
hat...
Mit erstaunlicher Leichtigkeit und viel für Komik im Schrecken erzählt die Ich-Erzählerin vom Clash der Kulturen und dem daraus resultierendem Martyrium. Zwischen Fubuki und Amélie beginnt ein stummes Kräftemessen. Während die Japanerin versucht, Amélie zu brechen, kontert diese, indem sie auch die niedrigsten Aufgaben mit vollem Engagement erfüllt und die Demütigung so ad absurdum führt.
»Mit Staunen und Zittern« – so auch der deutsche Titel der Romanvorlage von Amélie Nothomb – sollten die Untertanen einst ihrem Tenno entgegentreten. Ein ebensolches Verhalten schulden die Untergebenen den Vorgesetzten bei Yamamoto. Bei allem Zittern ist es dann ausgerechnet das unablässige Staunen über das verblüffende Verhalten der Japaner, das Amélie bei der Stange hält. Nach und nach gerät der Konflikt zwischen ihr und Fubuki zu einer Art absurdem Theaterstück, in dem jede ihren Part spielt. Als Fubuki der aufmüpfigen Europäerin schließlich Toiletten putzen lässt, stellt sich heraus, dass nicht alle Mitarbeiter mit den Disziplinierungs-Maßnahmen einverstanden sind: Sie boykottieren fortan das Etagen-Klo und nutzen stattdessen die Waschräume in anderen Stockwerken...
Amélie Nothombe, die selbst einige Jahre in Japan gelebt hat, hat für ihren Roman den Grand prix du Roman der gestrengen der Académie française erhalten. Regisseur und Drehbuchautor Alain Corneau ist es gelungen, diese staunende Leichtigkeit in ein anderes Medium zu transportieren.