F/USA/GB/J 2022 · 112 min. · FSK: ab 16 Regie: Michel Hazanavicius Drehbuch: Michel Hazanavicius Kamera: Jonathan Ricquebourg Darsteller: Romain Duris, Bérénice Bejo, Grégory Gadebois, Finnegan Oldfield, Matilda Anna Ingrid Lutz u.a. |
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Romain Duris mit Kamera als scheiternder Regisseur | ||
(Foto: Weltkino Filmverleih) |
Es ist die alte Remake-Leier: Da haben Leute irgendwo auf der Welt eine interessante Idee und gelangen mit ihr zu Ruhm. So geschehen bei dem japanischen One Cut of the Dead, einem Sensationserfolg von 2017, entstanden als Low-Budget-Studentenprojekt. Und es dauert nicht lang, da werden andere auf den Plan gerufen, die sich diesen Erfolg einverleiben, ihn kopieren und recyceln. Bewährtes erscheint häufig bequemer als das Risiko eigener Kreativität. Kurzum: Das erste Remake von One Cut of the Dead ist da.
Michel Hazanavicius, vormals Oscar-prämiert für seine Stummfilm-Hommage The Artist, hat die Zombie- und Filmbranchenkomödie adaptiert. Man könnte die Kritik an dieser Stelle abbrechen und sagen: Wer das Original kennt, muss die Neuverfilmung nicht sehen. Hazanavicius thematisiert hin und wieder den kulturellen Transfer seines Stoffs von Japan nach Frankreich und schraubt ein wenig an den Figuren. Am Kern hat sich jedoch nichts geändert. Final Cut of the Dead arbeitet sich äußerst werktreu an seiner japanischen Vorlage und ihren zentralen Pointen entlang.
Ganz so einfach sollte man es sich dennoch nicht machen. Gerade, da dieser Film jetzt quasi in zwei Versionen existiert, erscheint umso interessanter, was sein Sujet überhaupt so anknüpfungsfähig macht. Irgendwo muss sein Zauber schließlich schlummern, der damals einen solchen Nerv getroffen hat! Final Cut of the Dead ist eines dieser Werke, die man mit der Phrase »Liebesbrief an das Filmemachen« übertiteln kann. Aber was meint das hier überhaupt, und wo hat die Liebe Grenzen?
Hazanavicius’ Film funktioniert in etwa wie ein Palindrom. Man kann ihn von vorne nach hinten und von hinten nach vorne lesen. Der letzte Akt spiegelt und ergänzt den ersten und umgekehrt. Im Zentrum steht das Thema Filmproduktion. Das meint auch auf einer Metaebene: die Produktion von Final Cut of the Dead. Die Genrebezeichnung »Zombiefilm« ist dabei eigentlich irreführend, denn dies ist ein Film über den Dreh eines Zombiefilms. Letzteren bekommt das Publikum gleich im ersten Akt zu sehen, bevor Final Cut of the Dead in der Zeit zurückspringt, um die Vorbereitung der Produktion und schließlich die eigentlichen Dreharbeiten zu zeigen. Erst vor, dann hinter der Kamera. Ein und dieselbe Episode – nur aus verschiedenen Perspektiven betrachtet.
Final Cut of the Dead ist ein Werk über filmische Illusion. Die erste halbe Stunde, also der Film im Film, ist als Plansequenz ohne sichtbare Schnitte inszeniert. Mittendrin statt nur dabei, lautet das Credo. Und so stolpert man mit dem Auge der Kamera in Echtzeit durch das Filmset, wo der Dreh eines Zombie-Schockers eskaliert. Plötzlich schlurfen echte Untote um die Ecke. Ein Fluch soll auf dem Gelände lasten. Schon bald fliegen die Prothesen, das Kunstblut spritzt in Fontänen. Nur einer freut sich: der Regisseur Rémi (Romain Duris), der endlich authentische Angst aus seinem untalentierten Cast herauskitzeln kann.
Allzu merkwürdig geht es da zu: Menschen starren unbeholfen in die Kamera, Bewegungen geraten ins Stocken. Nicht alles scheint geplant zu sein, was wir da zu sehen bekommen. Wer das japanische Original kennt, weiß natürlich längst um die Finten und falschen Fährten, die sich hinter solchen befremdlichen Szenen und Pannen verbergen. Die aberwitzigen Auflösungen folgen später. Intelligent ist Hazanavicius’ Film am ehesten in der Art und Weise, wie er sein Publikum zunächst mit Sehgewohnheiten von Trash-Kino konfrontiert. Trash, was heißt das? Doch meistens nur, dass die naturalistische Illusion auseinanderfällt, Fertigung und Künstlichkeit erkennbar werden und damit keine Versenkung mehr erlauben.
Vermeintliche Ungereimtheiten werden dabei oft als Dilettantismus, Logiklöcher oder dergleichen abgestempelt, anstatt diese als eigene Formensprache zu lesen. Insofern gehen sowohl Final Cut of the Dead als auch seine Vorlage geschickt vor, wie sie in ihrer Echtzeitdarstellung das Publikum einerseits mitten im Geschehen verorten, es zur imaginären Teilhabe verführen, aber zugleich mit dem ausgestellten Scheitern auf Distanz halten. Was sich daran anschließt, wie Final Cut of the Dead zwischen seinen Fiktionsschranken hin- und herspringt – das sitzt dennoch einem ärgerlichen Kunstverständnis auf.
Der Coup von Michel Hazanavicius besteht darin, seinem Publikum schier grenzenlose Transparenz vorzugaukeln. Endlich einmal hinter die Kulissen blicken, wie es dort zugeht in der verrückten Filmbranche, inklusive aller Pannen und Peinlichkeiten – vom Familienzwist bis zum Sprühdurchfall. Natürlich ist diese suggerierte Transparenz nur die nächste Ebene einer inszenierten Wirklichkeit, die sorgfältig Ausschnitte wählt, Dinge ein- und ausblendet. Auch eine zweite aufgestellte Kamera kann zwar eine andere filmen, doch ihr Blick wird immer gerichtet sein. Final Cut of the Dead führt das auf verschachtelte Weise vor: Da geschieht andauernd etwas, das gerade nicht gesehen werden kann.
Doch welche Schlüsse für die Betrachtung von Filmen zieht man nun daraus? Hazanavicius will sein Publikum zwar dazu erziehen, immer auch hinter die Fassade, hinter die reine Illusion des Lichtspiels zu schauen, aber will man das überhaupt? Was gehen einen die Zänkereien, Notlösungen und Skurrilitäten am Set an? Final Cut of the Dead verliert sich im blinden Eigenlob. Künstlerisches Schaffen als reiner Selbstzweck. Zwar mögen ökonomische, strukturelle und zwischenmenschliche Probleme Steine in den Weg geworfen haben, doch am Ende kommt schon irgendetwas Verwertbares dabei heraus. Menschliches Miteinander macht’s möglich. Das Publikum soll ruhig lachen und über den Trash spotten, doch hinter den Kulissen, dort hat das eigentliche Wunder der Kreativität stattgefunden. Final Cut of the Dead krönt sie mit dem Bild einer menschlichen Pyramide.
Mühe, Anstrengung, Ressourcen, das gemeinsame Anpacken und Werkeln werden damit über das fertige Produkt und die Urteilskraft des Publikums gestellt. Diese Selbstverklärung der eigenen Branche passt allzu gut in unsere Gegenwart. Fun Facts, Trivia, Verweise auf Katastrophen und außerordentliche Anstrengungen dienen auch heute noch als Werbematerial und ehrfurchtgebietende Anekdoten, die doch bitte zu beachten sein sollen, wenn man über ein Kunstwerk sprechen möchte. Man denke nur an das Method Acting berühmter Darstellerinnen und Darsteller, welches medial groß ausgestellt werden kann und vom eigentlichen Kunstwerk ablenkt. Es hat schließlich alles Geld und Kraft gekostet!
Solche Aspekte mögen für irgendwen Relevanz besitzen. Sie mögen auch nicht weniger politisch sein als das Resultat, das über die Leinwand flackert. Nur fallen beide Ebenen allein zeitlich und räumlich auseinander. Am Ende bleiben von den Entstehungsprozessen häufig nur Spuren im fertigen Film. Entzifferbar nur für Eingeweihte, allen anderen können sie eigentlich egal sein. Final Cut of the Dead spielt mit dieser Tatsache erst so amüsant und clever, parodiert ein verqueres Streben nach Authentizität und geht letztlich doch den unkritischsten Weg.
Spielt man das einmal konsequent durch, kann man sagen: Der produzierte Zombiefilm in Final Cut of the Dead ist trotz charmanter Brüche recht belangloser Mumpitz, der allein vom altbackenen Exzess lebt. Man darf und sollte das aussprechen, ohne dafür die Beteiligten hinter der Kamera für ihre Anstrengungen honorieren zu müssen. Michel Hazanavicius will mit seiner Erzählkonstruktion das Publikum jedoch genau dazu bringen. Sein Liebesbrief an sich selbst und seine Zunft ist zwar ein kurzweiliger, mitnichten aber ein harmloser Spaß!
Seine finale Erlösung und Affektentladung im gemeinsamen Lachen basiert allein auf der Feier menschlicher Krisenbewältigung. Was wurde nicht an Schweiß und Tränen, Kot und Kotze vergossen, um etwas mit Herzblut zu inszenieren! Hach, möchte man erweicht raunen, wäre das nicht alles so furchtbar naiv und selbstherrlich. Hazanavicius erweckt in seinem Verständnis von Kunstrezeption noch einmal den toten Autor zum Leben, um sein eigenes Erzeugnis aus der Schusslinie zu ziehen. Sein Ziel ist die Gnade des Publikums gegenüber dem künstlerischen Produkt. Oder einfacher gesagt: ein Film für kritikfeindliche Zeiten.