Deutschland/USA 2017 · 110 min. · FSK: ab 0 Regie: Margarethe von Trotta Drehbuch: Pam Katz Kamera: Jo Heim Darsteller: Katja Riemann, Ingrid Bolsø Berdal, Haluk Bilginer, Tinka Fürst, Fredrik Wagner u.a. |
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Wenn Frauen in diesem Film miteinander sprechen, dann meist im Angift-Modus |
Im Jahre 1985 überlegte sich die Graphic Novel Autorin Alison Bechdel einen Test, mit dem man Pi mal Daumen prüfen kann, ob weibliche Charaktere eines Films realistische Menschen darstellen oder stereotype Klischees. Je nach Abschneiden ergeben sich Rückschlüsse, ob der Film in negativer Weise weibliche Rollenmodelle mitprägt.
Der Test ist simpel, er besteht nur aus drei Fragen:
1. Gibt es mindestens zwei Frauenrollen?
2. Sprechen sie miteinander?
3. Unterhalten sie sich über etwas anderes als Männer?
Die erste Hürde nimmt Margathe von Trottas Forget about Nick mit Bravour. Ja, es gibt mehr als zwei, sogar die beiden Hauptcharaktere sind weiblich.
Die zweite Hürde aber wird gerissen. Jade (Ingrid Bolsø Berdal) und Maria (Katja Riemann) sprechen kaum ernsthaft miteinander. Stattdessen streiten und giften sie sich an. Noch lieber agieren sie nonverbal und reißen Lebensmittel aus dem Kühlschrank und pfeffern sie in die Mülltonne. – Totaler
Zickenkrieg.
Bei der dritten Frage donnert der Film mit Überschallgeschwindigkeit gegen die Wand. Wenn Maria und Jade sich unterhalten, geht’s um fast nichts anderes als um Nick. Der Mann, mit dem beide verheiratet waren und der sie beide für eine Jüngere sitzen ließ.
Nun, der Bechdel-Test ist über dreißig Jahre alt. In aktuellen Diskussionen, die in den verschiedendsten Gremien stattfinden, geht es nicht mehr nur darum, wie viele Frauenrollen ein Film aufweist, und ob sie stereotyp gezeichnet sind oder nicht. Initiativen für Gleichstellung fordern Frauen-Quote in Politik, Wirtschaft und Kultur. Auf dem Regiestuhl, beim Drehbuchschreiben und in Filmfördergremien, damit die Benachteiligung von Frauen endlich aufhört.
Es ist paradox: Die Regisseurin Margarethe von Trotta ist eine Frau. Die Drehbuchautorin Pam Katz auch. Ebenso die Produzentin, Bettina Brokemper. Doch ihr gemeinsamer Film wirkt wie die lexikalische Aufzählung und süffige Illustrierung von Weiblichkeitsstereotypen.
Können Frauen alleine für ihr Luxus-Leben zahlen, wenn der reiche Ex-Mann sie nicht mehr großzügig unterstützt? – Schwierige Frage…
Was scheint das größte Vergnügen einer Frau zu sein? Sich nachts in die Küche zu schleichen und den Kühlschrank zu plündern. Jedenfalls nach dem Grunzen und Stöhnen zu urteilen, dass Jade ausstößt, während sie sich mit beiden Händen Kuchen in den Mund stopft. Noch lauter als der Ausdruck ihrer Ekstase beim heimlichen Naschen ist ihr
gellender Schrei, wenn die Waage ein Pfund mehr anzeigt.
Diese Parade peinlicher Klischees lässt sich lange fortsetzen. Nicht nur in Jades und Marias Luxus-Zweier-WG. Natürlich in New York. Natürlich in einem schicken, zweigeschossigen Loft. Sondern auch bei der Arbeit. Jade entwirft Klamotten für ein eigenes Label. Marias Tochter Antonia (Tinka Fürst) braucht Kohle. Also kreiert sie mal eben ein Parfum für Jades Label. Mit durchschlagendem Erfolg! – Wovon Frauen halt so träumen. – Maria gibt einen Kurs für deutsche Lyrik. Warum nur sehen die Studentinnen, die sich für Gedichte interessieren, allesamt aus, als hätte man sie frisch vom Catwalk gecastet? Wäre es nicht viel schöner, natürlicher und vor allem glaubwürdiger, wenn eine einzige Studentin normal aussehen würde? Mit dunklen Augenringen, da sie die Nacht durch gelesen hat? Fettigen, zotteligen Haaren und blassem Teint. Weil sie ihr Geld lieber für Bücher ausgibt als fürs Solarium und einen Coiffeur?
Während man beklommen vor der Leinwand ausharrt, fragt man sich unwillkürlich: Meinen die Drehbuchautorin und die Regisseurin das wirklich ernst? – Hoffentlich nicht! Einen Hinweis zu ihrer Entlastung gibt die Musik.
Wie so oft, wenn ein Film nebulös hin und her wabert oder auf der Stelle tritt wie Schluckauf, muss der Soundtrack quasi soufflieren, was eigentlich gemeint ist. In diesem Fall mäandert die Musik (Helmut Zerlett) zwischen locker-fluffig und
sanft-moussierend. Federleichte Melodien und flotte Rhythmen suggerieren: Das hier soll lustig sein!
Übertreibung, Wiederholung und das lustvolle Spiel mit Klischees sind Zutaten vieler gelungener Komödien. Jedes dieser Elemente gibt’s im Überfluss. Warum ist Forget About Nick trotzdem kein bisschen komisch? Weil ihm Leichtigkeit fehlt und wenigstens ein Funken Ironie. Die großartige Eigenschaft, sich selbst nicht 100%ig ernst zu nehmen. Zum Lachen wird man gerne verführt. Dieser Film, so scheint es, versucht, Humor mit Brechstange und
Presslufthammer zu erzwingen.
Was in einem Moment amüsiertes Schmunzeln auslöst, wird im nächsten schon wieder plattgewalzt, bis die Gesichtszüge gelähmt sind. Wie nach einer Botoxspritze beim Zahnarzt. Vereinzelt vielversprechende Dialoge, die sich zu einem verbalen Feuerwerk steigern könnten, ersaufen im Selbstmitleid der Charaktere.
Aufrichtiges Mitleid empfindet man mit den Schauspielern, die den Klischees Leben einhauchen sollen. Katja Riemann schafft es fast, sie verleiht Maria tatsächlich so etwas wie Würde. Dabei bleibt auch ihre Rolle, wie die anderen, in einem engen Korsett gefangen. Überraschend positiv bleibt der Vorspann in Erinnerung. Bei dem hat sich jemand echt ausgetobt. Oder, um genau zu sein, er hat sich mal etwas einfallen lassen…