Großbritannien/USA 2017 · 106 min. · FSK: ab 6 Regie: Paul McGuigan Drehbuch: Matt Greenhalgh Kamera: Urszula Pontikos Darsteller: Jamie Bell, Annette Bening, Vanessa Redgrave, Julie Walters, Kenneth Cranham u.a. |
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Der Cougar-Star |
»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du aussiehst wie Lauren Bacall, wenn du rauchst?«
»Humphrey Bogart.« – »Oh!« – »Und das fand ich auch schon nicht sehr nett.«
Gloria Grahame in Film Stars Don’t Die in Liverpool
»Hallo, du bist wohl der Nachbar?« »Dann bist du wohl die von nebenan…« – so geht es los. Gloria ist keine ganz junge Frau mehr, als sie sich in ihren Nachbarn Peter verliebt. Und er sich in sie. Liebe zwischen Nachbarn – das wäre ein alltäglicher Vorgang und nicht weiter der Rede wert, wäre Gloria nicht drei Jahrzehnte älter als der Mittzwanziger Peter, und wäre sie nicht ein Weltstar aus Hollywoods bester Zeit.
Dies ist, man möchte es kaum glauben, eine Geschichte, die sich zumindest in groben Zügen tatsächlich ereignet hat: Gloria Grahame, geboren 1923, war im Hollywood der 40er und 50er Jahre ein großer Star. Sie spielte unter anderem Hauptrollen in Filmen von Frank Capra, Elia Kazan, Fritz Lang und Vincente Minelli. Für dessen The Bad and the Beautiful gewann sie 1952 einen Oscar.
Auch privat ließ Gloria Grahame, wie man so sagt, »nichts anbrennen«. Viermal war sie
verheiratet, der vierte Ehemann war der Sohn des zweiten, dazu ungezählte Liebhaber. Der letzte war Peter Turner, Engländer und ein unbekannter, fast 30 Jahre jüngerer Schauspieler. Sie lernte ihn Ende der 70er Jahre kennen, als ihre besten Tage schon länger vorbei sind, und sie mit Tennessee-Williams-Stücken über britische Provinztheaterbühnen tingelte.
Jahre nach Grahames Tod schrieb Peter Turner dann über die Liaison ein Buch, das die Grundlage für diesen Film bildet. Darin
schildert er auch die bald darauf einsetzende Krebskrankheit und das traurige Sterben von Grahame.
Die Regie von Paul McGuigan bemüht sich, den Stil seines Films in die Nähe der Hollywood-Filme zu rücken, mit denen Grahame Karriere machte.
Das Ergebnis ist dann zwar eine kleine Hommage an klassisches Hollywood – interessant wird der Film aber durch den Auftritt von Annette Bening in der Hauptrolle. Diese Rolle hat alles, worauf Darstellerinnn in Benings Alter und Profil hoffen können: Sie ist strahlend und launisch, charismatisch und vulgär.
Bening geht in der Figur der an Krebs erkrankten, immer noch verführerischen Schauspielerin völlig auf. Ihre Grahame ist eine unreife alte Dame, ein kapriziöser Star, der nur spielen will, nichts als spielen, der das Leben und das Kino, das echte Gefühl und den dramatischen Auftritt auch immer wieder verwechselt – daher sehr anstrengend ist für ihre Mitmenschen.
Die Geschichte des Film dreht sich um den letzten Akt dieses Lebens als Auftritt.
Film Stars Don’t Die in Liverpool ist so traurig und seltsam wie sein Titel und außerdem ein sehr sentimentaler Film. Er will auch skurrile Briten zeigen und witzig-ernst sein wie Filme von Ken Loach oder Mike Leigh – das gelingt nur in seltenen Momenten.
Zugleich aber erzählt diese Geschichte von der ungewöhnlichsten Liebesgeschichte seit Harold und Maude.