Deutschland 2009 · 108 min. · FSK: ab 6 Regie: Markus Goller Drehbuch: Oliver Ziegenbalg Kamera: Ueli Steiger Darsteller: Friedrich Mücke, Matthias Schweighöfer, Alicja Bachleda-Curus, Kimberly J. Brown, Chris Browning u.a. |
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Man beachte die Türme im Hintergrund |
»Bei uns waren alle gleich«, erzählt eine Jungenstimme. »Wir sahen auch alle gleich aus.« Dazu läuft die Musik von Auferstanden aus Ruinen, ohne Gesang, und man sieht Dokumentaraufnahmen aus 40 Jahren DDR: Wiederaufbau und Plattenbaukästen, Trabis und die Volksarmee, Ulbricht und Honnecker – das Übliche eben. Der kindlich-lockere, pseudonaive Erzähler-Ton, der schon nach einigen Sekunden Gesellschaftsgeschichte und Autobiographie witzig miteinander kurzschließt, und in wenigen Skizzen das Bild der Kindheit eines unangepassten, Film- und Popmusik-verrückten Jünglings in der späten DDR zeichnet, ist eine sehr gelungene Exposition für diesen deutschen Buddy-Movie: Zwar hat man sowas schon öfters gesehen, doch ironisch abgefederte Ostalgie funktioniert immer wieder, zumal wenn sie in witzige »Erkenntnisse« mündet, wie diese: »David Hasselhoff brachte die Mauer zu Fall.«
Dann ändert sich die Erzählhaltung hin zu dem etwas zu betont lockeren Tonfall einer deutschen Komödie. Erzählt wird von Tom und Veit, zwei Ostberliner Gymnasiasten, die direkt nach dem Abitur 1990 für einige Wochen in die USA fliegen: Veit will seinen Vater finden, der einst aus der DDR geflohen war, und jetzt in San Francisco lebt, Tom einfach nur an den westlichsten Punkt der Welt... Weil das Geld nicht für mehr reicht, fliegen die beiden nur nach New York, von dort wollen sie sich durchschlagen, um zwei Wochen später, pünktlich zu Veits Geburtstag an der Golden Gate Bridge zu stehen.
Friendship! heißt so, weil dies die amerikanisierte Version des DDR-Grußes »Freundschaft!« sein soll, und mischt Elemente von Roadmovie und Freundschaftsgeschichte zu einem Jungsfilm mit Musik und Sonnenschein, etwas Sex und viel Testosteron. Der generelle Wohlfühlton kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Friendship! auch dunklere Seiten und ernsthaftere Themen hat. Über manche wird flugs hinweggegangen, andere sind Hauptthemen des Films.
Das Ergebnis ist ein Märchen zwischen Dichtung und Wahrheit, ein Film, der sich einerseits zu den Gesetzen der Mainstreamunterhaltung bekennt, und sie bedient, aber andererseits dann doch nicht konsequent, denn alles soll auch eine gewisse Faktentreue gegenüber den Erlebnissen des Produzenten und Til-Schweiger-Weggefährten Tom Zickler einhalten. Wieviel von den Fakten allerdings tatsächlich übrigblieb ist für den Zuschauer kaum erkennbar, und auch nicht wirklich von Belang: Wenn man es nicht – spätestens durch die authentischen Reisefotos Zicklers im Nachspann – besser wüsste, würde man nicht glauben können, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt: Denn auf ihrer Reise von Ost nach West erleben die beiden Jungs – die in ihrer immer optimistischen, gutgelaunten Unbedarftheit so ziemlich alle abgenutzten Ossi-Klischees der letzten 20 Jahre bedienen – vor allem die angenehmen Seiten der USA: Ein Drive-In, wo sie sich kostenlos satt essen dürfen, Biker, die ihnen ein Auto anvertrauen, willige Provinzschönheiten, die sie für eine Nacht mit aufs Zimmer nehmen. Immer wenn die beiden gerade wieder ohne Geld sind, wird für sie der American Dream aufs Neue wahr: Wer nur wirklich will und etwas findig ist, der kann in diesem Kunst-Amerika immer genug Geld verdienen, sei es mit selbstbemalten falschen »Originalstücken der Berliner Mauer«, sei es als Stripper in einer Schwulenbar, sei es, indem sie einen selbstgedrehten Dokumentarfilm als »East German underground movie« vorführen. Was es wirklich heißt, in Amerika auch nur ein paar Tage ohne Geld leben zu müssen, kann man dagegen gut in Kelly Reichardts Wendy and Lucy erleben, der derzeit noch im Kino läuft – aber dieser Einwand wäre zu bierernst und wird beiden, ganz und gar unvergleichbaren Filmen nicht gerecht: Friendship! will nicht mehr sein, als eine Komödie zum schnellen Vergessen und zeichnet daher ein überaus schlichtes, allzu positives USA-Bild.
Dazu passen auch die Postkartenbilder und die permanent eingesetzte Gute-Laune-Musik von »Silbermond« und anderen. Der Münchner, in Los Angeles lebende und nach eigenen Angaben »DDR-affine« Regisseur Markus Goller ist ein unbeschriebenes Blatt: Planet B: Mask Under Mask hieß 2002 sein weitgehend vergessenes Spielfilmdebüt. Dass Goller seitdem in den USA vor allem als Werbefilmer gearbeitet hat, sieht man Friendship! jederzeit an: An seiner immer professionellen Machart, am schnellen Schnitt, und der Fähigkeit in kurzen, einprägsamen Bildern zu erzählen, aber auch in einer gewissen narrativen Glätte des Ganzen, und in Stil-Mätzchen, die in erster Linie wie Macher-Narzißmus wirken: Ein bisschen sehr oft braust die Kamera mittels Hubschrauber mal von rechts und mal von links über den Highway, während unten ein Auto gen Westen saust.
Auf der einen Seite die jungen Münchner Produzenten von Wiedemann & Berg, die nach Das Leben der Anderen und Männerherzen nun den dritten Jungsfilm in die Kinos bringen, zusammen mit dem Team um den neuen deutschen Kinogott Til Schweiger, nämlich seine Produzenten Tom Zickler und Mark Popp sowie Autor Oliver Ziegenbalg, der sich mit dem dritten Drehbuch innerhalb eines Jahres zum Vielschreiber der Saison gemausert hat. Da haben sich zwei Erfolgsteams des neuesten deutschen Kinos zusammengetan, und darum wirkt dieser Film vielleicht doch ein wenig zu muskelbepackt, als das man ihm die Leichtigkeit und Nettigkeit, die er vor sich her trägt, so ganz abnehmen könnte.
Dem gutgelaunten, aber insgesamt etwas unausgewogenen Ergebnis, das am Ende mit zwei, drei erwartbaren, lange vorbereiteten »Überraschungen« aufwarten kann, glaubt man die aufgepumpten Muskeln anzusehen. Friendship! ist ein Märchen, das auf die USA weitgehend mit den weit aufgerissenen Augen und den recht naiven Seelen der beiden Ossi-Pennäler blickt.