Frankreich 2004 · 104 min. · FSK: ab 6 Regie: Philippe Lioret Drehbuch: Philippe Lioret, Emmanuel Courcol, Christian Sinniger Musik: Nicola Piovani Kamera: Patrick Blossier Darsteller: Sandrine Bonnaire, Philippe Torreton, Grégori Derangère u.a. |
Drei. Dabei ist das Dritte das Andere, das, was vorher schon fehlte, man wusste es nur nicht. Von nun an wird es immer da sein.
Keine Dreiecksgeschichte des französischen Kinosund davon gibt es vermutlich mehr, als von jeder anderen Kinonationkommt ohne die Erinnerung an Truffauts Jules et Jim aus. Die Frau des Leuchtturmwärters von Philippe Lioret ist eine kleine, nostalgische Hommage an das meisterhafte Vorbild.
Eine junge Frau kommt aus der Metropole Paris auf eine bretonische Insel zurück, an den Ort, wo sie geboren wurde und aufwuchs. Sie möchte das alte Steinhaus ihres Vaters verkaufen, der Leuchtturmwärter war. Der Leuchtturm ist jetzt automatisiert und wohlhabende Städter entdecken »das Ende der Welt« als Wochenenddomizil. Die Tochter findet ein Buch in einem Umschlag, adressiert an ihre verstorbene Mutter. Dieses Buch mit dem Titel »Mein Ende der Welt« generiert eine Rückblende, die die Geschichte in den Sechziger Jahren ansiedelt.
Ein Fremder kommt auf die kleine Insel, er soll den Leuchtturmwärter unterstützen. Er sieht gut aus und die Frauen mögen ihndie Männer im Ort dementsprechend weniger. Yvon (Philippe Torreton), der Leuchtturmwärter, behandelt ihn schlecht und straft ihn mit Ignoranz. Trotzdem und vor allem dank der liebevollen Hartnäckigkeit von Antoine (Grégori Derangèr) entwickelt sich nach und nach eine enge Freundschaft zwischen den beiden Männern. Doch Antoines Charme, seine aufgeschlossene und unverstellte Art, die ihn so sehr von den misstrauischen, verschlossenen Inselbewohnern unterscheidet, bezaubert auch Mabé (Sandrine Bonnaire), Yvons Frau. Sie verliebt sich in ihn. Die beiden schlafen einmal miteinander, dann verlässt er die Insel. Mabé bekommt eine Tochter. Am Ende, wieder in der Gegenwart, entschließt sich diese Tochter, das Haus nicht zu verkaufen.
Jules et Jim endet tragisch, die drei Liebenden können die Fiktion nicht leben. Auch in Die Frau des Leuchtturmwärters ist das nicht möglich, aber schon deshalb, weil Fiktionen im Mikrokosmos der Dorfgemeinschaft keine Rolle spielen. Mabé, Yvon und Antoine könnten sich nicht isolieren und sie wollen es auch nicht. Zum Weggang von Antoine gibt es keine Alternative.
Es ist eine unaufgeregte Geschichte, die in ihrer Zurückgenommenheit perfekt zur rauen Schönheit der bretonischen Insellandschaft passt. Die Kamera von Patrick Blossier schafft ebensolche Bilder: Die Menschen erscheinen organisch verbunden mit der Landschaft. Insbesondere dem Leuchtturm, Mittelpunkt der Geschichte und immer auch nostalgisches Symbol, räumt die Kamera ein Eigenleben ein. Sämtliche Postkartenmotive werden durchgespielt, man sieht ihn bei Sonnenuntergang, mit Feuerwerk, bei Sturm und Gewitter. Man sieht sein Herz: Die riesige rotleuchtende Spiegellampe, die sich in seiner Spitze dreht. Sein Innen und sein harten Anfechtungen ausgesetztes Außen spiegeln das Wesen und die Beziehungen der verschlossenen und sensiblen Charaktere wieder. »Das hier ist die Hölle!« schreit Yvon einmal, und der Leuchtturm erscheint von außen, vor dramatisch dunklem Himmel in blutrotem Licht.
Kurze Dialoge, sparsame Gesten und lange Blicke machen die Inszenierung aus. Insbesondere Sandrine Bonnaire und Philippe Torreton beherrschen die Kunst der Blicke meisterhaft, ihre Figuren werden in erster Linie durch Blicke transparent und verständlich. Das Auge wird offenes Fenster zur Seele.
Philippe Lioret ist mit Die Frau des Leuchtturmwärters eine versöhnliche Dreiecksgeschichte gelungen, eine Dreiecksgeschichte, die die tragische Dimension ihrer Vorbilder vermissen lässt. Dieser versöhnliche Ton ist allerdings auch eine Schwäche. Der Film wirkt eben etwas matter, ist kleiner und leichter als die Vorbilder, die vor allem in den Sechziger Jahren zu suchen sind: Neben Jules et Jim sicher auch Jacques Derays La piscine (als Remake 2003 Swimming Pool von François Ozon) oder auch Das Messer im Wasser von Roman Polanski.
Zwischen Liorets drei Hauptfiguren entsteht kein Neid und keine Agression, obwohl der obligatorische Betrug stattfindet. Missgunst kommt allenfalls von außen. Selbst das Dritte, das immer fehlen würde, bleibt schließlich auf der Insel: In Gestalt der gemeinsamen Tochter.